4. Juni 2012

Die Pflanzen des Dr. Cinderella - Frank Festa (Hrsg.)

Produktinfos:

Ausgabe: 2007
Seiten: 455
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Der Herausgeber:

Der Herausgeber Frank Festa wurde 1966 in Düsseldorf geboren. 1997 gründete er den Kleinverlag "Edition Metzengerstein", 2001 schließlich den auf Horror und Dark Fantasy spezialisierten Festa-Verlag.

Inhalt: 25 Erzählungen der Schauerliteratur aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert geben sich in diesem Sammelband ein unheimliches Stelldichein. »Das Haus in der Rue M. le Prince« erzählt von einem Spukhaus in Paris, in dem der Ich-Erzähler mit seinem Freund, dem Erben, und zwei weiteren Bekannten eine unheimliche Nacht verbringt. Anfangs sind die Besucher noch guter Dinge, doch schon bald zeigen sich Anzeichen dafür, dass das verfluchte Haus seinen Ruf nicht zu Unrecht trägt ... Die erste von insgesamt fünf hier versammelten Reisegeschichten von Ralph Adams Cram, die alle aus der Sicht des gleichen Erzählers stammen, stellt einen gelungenen Einstieg in die Anthologie dar. Trotz des altbekannten Plots wird eine dichte unheilvolle Atmosphäre kreiert, und zwischen den Zeilen offenbart sich ein leiser Humor, der für gute Unterhaltung sorgt.

In »Das Ding auf dem Dach« erhält der Ich-Erzähler Besuch von seinem alten Bekannten und Forscherkollegen Tussmann. Tussmann braucht seine Hilfe bei der Beschaffung eines Buches, das sich mit geheimnisvollen Kulten und Mysterien befasst. In einem Dschungeltempel soll sich ein sagenhafter Schatz verbergen, und der Schlüssel dazu liegt in einem Juwel. Tussmanns Suche hat zwar Erfolg, bringt aber auch fatale Konsequenzen mit sich ... Der "Conan"-Autor Robert E. Howard legt hier eine solide Geschichte vor, die mit dunklen Kulten und geheimnisvollen Flüchen spielt. Die Vorhersehbarkeit nimmt der Handlung die Spannung, für Freunde des Themas ist es dennoch eine unterhaltsame Kurzerzählung.

»Die Pflanzen des Dr. Cinderella« erzählt von einem Ägyptologen, der einst im Wüstensand eine geheimnisvolle Statue ausgrub, die eine Hieroglyphe nachbildet. Seitdem verspürt er zunehmend Wahnvorstellungen, die ihn in einer planlosen Nacht in ein fremdes Haus treiben ... Gustav Meyrink gehört zu den bekanntesten Namen des Bandes, allerdings kann seine Geschichte nicht durchweg überzeugen. Das Zusammenfließen von Wahn und Wirklichkeit ist gut dargestellt, bleibt aber nicht länger im Gedächtnis haften, zumal der Gruselfaktor intensiver hätte sein können.

»Die Kirche von Zinsblech« ist der Ort, an dem sich ein verirrter Wanderer einen Schlafplatz sucht. Er erwacht, als eine merkwürdige Prozession durch den Gang zum Altar zieht, die ihn nicht wahrzunehmen scheint ... Auch in dieser Erzählung klingt die anti-religiöse Haltung an, die viele Werke von Oskar Panizza durchzieht. Verwirrend-absurde Erlebnisse vermischen sich mit einer schauerlichen Atmosphäre und hinterlassen beim Leser den zwiespältigen Eindruck einer interessanten, aber gleichzeitig befremdlichen Geschichte.

»Der australische Gast« handelt vom heimgekehrten Mister Rumbold, der nach London zurückkehrt, um dort seinen erworbenen Reichtum zu genießen. Doch ein seltsamer Mann folgt ihm bis in sein Hotel ... Zum ersten Mal ist diese wunderbare Erzählung von Leslie Poles Hartley auf Deutsch erschienen, die mit ihrer klaren, flüssigen Sprache, der sich bedrohlich-zuspitzenden Atmosphäre und dem gekonnten Schluss einen weiteren Höhepunkt in der Sammlung bildet.

»Gefangen auf Schloss Kropfsberg« erzählt die schauerliche Legende des bösartigen Grafen Albert, der einst alle Gäste durch ein Feuer auf seinem Schloss umkommen ließ und sich anschließend das Leben nahm. Zwei ungläubige Geisterforscher verbringen eine Nacht in der Ruine, in der es spuken soll ... Im Gegensatz zum ersten geisterhaften Reisebericht von Ralph Adams Cram ist der Ich-Erzähler - samt seinem Freund Tom Rendel - nur Teil der Rahmenhandlung, die sich etwas zu ausschweifend an den Anfang setzt. Danach jedoch überzeugt die Geschichte auf ganzer Linie, entwirft ein bedrückend-unheimliches Szenario, das nicht nur die Protagonisten, sondern auch den Leser beeindruckt.

