10. Juni 2012

Der Untergang des Hauses Usher - Edgar Allan Poe

Produktinfos:

Erscheinungsjahr: 2006
Laufzeit: 65 Minuten
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Der Autor:

Edgar Allan Poe lebte von 1809 bis 1849. Der amerikanische Schriftsteller gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Kriminal- und Horrorliteratur. Zu seinen bekanntesten Werken zählen "Die Morde in der Rue Morgue", "Metzengerstein" und das Gedicht "Der Rabe".

Inhalt:


Baltimore, 1845: Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit Philipp Belfield und Roderick Usher zusammen zur Schule gingen. Jetzt erreicht Philipp ein Brief seines Jugendfreundes, in dem er ihn dringend um einen Besuch bittet. Philipp kommt dem Wunsch gern nach und reist auf den abgelegenen Stammsitz der Familie Usher, der in einem Sumpfland liegt. Er freut sich auf das Wiedersehen, doch schon die Ankunft verläuft merkwürdig.

Der Butler Briggs, den Philipp noch aus früheren Tagen kennt, ist sehr erstaunt über seinen Besuch, denn Roderick hat nichts angekündigt. Damit nicht genug, es wird grundsätzlich seit Jahren kein Besuch im Hause Usher empfangen, sodass die Einladung sehr ungewöhnlich ist. Dazu bittet Briggs Philipp inständig, jedes laute Geräusch zu vermeiden. Die Fenster sind verhangen, die Uhren abgestellt.

Philipp begegnet zunächst Madeline, Rodericks Zwillingsschwester, die ihn gar nicht wiedererkennt und hysterisch bittet, sie zu befreien. Nur langsam beruhigt sie sich, und Philipp ist froh, als er endlich zu Roderick gebracht wird. Entsetzt sieht er, dass sein Freund in einem dunklen Zimmer sitzt und sehr elend aussieht. Roderick erklärt ihm, dass ihn ein altes Familienleiden befallen hat, das ihn zur extremen Empfindsamkeit verdammt. Jedes Geräusch und jeder Lichtstrahl quälen seine empfindlichen Sinne. Nur Philipps Gegenwart könne ihm ein wenig Zerstreuung verschaffen. Außerdem behauptet er, dass Madeline dem Wahnsinn nah sei. Philipp solle ihren Worten auf keinen Fall glauben. Madeline wiederum warnt Philipp vor Roderick und glaubt, sie sei in Lebensgefahr ...

Bewertung:

Edgar Allan Poes schauerromantische Erzählung aus dem Jahr 1839 bietet eine ideale Vorlage für die Reihe "Gruselkabinett", die mit viel Mühe klassische Werke der unheimlichen Literatur für Hörer ab dem Jugendalter umsetzt.

Freie Umsetzung

Der Kern der Erzählung ist natürlich unverändert geblieben, aber die Vertonung hat einige Anpassungen vorgenommen. Der Butler Briggs existiert nicht in der Vorlage, auch gibt es dort mehr als einen Diener, während im Hörspiel Briggs betont, dass er der einzige verbliebene Bedienstete ist, was den unheimlichen Charakter verstärkt. Madelines Rolle ist in der Vorlage deutlich kleiner, der Ich-Erzähler begegnet ihr erst später, er spricht kaum mit ihr, und auch ihre eindringliche Warnung fällt weg, ebenso wie die eindrucksvolle Szene in der Familiengruft. Dass in der Vorlage fast nur der Ich-Erzähler spricht, musste fürs Hörspiel natürlich ohnehin angepasst werden. Insgesamt sind die Veränderungen sehr zu begrüßen, da sie behutsam eingesetzt werden, ohne den Sinn der Vorlage zu entstellen.

Spannung und Atmosphäre

Alles beginnt bereits unheilvoll mit dem seltsamen Brief des ehemaligen Jugendfreundes, der fast verzweifelt klingt und schon früh andeutet, dass den Ich-Erzähler Philipp eine schwere Zeit erwartet. Das einsam gelegene Anwesen, der steife, ahnungslose Butler und die verhangenen Fenster beschwören rasch eine intensive, düstere Atmosphäre herauf, sodass man der Handlung gebannt folgt. Obwohl als Kammerspiel inszeniert und mit nur sehr wenigen Figuren ausgestattet, wird der Hörer durchweg gefesselt von den offenen Fragen, die sich erst kurz vor Schluss beantworten. Spannung versprechen vor allem die widersprüchlichen Angaben Rodericks und Madelines. So wie Philipp ist auch der Hörer selbst hin- und hergerissen, wem von beiden zu trauen ist und wer womöglich an Wahnvorstellungen leidet.

