4. Juni 2012

Silbertod - F.E. Higgins

Produktinfos:

Ausgabe: 2009
Seiten: 304
Amazon
* * * * *
Die Autorin:

F.E. Higgins wurde in London geboren und ist in Irland aufgewachsen. 2007 erschien ihr Debütroman "Das Schwarze Buch der Geheimnisse", das international großen Anklang fand und das für den Waterstone's Children's Book Prize nominiert wurde.

Inhalt:

Nach dem Tod seiner Mutter und dem Verschwinden seines unter Mordverdacht geflohenen Vaters lebt Pin allein in der gefährlichen Stadt Urbs Umida. Hier wimmelt es von Dieben und Betrügern, und über dem armen Südteil der Stadt liegt der ständige Gestank des Flusses Foedus, in dem giftige Abwässer zusammenfließen. Pin arbeitet bei dem kauzigen Bestattungsunternehmer Mr. Gaufridus, der stets neue Erfindungen testet, um den Scheintot seiner Leichen auszuschließen, und verdient sich so das Nötigste zum Leben.

Als Pin wieder einmal nachts eine Leiche bewacht, wie es die Begräbnistradition verlangt, tauchen plötzlich seltsame Gestalten auf. Es ist eine Gruppe von Schaustellern um den merkwürdigen Knochenmagier Mr. Pantagus, der vorgibt, mit den Toten sprechen zu können. Pin erlebt, wie das tote Mädchen mit seinem Verlobten spricht. Kurz darauf besucht er eine Vorstellung des Magiers, in der das Skelett Madame de Bona den Besuchern die Zukunft vorhersagt.

Nachdem Pin seine Wohnung verloren hat, trifft er abends den Zwerg Beag, der zur Schaustellergruppe um den Knochenmagier gehört, die Pin bei sich aufnimmt. Zusammen mit dessen Assistentin Juno schließt er eine Wette, dass er den Trick des Magiers bald aufklären wird. Doch ehe es dazu kommt, entgeht Pin knapp der Ermordung durch den mysteriösen Silberapfel-Mörder, der seit Wochen seine Opfer in den Foedus stößt ...

Bewertung:

Nach ihrem Debütroman "Das Schwarze Buch der Geheimnisse" legt F.E. Higgins hier ein ähnliches Jugendbuch vor, das sogar lose mit dem Vorgänger durch ein paar Anspielungen verbunden ist, allerdings ein eigenständiges Werk bildet.

Düstere Spannung

Urbs Umida ist einer der denkbar schlechtesten Orte, an denen Kinder aufwachsen können, und Pins Schicksal ist daher äußerst wechselhaft. Sein Vater geriet in Streit mit seinem Onkel, der tags darauf ermordet aufgefunden wurde, während Pins Vater die Flucht ergriff. Seither muss sich der Junge allein durchschlagen, was ihm dank des Bestattungsunternehmer Mr. Gaufridus zunächst gut gelingt. Dann aber kündigt ihm seine unleidliche Vermieterin die Wohnung, und Pin irrt allein durch die winterkalte Stadt.

Dazu kommen die immer wieder eingeschobenen Szenen, in denen der Silbermörder aktiv wird, von dem viele in der Stadt glauben, dass Pins Vater hinter seiner Identität stecke. Nur mit viel Glück entgeht Pin einem seiner Mordversuche und lebt spätestens jetzt in ständiger Gefahr. Auch das Leben bei der Schaustellertruppe ist aufregend, schließlich gibt Mr. Pantagus vor, Tote zum Leben erwecken zu können. Pin wird mehrmals Zeuge seines Könnens und will doch nicht an Magie glauben, sondern das Rätsel dahinter lösen.

