Produktfakten:
Ausgabe: 2006
Seitenanzahl: 125
Amazon
* * * * *
Die Autorin:
Andrea Maria Schenkel, geboren 1962 in Regensburg, veröffentlichte 2006 mit "Tannöd" ihren Debütroman. Sie wurde dafür mit diversen Preisen ausgezeichnet. Ihre weiteren Werke, ebenfalls Krimis, sind "Kalteis" und "Bunker".
Inhalt:
Auf Tannöd, dem abgelegenen Bauernhof in Oberbayern, lebt in den fünfziger Jahren Familie Danner: Der alte, tyrannische Danner und seine Frau, seine Tochter Barbara und deren Kinder, die siebenjährige Marianne und der zweijährige Joseph. Sie sind verschlossen, haben wenig Kontakt mit den Dorfbewohnern und gelten als unbeliebt. Das liegt vor allem am alten Danner, der für seinen Geiz bekannt ist und seit über zwanzig Jahren ein inzestuöses Verhältnis mit Barbara haben soll.
Eines Morgens wird auf dem Hof eine schreckliche Entdeckung gemacht: Alle sechs Bewohner von Tannöd wurden mit einer Spitzhacke erschlagen. Das alte Ehepaar, Barbara und ihre kleine Tochter liegen im Stall, der kleine Joseph im Stubenwagen und die gestern erst eingetroffene Magd Marie in ihrer Kammer.
Seit vier Tagen hatte niemand die Familie mehr gesehen - das Vieh wurde aber offenbar täglich gefüttert und gemolken. Der Täter muss sich über Tage auf dem Hof aufgehalten haben oder zweimal täglich zurückgekehrt sein. Die Tat erschüttert die Gemeinde. Raubmord war es nicht, es wurde nichts gestohlen - doch warum sonst kann jemand eine solche Tat begehen ...?
Bewertung:
Andrea Maria Schenkels Debütroman wurde von Kritik und Leserschaft überwiegend begeistert aufgenommen und hat ihr gleich den Durchbruch als Autorin verschafft. Ihr in eigenwilliger Form verfasstes Werk, das nur knapp über 100 Seiten stark ist, basiert dabei auf einer wahren Begebenheit, dem immer noch ungelösten Sechsfachmord von Hinterkaifeck. Auf dem Einödhof Hinterkaifeck in Oberbayern wird 1922 die Familie Gruber samt Magd erschlagen aufgefunden. Gestohlen wurde kaum etwas, der Täter versorgte noch tagelang das Vieh und weder seine Identität noch sein Motiv konnten bis heute geklärt werden. Verdachtsmomente gab es, vor allem gegen den Nachbarbauern, der ein Verhältnis mit Viktoria Gruber hatte und der der offizielle Vater des kleinen Jungen war, obgleich womöglich, wie auch schon im Fall der Tochter, der alte Gruber selbst für die Vaterschaft verantwortlich war. Das Inzestverhältnis zwischen Vater und Tochter, das abgeschiedene Leben, die Verschlossenheit der Bewohner und die grausigen Umstände des Mordes sorgten für eine bis heute anhaltende Faszination des Falls, der damit eine dankbare Vorlage für einen Roman bildet.
Andrea Maria Schenkel ändert sämtliche Namen und verlegt vor allem die Handlung von 1922 in die fünfziger Jahre. Davon abgesehen hält sie sich in sehr vielen Punkten eng an die überlieferten Fakten. Für die offenen Fragen findet sie Antworten - so etwa zum Mysterium der Fußspuren im Schnee, die zum Hof, aber nicht zurück führen, die der alte Gruber alias Danner wenige Tage vor dem Mord gesehen haben will und von denen er seinem Nachbarn erzählte. Bis heute wird darüber spekuliert, ob sich der Mörder demnach schon Tage vorher heimlich auf dem Dachboden einquartierte, um seine Opfer auszuspionieren, wofür auch verschobene Dachziegel und Heu sprechen - das würde allerdings viel eher für einen Fremden respektive einen Raubmörder sprechen und weniger für eine Affekttat. Der Autorin gelingt es geschickt, den Leser in die Handlung einzuführen, die schrecklichen Geschehnisse schon im Vorfeld dezent anzudeuten und dann eine Lösung zu präsentieren, die sich tatsächlich so abgespielt haben könnte - die aber dennoch, das sei ausdrücklich gesagt, unbewiesene Spekulation ist.