»William Wilson« nennt sich der Ich-Erzähler, der zu Schulzeiten einen Mitschüler gleichen Namens hatte, der ihm sowohl äußerlich als auch charakterlich stark ähnelte und mit dem er von Beginn an rivalisierte. Auch nach Verlassen der Schule fühlt er sich, wohin er auch geht, von ihm verfolgt ... Mit dieser stark autobiographisch gefärbten Geschichte von Edgar Allan Poe, die sich um das Doppelgänger-Motiv dreht, liegt die wohl bekannteste Erzählung des Bandes vor. Schein und Sein fließen stark ineinander, vor allem im symbolträchtigen Schluss. Die Erwartungen, die an Poes Werke geknüpft sind, werden souverän erfüllt.

»Die weiße Villa« bietet dem Protagonisten und seinem Freund Tom Zuflucht für die Nacht, als sie auf einer Italienreise den Rückzug verpassen. Grauenvolle Dinge spielten sich hier vor vielen Jahren ab, welche die Gemäuer auch heute noch nicht verlassen haben ... Das italienische Flair wird von Ralph Adams Cram gut eingefangen, der Rest der Geschichte jedoch ist ausgesprochen konventionell und belanglos im Vergleich zu den meisten anderen Erzählungen.

»Der Flötenbläser« ist ein arabischer Mann, der dem jungen Ehepaar Ariadne und Erich auf deren Hochzeitsreise nach Ägypten auf dem Schiff begegnet. Sein trauriges Flötenspiel verwirrt Ariadnes Sinne. An Land trifft sie ihn bald darauf wieder ... Leonhard Stein, von dessen Biographie man kaum mehr als seinen Namen kennt, hinterlässt eine Reisegeschichte mit Wüstenflair, die mit irrationalen Gefühlen und Suggestion spielt. Der detailverliebte Stil allerdings ist angesichts der recht dünnen Handlung zu überladen.

»Im Haus des Richters« erzählt vom angehenden Examenskandidaten Malcom Malcomson, der sich zum Lernen in eine kleine Stadt zurückzieht. Er quartiert sich im Haus eines verstorbenen Richters ein, in dem es nicht geheuer ist ... Diese Geschichte beweist, dass Bram Stoker zu Unrecht immer nur als "Dracula"-Autor gerühmt wird. In erfrischend klarer Sprache bietet sich eine wohlig-gruselige Geistergeschichte dar, die zwar konventionell ist, aber gut unterhält.

»Lemuren« setzt sich zusammen aus den hinterlassenen Tagebucheinträgen des ehemaligen Irrenstaltsinsassen Dr. Wijkander, der sich nach seiner Entlassung in die Wildnis zurückgezogen hat. Je weiter man liest, desto stärker wandeln sich die Einträge in die Worte eines Verfolgten - oder eines Wahnsinnigen ... Diese Geschichte von Willy Seidel, dem Bruder der bekannten Schriftstellerin Ina Seidel, stellt zwar glaubwürdig die seelische Verfassung des Schreibers dar, gehört aber aufgrund des hektischen, stakkatohaften Stils und des eher unoriginellen Themas zu den schwächeren Texten des Bandes.

»Notre Dame des Eaux« heißt die uralte Kirche, die sich über den Meeresklippen erhebt, in deren Nähe die Familie de Bergerac eine Sommerresidenz einrichtet. Tochter Heloise schläft eines Abends beim Besuch in der Kirche ein und wird Zeugin einer fatalen Begegnung ... In schwerfällig-blumiger Sprache wird eine Gruselgeschichte von Ralph Adams Cram dargeboten, die zwar keinen großen Eindruck hinterlässt, aber solide unterhält.

»Wenn man des Nachts sein Spiegelbild anspricht« berichtet von der unglücklichen Liebe zwischen dem Ich-Erzähler und Yseult. Nach einem glücklichen gemeinsamen Sommer kehrt jeder in seine Stadt zurück. Ein Jahr darauf erhält er eine Einladung von ihr zu einem Treffen auf einem Maskenfest. Yseult ist inzwischen verheiratet, aber einmal noch wollen sie eine Nacht zusammen verleben. Dabei spielt der große Spiegel im Vorzimmer eine unheilvolle Rolle ... Max Brod ist nicht nur als Autor, sondern auch als enger Freund von Franz Kafka bekannt. Inhaltlich zwar interessant, hinterlässt der allzu überladene Stil aber einen negativen Beigeschmack, ebenso wie die moralisierende Pointe. Der Phantastikcharakter ist zwar gegeben, doch der Grusel- oder gar Horrorfaktor hält sich, im Gegensatz zu anderen Geschichten, stark zurück.

