5. Juni 2012

Wolfsgier - Brigitte Melzer

Produktinfos:

Ausgabe: 2009
Seiten: 365
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Die Autorin:

Brigitte Melzer, geboren 1971, ist ursprünglich Bankfachwirtin. Ihr Debütroman "Whisper" gehörte 2003 zu den besten Manuskripten des Wolfgang-Hohlbein-Preises. Sie veröffentlicht auch unter den Pseudonymen Kate Logan und Morgan Grey. Weitere Werke sind: "Im Schatten des Dämons", "Elyria" und die Vampyr-Reihe.

Inhalt:

London, 1886: Die einundzwanzigjährige Emma leidet zunehmend unter schweren Alpträumen, in denen ihr eine reißende Bestie erscheint. Ihre besorgte Tante Mabel, bei der sie seit ein paar Jahren lebt, gibt sie in eine Anstalt, wo sie der Arzt beständig unter Drogen setzt. Endlich gelingt Emma die Flucht. Tante Mabel engagiert einen Ermittler, der Emma zunächst findet, doch sie entkommt ihm. Sie weiß, dass sie nicht verrückt ist, will aber Antworten auf ihre Träume finden und kehrt zurück in ihr Heimatdorf im ländlichen Dartmoor. Hier lebt ihr Vater, der seit dem Tod von Emmas Mutter immer schweigsamer wurde und seine Tochter schließlich nach London gab, um sie dort in die Gesellschaft einführen zu lassen.

Emmas Vater reagiert schockiert auf ihre Wiederkehr. Die junge Frau glaubt, dass er sie nicht liebt, will aber dennoch so lange bleiben, bis sie herausgefunden hat, was sie in ihren Träumen sieht. Währenddessen folgt ihr der Ermittler Styles, der auch davon überzeugt ist, dass Emma keine Wahnvorstellungen hat.

Emma ahnt noch nicht, dass das Dorf seit vielen Jahren von einer unheimlichen Bestie heimgesucht wird und die Bewohner ihr zum Schutz regelmäßig junge Mädchen opfern. Da sie inzwischen als Fremde gilt, soll sie das nächste Opfer sein ...

Bewertung:

Wilde Romantik, Fantasy und Horror mischen sich in Brigitte Melzers Werk zu einem Roman, der zwar leichte Unterhaltung bietet, aber längst nicht alle Erwartungen erfüllt.

Solide Atmosphäre

Das England des späten 19. Jahrhunderts ist ein beliebtes Setting für düstere Geschichten und liefert einen dankbaren Hintergrund. Es sind zwar altbewährte Schilderungen, aber es gelingt recht gut, die Atmosphäre des viktorianischen Londons und des Dartmoor-Dorfes zu transportieren mit der schauerlichen Irrenanstalt, in der Patienten lediglich ruhiggestellt werden und keine Behandlung erhalten, den finsteren Gassen und Spelunken, in denen sich Diebe und schlimmeres Gesindel herumtreiben, und den misstrauischen Dorfbewohnern, die am liebsten unter sich bleiben. Für ein wenig Spannung ist dadurch gesorgt, dass es immer wieder deprimierende Todesfälle gibt, die deutlich machen, dass auch sympathische Charaktere nicht davor gefeit sind zu sterben.

Die Figuren sind nicht sonderlich ausgefeilt, aber teilweise doch interessant gezeichnet. Die rothaarige Emma, die ihre geliebte Mutter im Kindesalter verloren hat und die ihrer großen Liebe Gabriel hinterhertrauert, ist eine sympathische junge Frau, mit der man durchaus leiden kann. Auch nach einigen Jahren in der vornehmen Londoner Gesellschaft hat sich Emma ihre entschlossene, leicht burschikose ländliche Art bewahrt und ist alles andere als eine piekfeine Dame. Emmas Vater ist eine tragische Figur. Nicht nur, dass er vor vielen Jahren seine Frau verloren hat und seine Tochter weggab, um sie zu schützen - er hat auch noch ihren Zorn auf sich gezogen, da Emma nicht ahnt, dass alles zu ihrem Schutz geschah statt aus Desinteresse.

Zudem soll nun Emma geopfert werden, denn die Dorfbewohner betrachten sie nicht mehr zugehörig und wollen lieber sie als eine ihrer Töchter sterben sehen. Der Ermittler Preston Styles ist noch ein bisschen vielschichtiger, da er zwischen den Seiten schwankt. Eigentlich soll er Emma möglichst schnell nach London zurückbringen, andererseits versteht er, dass sie endlich klären will, welches Ereignis in ihrer Vergangenheit diese seltsamen Träume ausgelöst hat. Als sie das Geheimnis gelüftet hat, ist er sehr zwiegespalten, was er davon halten soll, und bis kurz vor Schluss scheint immer wieder ein Wechsel zur anderen Seite möglich.

Einige Schwächen

Ein großer Mangel in der Handlung liegt darin, dass der Leser fast immer viel informierter ist als die Protagonistin. Es geht einiges an Spannung verloren, da man selbst eher genervt reagiert, wenn Emma immer noch im Dunkeln tappt und sich ganz langsam den Erkenntnissen nähert, während der Leser schon längst im Bilde ist. Auch an anderen Stellen, bei denen der Leser nicht eingeweiht ist, ahnt er frühzeitig, was sich später bestätigt. Überraschungen in der Handlung gibt es nicht viele, das Ende ist eines davon - doch es ist schon wieder so radikal unerwartet und vor allem kurz, dass die Wendung zu unmotiviert daherkommt.

Dem Leser bleibt Raum zur Spekulation, auch eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen, wenn auch nicht ursprünglich geplant gewesen, aber laut eigener Aussage hatte die Autorin zunächst ein anderes Ende im Kopf, und es wirkt tatsächlich eher spontan als sorgfältig durchdacht. Manche Leser werden sicherlich dieses Ende sogar favorisieren, für andere ist es ein billiger Deus ex Machina, ein aus dem Nichts hervorgezauberter Schluss.

Die Liebesgeschichte ist sehr vorhersehbar und recht klischeehaft, und einige dramatische Szenen lesen sich wie Tausende andere solche Beschreibungen auch, etwa die Versammlungen der Dorfbewohner oder der wütende Mob, der mit Mistgabeln auf seine Feinde einstürmt. Andere Szenen wiederum erscheinen viel zu konstruiert, etwa als eine der Figuren nach jahrelangem Irrglauben erst durch einen Hinweis Emmas etwas begreift, was ihm schon längst vorher hätte klar sein müssen. Der Stil ist zwar flüssig zu lesen, bemüht aber zu häufig abgegriffende Wendungen, etwa wenn immer wieder "Geifer von den Zähnen der Bestie troff" oder in Streitgesprächen.

Fazit:

Ein romantischer Gruselroman, der sich nicht sehr weit über Groschenromanniveau erhebt. Zur anspruchslosen Unterhaltung in Ordnung, aber zu viele Schwächen verhindern einen richtigen Lesegenuss.

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