Stil und Form sind recht außergewöhnlich gewählt. Der sehr kurze Roman besteht aus vielen einzelnen Zeugenaussagen, die zwischen einer und mehreren Seiten lang sind. Zu Wort kommen der Dorfpfarrer, Mariannes Lehrer, die Krämerin, die Schwester der Magd Marie und andere Bauern. Nach und nach ergibt sich daraus für den Leser ein schlüssiges Gesamtbild. Diese Zeugenaussagen sind in ihrem Ton jeweils der entsprechenden Person angepasst und die Sprache ist leicht durch die Mundart geprägt. Daneben gibt es noch ebenso knappe Abschnitte, in denen ein personaler Erzähler den Mörder begleitet und der Leser erlebt so den Mord hautnah mit, bis er zum Schluss auch erfährt, wer der Täter ist. Das Buch ist sehr schnell zu lesen, in zwei Stunden kann man damit fertig sein, der geradlinigen Handlung, die keine Wendungen oder komplizierte Verstrickungen bereit hält, ist leicht zu folgen. Die Form mag aber für manchen Leser gewöhnungsbedürftig sein. Ob die Verlegung der Handlung in eine dreißig Jahre spätere Zeit gut war oder nicht, ist Ansichtssache.
Durch die Knappheit des Romans gibt es nicht viele Details, etwa was das alltägliche Leben angeht, zumal das Dorf- und Bauernhofleben in diesem Fall noch sehr traditionell geschildert wird - oft vergisst man beim Lesen beinah, dass die Handlung nicht wie der ursprüngliche Fall in den zwanziger Jahren spielt. Ankreiden kann man dem Werk unter Umständen, dass das Potential des brisanten Ereignisses nicht voll ausgeschöpft wurde. Verdient hätte der Fall Hinterkaifeck durchaus einen umfangreicheren Roman, in dem die Figuren nicht so schnell nach ihrer Einführung bereits sterben müssen. Das allerdings hätte natürlich noch größere Abkehr von den Fakten bedeutet, da die Autorin dann viele Spekulationen über die Charaktere hätte anstellen müssen. Als Einführung für den Kriminalfall und als interessante Lektüre für zwischendurch eignet sich das kurze Werk daher prima - wer bereits über Hinterkaifeck informiert ist, wird nichts Neues erfahren und vielleicht sogar enttäuscht sein, dass die Handlung keine Überraschung bereit hält, sondern sich nur auf bekanntem Terrain bewegt. Denn selbst die Theorie über den Mörder, der nie gefasst wurde, ist alles andere als neu.
Fazit:
Vier Sterne für einen kurzen Roman mit sehr interessantem Thema, der auf einem wahren Kriminalfall beruht. Die Form ist recht eigenwillig, da das Werk überwiegend aus unterschiedlichen Zeugenaussagen besteht, aber man liest sich schnell darin ein.
Ausgabe: 2006
Seitenanzahl: 125
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Die Autorin:
Andrea Maria Schenkel, geboren 1962 in Regensburg, veröffentlichte 2006 mit "Tannöd" ihren Debütroman. Sie wurde dafür mit diversen Preisen ausgezeichnet. Ihre weiteren Werke, ebenfalls Krimis, sind "Kalteis" und "Bunker".
Inhalt:
Auf Tannöd, dem abgelegenen Bauernhof in Oberbayern, lebt in den fünfziger Jahren Familie Danner: Der alte, tyrannische Danner und seine Frau, seine Tochter Barbara und deren Kinder, die siebenjährige Marianne und der zweijährige Joseph. Sie sind verschlossen, haben wenig Kontakt mit den Dorfbewohnern und gelten als unbeliebt. Das liegt vor allem am alten Danner, der für seinen Geiz bekannt ist und seit über zwanzig Jahren ein inzestuöses Verhältnis mit Barbara haben soll.
Eines Morgens wird auf dem Hof eine schreckliche Entdeckung gemacht: Alle sechs Bewohner von Tannöd wurden mit einer Spitzhacke erschlagen. Das alte Ehepaar, Barbara und ihre kleine Tochter liegen im Stall, der kleine Joseph im Stubenwagen und die gestern erst eingetroffene Magd Marie in ihrer Kammer.
Seit vier Tagen hatte niemand die Familie mehr gesehen - das Vieh wurde aber offenbar täglich gefüttert und gemolken. Der Täter muss sich über Tage auf dem Hof aufgehalten haben oder zweimal täglich zurückgekehrt sein. Die Tat erschüttert die Gemeinde. Raubmord war es nicht, es wurde nichts gestohlen - doch warum sonst kann jemand eine solche Tat begehen ...?