»Das tote Tal« durchqueren zwei Jungs bei Nacht, nachdem sie bei ihrem Ausflug die Zeit vergessen haben. Von Angstzuständen wie gelähmt, machen sie eine grauenvolle Erfahrung ... Die Handlung wird von Ralph Adams Cram unspektakulär in Szene gesetzt, besticht aber durch eine intensive Darstellung, die zu Recht von Großmeister Lovecraft gelobt wurde, auch wenn der Beginn sich ein wenig zu lang zieht.

In »Eine eigenartige Abendgesellschaft« gerät der Freund des Erzählers in einer verträumten Frühlingsnacht. Die Dame des Hauses lädt ihn in ihre pompöse Villa ein, in der gerade ein prunkvolles Fest gefeiert wird. Unsicher, aber doch neugierig lässt er sich darauf ein und genießt die schmeichelnde Aufmerksamkeit. Doch trotz des eleganten Ambientes und der vornehmen Gäste liegt eine seltsame Stimmung in der Luft ... Der Ukrainer Orest M. Somow, als Vorläufer des großen Nikolaj Gogol gepriesen, legt eine sehr atmosphärische Geschichte vor, die den Leser bis zum Schluss gebannt in Atem hält. Zu bedauern ist nur, dass die ersten Sätze schon einiges vom Ende vorwegnehmen. Wünschenswert wäre gewesen, den Ausgang zunächst völlig offen zu lassen.

Der Instrumentenmacher »Tobias Guarnerius« ist von der fixen Idee besessen, eine Stradivari nachzubauen. Um seinen Erfolg zu krönen, will er die Seele eines Menschen einfangen ... Obwohl Ignaz Franz Castelli kein Spezialist für Schauerliteratur war, entwickelt er hier auf der Basis einer Volkssage eine interessante Künstlergeschichte mit phantastischen Elementen, deren geschwollener und umständlicher Stil allerdings einiges an Konzentration vom Leser verlangt.

»Das gespenstische Gasthaus« erzählt von einer düsteren und gefährlichen Fahrt über die Kuhrische Nehrung nach Russland. Vor vielen Jahren nahm dort ein Gasthaus Reisende auf, bis ein Mord und einige unheimliche Begebenheiten Einzug hielten ... Die Erzählkunst von Alexander von Ungern-Sternberg ist unbestritten, leider schmälern die dominante Rahmenhandlung, die immer wieder die Handlung unterbricht, und der zu ausführliche Anfangsteil den Gesamteindruck. Amüsant dagegen ist der Abschluss, der trotz der gruseligen Stimmung einen Schuss Humor einfließen lässt.

»Das zweite Gesicht« ist eine Erzählung über morbide Visionen, die einen Baron beim Besuch eines alten Freundes befallen. Von der Schwermut befallen, sucht er beim Abbe Maucombe Ablenkung. Trotz des freundlichen Empfangs und der gemütlichen Ländlichkeit wird er von düsteren Halluzinationen ergriffen ... Diese Geschichte stammt aus der Feder des verarmten Adligen Jean-Marie Villiers de l'Isle-Adam. Wie auch beim Rest seines Werks, dominiert hier die melancholische Stimmung, die sich vom Protagonisten auf den Leser überträgt. Trotzdem hinterlässt das Ende eher Nachdenklichkeit als Traurigkeit. Eine überzeugende Erzählung, die im Gedächtnis haften bleibt.

Von »Eine(r) Erscheinung« geisterhaften Ursprungs erzählt in gesellschaftlicher Runde der Marquise de la Tour-Samuel. Als junger Mann begegnet er einem Jugendfreund, der unter dem frühen Tod seiner Ehefrau leidet. Da er es nicht über sich bringt, das gemeinsame Schloss noch einmal zu betreten, bittet er seinen Freund, diesen Gang zu übernehmen und einige Papiere zu besorgen. Noch ahnt der Marquise nichts von seiner unheimlichen Begegnung auf dem Schloss ... An seine Meisterwerke wie »Der Horla« oder »Wer weiß« kann diese Erzählung von Guy de Maupassant nicht heranreichen. Der Anfang ist zu geschwätzig gestaltet, das Ende weiß nicht zu überraschen. Es bleibt eine durchschnittliche Geschichte, wenn man die besseren Texte des Autors im Hinterkopf hat.