Da ist die hysterische Madeline, die Philipp dringend ermahnt, ihrem Bruder nicht zu glauben, die ihn anfleht, sie aus dem Haus fort zubringen, und ihm in der unterirdischen Gruft ein furchtbares Familiengeheimnis anvertraut. Und da ist auf der anderen Seite Roderick, der sehr glaubwürdig von seiner kranken Schwester erzählt, sodass Philipp nicht sagen kann, wem man eher trauen darf. Die Handlung verläuft geradlinig und spitzt sich gleichmäßig zu, ehe sie den brisanten Höhepunkt erreicht. Für Dramatik ist reichlich gesorgt, und auch der Gruselfaktor kommt nicht zu kurz.

Der Ich-Erzähler Philipp eignet sich, auch wenn man nicht viele Informationen über ihn erhält, gut als Identifikationsfigur für den Hörer. Er präsentiert sich als offener, sympathischer junger Mann, der sich anfangs ganz unvoreingenommen auf seinen alten Jugendfreund freut und anschließend von den Ereignissen immer mehr überfordert wird. Obwohl er die Geschichte rückblickend erzählt, nimmt er nicht zu viel von der Entwicklung der Geschehnisse vorweg. Madeline und Roderick hinterlassen gemischte Gefühle - Madeline erweckt Mitleid, nachdem sie das grausige Familiengeheimnis erzählt hat, und Roderick ebenso aufgrund seiner Krankheit. Dennoch wagt man nicht, ihnen gänzlich zu vertrauen, vor allem, da sie stets unberechenbar bleiben.

Gute Sprecher

Oliver Feld spricht den jungen Ich-Erzähler sehr sympathisch und passt zu dem offenen, humorvollen Philipp Belfield. Seine Stimme kennt man vor allem aus der Titelrolle der Serie "Seinfeld" und als Dr. Carter in "Emergency Room". Tobias Kluckert wiederum spricht überzeugend den düsteren Roderick Usher. Er wirkte bereits öfter in der Gruselkabinett-Reihe mit, so in "Der Freischütz" und in "Frankenstein".

Ansonsten synchronisierte er vereinzelt Filme und Serien mit Gerard Butler, Joaquin Phoenix und Kevin McKidd. Claudia Urbschat-Mingues ist eine sehr häufig gewählte Synchronsprecherin, unter anderem als deutsche Stimme von Angelina Jolie und Jennifer Connelly. Zu ihr passen ausdrucksstarke Rollen, allerdings liegt sie mit der Theatralik der hysterischen Madeline teilweise schon hart an der Grenze zum Übertriebenen. Umso schöner sind die musikalischen Untermalungen, die angenehm dezent gehalten sind.

Kaum Schwächen

Abgesehen von Kleinigkeiten ist die Umsetzung sehr gelungen. Dazu gehört etwa die ein wenig zu schwülstige Sprache. Natürlich wird hier der Vorlage gefolgt, denn Edgar Allan Poe ist für diese Schnörkeleien bekannt, trotzdem hätten die Dialoge ein bisschen weniger gestelzt gestaltet werden können. Der zweite kleine Punkt ist, dass Philipp ein bisschen zu unbedarft auf die seltsamen Ereignisse im Hause Usher reagiert. Schon allein das Verhalten des Butlers und dessen dunkle Andeutungen hätten ihn sehr misstrauisch machen müssen, und es dauert ein Weilchen, ehe er seine Naivität ablegt.

Fazit:

Eine gelungene Hörspielumsetzung Edgar Allan Poes Erzählung, die mit guten Sprecher, intensiver Atmosphäre und viel Spannung aufwarten kann. Die Veränderungen gegenüber der Vorlage sind sehr sinnvoll und ändern nichts am Kern der Geschichte. Von ganz kleinen Punkten abgesehen eine sehr empfehlenswerte Folge.

Sprechernamen:

Philipp Belfield: O. Feld
Roderick Usher: T. Kluckert
Madeline Usher: C. Urbschat-Mingues
Briggs: K. Eichel

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