Bewertung:
Andrea Maria Schenkels Debütroman wurde von Kritik und Leserschaft überwiegend begeistert aufgenommen und hat ihr gleich den Durchbruch als Autorin verschafft. Ihr in eigenwilliger Form verfasstes Werk, das nur knapp über 100 Seiten stark ist, basiert dabei auf einer wahren Begebenheit, dem immer noch ungelösten Sechsfachmord von Hinterkaifeck. Auf dem Einödhof Hinterkaifeck in Oberbayern wird 1922 die Familie Gruber samt Magd erschlagen aufgefunden. Gestohlen wurde kaum etwas, der Täter versorgte noch tagelang das Vieh und weder seine Identität noch sein Motiv konnten bis heute geklärt werden. Verdachtsmomente gab es, vor allem gegen den Nachbarbauern, der ein Verhältnis mit Viktoria Gruber hatte und der der offizielle Vater des kleinen Jungen war, obgleich womöglich, wie auch schon im Fall der Tochter, der alte Gruber selbst für die Vaterschaft verantwortlich war. Das Inzestverhältnis zwischen Vater und Tochter, das abgeschiedene Leben, die Verschlossenheit der Bewohner und die grausigen Umstände des Mordes sorgten für eine bis heute anhaltende Faszination des Falls, der damit eine dankbare Vorlage für einen Roman bildet.
Andrea Maria Schenkel ändert sämtliche Namen und verlegt vor allem die Handlung von 1922 in die fünfziger Jahre. Davon abgesehen hält sie sich in sehr vielen Punkten eng an die überlieferten Fakten. Für die offenen Fragen findet sie Antworten - so etwa zum Mysterium der Fußspuren im Schnee, die zum Hof, aber nicht zurück führen, die der alte Gruber alias Danner wenige Tage vor dem Mord gesehen haben will und von denen er seinem Nachbarn erzählte. Bis heute wird darüber spekuliert, ob sich der Mörder demnach schon Tage vorher heimlich auf dem Dachboden einquartierte, um seine Opfer auszuspionieren, wofür auch verschobene Dachziegel und Heu sprechen - das würde allerdings viel eher für einen Fremden respektive einen Raubmörder sprechen und weniger für eine Affekttat. Der Autorin gelingt es geschickt, den Leser in die Handlung einzuführen, die schrecklichen Geschehnisse schon im Vorfeld dezent anzudeuten und dann eine Lösung zu präsentieren, die sich tatsächlich so abgespielt haben könnte - die aber dennoch, das sei ausdrücklich gesagt, unbewiesene Spekulation ist.
Stil und Form sind recht außergewöhnlich gewählt. Der sehr kurze Roman besteht aus vielen einzelnen Zeugenaussagen, die zwischen einer und mehreren Seiten lang sind. Zu Wort kommen der Dorfpfarrer, Mariannes Lehrer, die Krämerin, die Schwester der Magd Marie und andere Bauern. Nach und nach ergibt sich daraus für den Leser ein schlüssiges Gesamtbild. Diese Zeugenaussagen sind in ihrem Ton jeweils der entsprechenden Person angepasst und die Sprache ist leicht durch die Mundart geprägt. Daneben gibt es noch ebenso knappe Abschnitte, in denen ein personaler Erzähler den Mörder begleitet und der Leser erlebt so den Mord hautnah mit, bis er zum Schluss auch erfährt, wer der Täter ist. Das Buch ist sehr schnell zu lesen, in zwei Stunden kann man damit fertig sein, der geradlinigen Handlung, die keine Wendungen oder komplizierte Verstrickungen bereit hält, ist leicht zu folgen. Die Form mag aber für manchen Leser gewöhnungsbedürftig sein. Ob die Verlegung der Handlung in eine dreißig Jahre spätere Zeit gut war oder nicht, ist Ansichtssache.
Durch die Knappheit des Romans gibt es nicht viele Details, etwa was das alltägliche Leben angeht, zumal das Dorf- und Bauernhofleben in diesem Fall noch sehr traditionell geschildert wird - oft vergisst man beim Lesen beinah, dass die Handlung nicht wie der ursprüngliche Fall in den zwanziger Jahren spielt. Ankreiden kann man dem Werk unter Umständen, dass das Potential des brisanten Ereignisses nicht voll ausgeschöpft wurde. Verdient hätte der Fall Hinterkaifeck durchaus einen umfangreicheren Roman, in dem die Figuren nicht so schnell nach ihrer Einführung bereits sterben müssen. Das allerdings hätte natürlich noch größere Abkehr von den Fakten bedeutet, da die Autorin dann viele Spekulationen über die Charaktere hätte anstellen müssen. Als Einführung für den Kriminalfall und als interessante Lektüre für zwischendurch eignet sich das kurze Werk daher prima - wer bereits über Hinterkaifeck informiert ist, wird nichts Neues erfahren und vielleicht sogar enttäuscht sein, dass die Handlung keine Überraschung bereit hält, sondern sich nur auf bekanntem Terrain bewegt. Denn selbst die Theorie über den Mörder, der nie gefasst wurde, ist alles andere als neu.
Fazit:
Vier Sterne für einen kurzen Roman mit sehr interessantem Thema, der auf einem wahren Kriminalfall beruht. Die Form ist recht eigenwillig, da das Werk überwiegend aus unterschiedlichen Zeugenaussagen besteht, aber man liest sich schnell darin ein.
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