»Severins Gang in die Finsternis« zeigt das trostlose Leben eines jungen Mannes, der seine Tage im Büro und seine Abende in den dunklen Gassen Prags verbringt. Neuen Auftrieb erhält er durch die Bekanntschaft mit dem Antiquar Lazarus Kain. Durch ihn begegnet er auch Susanna und Karla, die geheime Wünsche in ihm wecken, und nicht zuletzt dem mysteriösen Nikolaus ... Dieser wiederentdeckte Kurzroman des zu Unrecht wenig beachteten Autors Paul Leppin thematisiert Zerrissenheit und seelische Abgründe vor dem Hintergrund der Prager Bohème.

»Das Geheimnis in der Gerrard Street« ist die Geschichte des Kaufmanns Wiliam Furlong, der bei seinem geliebten Onkel Richard in Toronto aufwächst. Vor der Hochzeit mit seiner Cousine Alice geht er für ein paar Jahre nach Australien, um dort zu Geld zu kommen. Auf der Rückreise erhält er in Boston überraschend einen Brief seines Onkels der viele Fragen aufwirft ... Mit dieser klassischen Geistergeschichte setzt John Charles Dent einen weiteren Höhepunkt in die Sammlung. Sehr behutsam steigert sich die Spannung zu einer rundum überzeugenden Erzählung.

»Die verruchte Stimme« gehört dem berühmten Sänger Balthasar Cesari, genannt Zaffirino, der mit ihrer Hilfe zu töten wusste ... Vernon Lee ist das androgyne Pseudonym der vielseitig gebildeten Intellektuellen Violet Paget, die hier eine außergewöhnliche, aber auch anstrengende Geschichte vorlegt, durchsetzt von inneren Monologen und sprunghaften Gedanken.

»Der Spuk auf der Jarvee« erzählt von einer Schiffsreise, die der auf übersinnliche Begebenheiten spezialisierte Detektiv Carnacki unternommen hat. Sein Freund Captain Thompson ist überzeugt davon, dass es auf der Jarvee nicht mit rechten Dingen zugeht ... William Hope Hodgson gilt als Meister der unheimlichen Seegeschichten, und auch diese achte von insgesamt neun Erzählungen um die Hauptfigur Carnacki entfaltet eine intensive Atmosphäre, begleitet von wissenschaftlichem Einschlag.

»Die andere Seite« wird die gegenüberliegende Bachseite von den Dorfbewohnern argwöhnisch genannt. Der junge Gabriel begibt sich aus Neugierde hinüber und entdeckt eine Welt voller Abgründe und Geheimnisse ... Eric Count Stenbock stand zeitlebens im Schatten des großen Oscar Wilde. Seine morbide Geschichte steht ganz im Zeichen der Dekadenz-Epoche, ist mit seinen blumig-schwerfälligen Schilderungen aber auf sehr spezielle Geschmäcker zugeschnitten.

»Der Skelett-Tänzer« Mac Robert ist der Star der Varietés. Mit einem kunstvollen, leuchtendem Skelettanzug führt er vor dunklem Hintergrund einen unheimlichen Tanz auf, der ihn zu einer gefragten Berühmtheit macht. Eines Tages fordert ihn der undurchsichtige Herr Semert zu einer Partnerschaft auf, die den Ruhm beider noch vergrößert. Als Robert sich nach einer Weile von Semert trennt, ahnt er noch nichts von den katastrophalen Folgen ... Karl Hans Strobl setzt mit seiner Totentanz-Geschichte ein Glanzlicht an den Abschluss der Anthologie. Der Text besticht durch unheilvolle Andeutungen, einen unvorhersehbaren Verlauf und eine intensive Atmosphäre und gehört zweifelsfrei zu den Höhepunkten der Sammlung.

Fazit:

Als Fazit bleibt eine äußerst lesenswerte Sammlung klassischer Horrorgeschichten aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Große Namen wie E. A. Poe und Guy de Maupassant wechseln sich mit viel zu früh vergessenen Literaten der Phantastik ab. Zwar sind auch einzelne schwächere Geschichten enthalten, doch es gibt keinen wirklich negativen Beitrag, und der Großteil der Auswahl ist hervorragend gelungen. Die schöne Aufmachung und die jeweiligen Kurzinformationen zu den Autoren runden das positive Gesamtbild ab. Ein Muss für jeden Freund der unheimlichen Phantastik. Einziges Manko: Einige der Geschichten wurden bereits mehrfach in diversen Anthologien abgedruckt.

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