Neben der abenteuerlichen Handlung überzeugt auch die Atmosphäre. Urbs Umida ist zwar ein fiktiver Ort, der aber viele Züge einer viktorianischen Stadt aufweist. Die Schauplätze sind dunkle Gassen, Spelunken, oft zieht wie aus dem Nichts der Nebel auf, es ist düster und ungemütlich, in der verrufenen Südstadt herrschen Armut und Kriminalität. Der Silberapfel-Mörder ist zwar der markanteste Verbrecher, der in dieser Zeit die Stadt unsicher macht, aber auch sonst lauern an jeder Ecke Halunken, und Pin fällt einmal beinah ein paar Strolchen in die Hände, die aus ihm einen leckeren Braten zaubern wollen.

Originelle Charaktere

Inmitten all der skurrilen Figuren ist Pin einer der wenigen Charaktere, die einem völlig normal erscheinen, und daher eine gute Identifikationsfigur für Kinder und jugendliche Leser. Herrlich bizarr dagegen ist der Leichenbestatter Mr. Gaufridus, der als Junge einmal scheintot war und sich seither geschworen hat zu verhindern, dass jemand lebend begraben wird. Deswegen erfindet er ständig neue Geräte, mit deren Hilfe er die Leichen auf ihren tatsächlichen Tod überprüft und die er zu Pins Missfallen gerne vorab an ihm testet.

Pins neue Freunde sind kaum weniger seltsam, so etwa der Zwerg Beag, der nicht nur ein talentierter Dichter ist, sondern auch ein Meister im Kartoffelwerfen, eine Tugend, die in einer verkommenen Stadt wie Urbs Umida leider weitaus gefragter ist als literarisches Können. Einen gelungene Kontrast zu Beag bildet der hochgewachsene, elegante Aluph Buncombe, der sich mit Schädelforschung befasst. Aluph ist überzeugt davon, anhand der Schädelform den Charakter eines Menschen erkennen zu können, und setzt diese Fähigkeit zum Geldverdienen ein - allerdings sagt er den Damen der Gesellschaft nicht die Wahrheit über ihre meist wenig vorteilhaften Charaktere, sondern schmeichelt ihnen so gekonnt, dass sie gern Geld für diese Lobhuldigungen bezahlen, ohne zu merken, dass sich Aluph dabei eigentlich über die lustig macht.

Eine undurchsichtige Figur ist dagegen der Schreiberling Deodonatus Snoad, der das Gerücht in die Welt setzte, dass Pins Vater der Silberapfel-Mörder sein muss. Der intelligente und zugleich abstoßend hässliche Mann lebt zurückgezogen, zelebriert seine hämischen Artikel und wird im späteren Verlauf noch eine wichtige Rolle spielen.

Kleine Schwächen

Zum einen ist die Geschichte am Ende des Romans bei Weitem noch nicht fertig erzählt, sodass man mit einer Fortsetzung rechnen darf, speziell was die Wahrheit über Pins Vater betrifft. Wer also auf alle Fragen befriedigende Antworten erwartet, wird sicher enttäuscht werden. Dazu kommt, dass man als Leser die Identität und auch die Beweggründe des Silberapfel-Mörders recht früh erahnt und die Auflösung keine Überraschung mehr bietet. Ein kleines Manko ist auch, dass Pin seiner neuen Freundin Juno, der Gehilfin des Knochenmagiers, recht wenige Fragen stellt. Er redet mehr mit dem Zwerg Beag und ist neugierig was Aluphs Schädelforschungen angeht, aber ausgerechnet Juno, mit der er sogar plant, die Stadt zu verlassen, und die wie eine große Schwester für ihn ist, fragt er zu wenig über ihre Vergangenheit aus, was nicht ganz realistisch wirkt.

Fazit:

Ein unterhaltsamer Jugendroman für ältere Kinder und Jugendliche, aber auch für phantasievolle Erwachsene. Die Geschichte überzeugt durch eine intensive Atmosphäre mit gruseligen Elementen und eine weitgehend spannende Handlung mit ausgefallenen Charakteren. Allerdings bleiben am Ende offene Fragen, die in einem Nachfolgeband geklärt werden müssen, und die Identität des Mörders wird zu schnell erraten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.