4. Juni 2012

Wölfe ums Schloss - Joan Aiken

Produktinfos:

Ausgabe: 1974
Seiten: 208
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Die Autorin:

Joan Aiken wurde 1924 in Sussex geboren und starb 2004. Ihr Vater war der Pulitzer-Preisträger Conrad Aiken. Bereits als Kind zeigte Joan Aiken schriftstellerische Ambitionen. 1953 veröffentlichte sie ihren ersten Kurzgeschichtenband. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2004 verfasste sie mehrere Dutzend Romane, darunter Fantasy- und Abenteuerromane für Kinder sowieso Krimis und Thriller für Erwachsene und mehrere Jane-Austen-Nachfolgebände. Zu ihren Werken gehören u. a. "Die Kristallkrähe", "Jane Fairfax", "Der flüsternde Berg", "Du bist ich" und "Fanny und Scylla"

Inhalt:

Ein kalter Winter in England um 1830: Unter der Regierung von König James III existiert ein Kanaltunnel zwischen Calais und Dover, durch den ausgehungerte Wölfe auf die Britischen Inseln gelangt sind und die Bevölkerung bedrohen. Die kleine Bonnie lebt auf dem prächtigen Landsitz Willoughby. Ihre Eltern planen eine mehrmonatige Seereise, damit sich Bonnies Mutter von einer langen Krankheit erholen kann. Für die Zeit wird Mrs. Slighcarp, eine entfernte Verwandte, als Gouvernante das Haus betreuen.

Zur gleichen Zeit macht sich die gleichaltrige Sylvia auf den Weg zu ihrer bislang unbekannten Cousine Bonnie. Da Sylvias Tante Jane zu alt und gebrechlich geworden ist, um sie noch länger zu versorgen, wird das Mädchen von nun an auf Schloss Willoughby leben. Gleich nach ihrer Ankunft schließen die kluge Sylvia und die temperamentvolle Bonnie Freundschaft.

Doch kaum sind die Eltern abgereist, zeigt Mrs. Slighcarp ihr wahres Gesicht. Sie entlässt die Dienerschaft, behandelt Bonnie und Sylvia wie Sklaven und plant offenbar, sich das Vermögen der Eltern anzueignen. Nach anfänglicher Rebellion werden die Mädchen in eine Schule für Waisenkinder gesteckt, die einem Gefängnis gleicht. Aber Bonnie und Sylvia geben die Hoffnung auf eine Flucht nicht auf. Sie müssen der gemeinen Mrs. Slighcarp unbedingt das Handwerk legen ...

Bewertung:

Obwohl im Jahr 1962 erschienen, hat Joan Aiken hier eine kindgerechte Version eines Schauerromans verfasst, wie er typisch für das junge 19. Jahrhundert gewesen wäre. Dazu gehören natürlich ein Schloss mit Geheimgängen, düstere Machenschaften voller Intrigen und grausamen Plänen, heulende Wölfe, treue Diener und verräterische Komplizen. "The Wolves of Willoughby Chase" bildet dabei den Auftakt einer Serie, deren Werke aber in sich abgeschlossen sind.

Fesselnd und atmosphärisch

Nostalgisch und gemütlich ist die Ausgangssituation mit dem eisigen Winter und dem herrschaftlichen Haus, in die der Leser geführt wird. Wer Bücher wie "Oliver Twist", den "kleine(n) Lord" oder "Sara, die kleine Prinzessin" mag, ist mit diesem Werk bestens bedient. Mit den tapferen Mädchen lässt es sich herrlich mitleiden. Die sporadisch auftauchenden Wölfe sorgen für einen leichten Gruselfaktor, und ständig lauert man auf neue Gemeinheiten der durchtriebenen Mrs. Slighcarp.

Der Versuch der Mädchen, sich zu befreien, ist eine spannende und abenteuerliche Odyssee. Geschickt sorgt die böse Gouvernante dafür, dass sie keinen Kontakt zur Außenwelt aufnehmen können, und die Schule für Waisenkinder ist ein inoffizielles Gefängnis, in dem Petzereien der Kinder von den Leiterinnen belohnt werden. Wie sich die beiden gewitzten Mädchen dennoch zur Wehr setzen, ist nicht nur für gleichaltrige Kinder, sondern auch für Erwachsene vergnüglich zu lesen.

Gelungene Charaktere

Im Mittelpunkt stehen Bonnie und Sylvia, zwei grundverschiedene Mädchen, die sich prächtig ergänzen. Bonnie ist die reiche Tochter aus gutem Haus, verwöhnt von den liebenden Eltern mit einem königlichen Spielzimmer und ihrem Lieblingspony. Erfreulicherweise ist aber gerade Bonnie die lebendigste aller Figuren, nämlich alles andere als ein zerbrechliches Püppchen, wie man anhand des Reichtums meinen könnte.

Stattdessen gewinnt sie sofort Sympathien durch ihre direkte Art und ihr energisches Auftreten, auch oder gerade weil sie dabei allerdings ein Mensch ist, der gern mal zuerst handelt und erst hinterher denkt. Zu Recht lobt sie daher ihre Cousine Sylvia als viel klüger, die stets mit Bedacht vorgeht. Sie ist der scheue Gegenpart zur tatkräftigen Bonnie, durch ihr bislang ärmliches Leben aber abgehärtet und eher gewohnt, sich aus Notsituationen herauszuhelfen. Ebenso ins Herz schließt man Pattern, Bonnies geliebte Kinderfrau, die sich trotz ihrer Entlassung heimlich im Schloss versteckt hat, um den Kindern beizustehen, und den Gänsehirten Simon, der den Mädchen bei ihrer Flucht eine große Hilfe ist. Wer an Simon Gefallen findet, darf sich darüber freuen, dass er die Hauptperson im Nachfolgeband "Die Verschwörung von Schloss Battersea" ist.

Mrs. Slighcarp wiederum ist eine Schurkin, wie sie prädestiniert ist für Schauerromane. Kaum mit den Kindern allein gelassen, wird aus der vormals kühl-zurückhaltenden Gouvernante eine Tyrannin, die gleich zum Auftakt sich die Kleider der Hausherrin aneignet, das Testament von Sir Willoughby verbrennt, Bonnies Spielsachen entsorgen und ihre Ponys verkaufen lässt und das Mädchen als Strafe auch mal in einen Schrank sperrt. Natürlich entbehrt ihr Verhalten nicht einer gewissen karikaturenhaften Überzeichnung, ähnlich wie eine böse Stiefmutter im Märchen, aber gerade dies passt zur nostalgischen Attitüde der Geschichte.

Nur wenige Schwächen

Ein wenig irreführend ist der Titel des Buches, denn die Wölfe spielen keine so große Rolle, wie man annehmen könnte. Sie sind, obwohl es eine sehr interessante Idee war, sie einzubauen, nicht einmal zwingend notwendig für den Handlungsverlauf. Das Ende verläuft zudem ein wenig zu schnell, was auch schon für den Heimweg der Kinder gilt, hier hätte man ruhig noch jeweils etwas länger verweilen können.

Fazit:

"Wölfe ums Schloss" von Joan Aiken ist ein sehr schönes Kinder- und Jugendbuch, das auch vielen Erwachsenen gefallen dürfte. Die nostalgische Atmosphäre überzeugt, die Handlung im 19. Jahrhundert ist spannend, die Hauptpersonen sind sympathisch geraten. Die kleinen Schwächen fallen kaum ins Gewicht, sodass das Buch insgesamt rundum Spaß macht und eine Bereicherung für jedes Kinderzimmer ist.

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