3. Juni 2012

Das Rätsel - John Katzenbach

Produktinfos:

Ausgabe: 2008
Seiten: 752
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Der Autor:

John Katzenbach arbeitete vor seiner Schriftsteller-Karriere als Gerichtsreporter für die "Miami News" und den "Miami Herald". Bereits sein Debütroman von 1982, "In the heat of the summer", wurde mit der Nominierung des Edgar Awards bedacht. Es folgten weitere Bestseller, u. a. "Die Rache", "Die Anstalt", "Der Patient" und "Das Opfer".

Inhalt:

Die USA in naher Zukunft: Die Gewalt hat überhandgenommen, und jeder Bürger verlässt nur noch bewaffnet das Haus. Um einen Gegenpol zu der täglichen Kriminalität zu erschaffen, wurde der 51. Bundesstaat, "New Washington", geplant, der demnächst offiziell anerkannt werden soll. In diesem Territorium leben ausgewählte reiche Bürger in völliger Sicherheit, ständig bewacht von der "State Security". Der Preis ist ein eingeschränktes Privatleben, dafür können die Bürger ohne Waffen, Alarmanlagen und verschlossene Türen leben.

Der junge Jeffrey Clayton ist Professor für kriminelle Verhaltensstörungen an der Universität Massachusetts. Mehrfach schon war er der Polizei als Profiler für Serienmörder behilflich. Diesmal tritt Agent Martin an ihn heran und bittet ihn um Unterstützung in einem ganz besonderen Fall. Ausgerechnet im geplanten 51. Bundesstaat wurde eine junge Frau ermordet. Der Mord wird vertuscht und als Unfall dargestellt, um die Bürger nicht zu beunruhigen. Doch nicht nur, dass ein Mord in diesem streng überwachten Gebiet ein Skandal ist - Agent Martin ist davon überzeugt, dass es sich bei dem Mörder um Jeffreys Vater handelt.

Vor 25 Jahren verließ seine Mutter mit Sohn und Tochter ihren Mann und nahm eine neue Identität an. Damals geschah ein Mädchenmord, der stark an diesen Fall erinnert und bei dem Jeffreys Vater als Verdächtiger galt. Inzwischen ist er offiziell verstorben, doch die Polizei hat Zweifel. Kurz darauf geschieht ein neuer Mord, und Jeffrey findet Hinweise, dass auch frühere Unfälle in das Muster passen. Zur gleichen Zeit nimmt ein Unbekannter durch verschlüsselte Botschaften Kontakt zu Jeffreys Schwester und Mutter auf ...

Bewertung:

Thrillerspezialist John Katzenbach inszeniert in diesem Roman ein Katz-und-Maus-Spiel der besonderen Art, das allen Freunden von Werken über Serienkiller willkommen sein dürfte.

Spannung und Dramatik

Es ist nicht der erste Mord, zu dem Professor Clayton hinzugerufen wird, aber bei Weitem der pikanteste, denn im Territorium des geplanten neuen Bundesstaates sind Gewaltverbrechen dank einer orwellschen Überwachungstechnik schier ausgestorben. Der Killer, der in solch einem Gebiet ein junges Mädchen ermorden kann, muss demnach äußerst intelligent und gewieft sein und stellt für Jeffrey Clayton eine besondere Herausforderung dar. Lange Zeit bleibt für Jeffrey und seine Familie wie auch für Ermittler und nicht zuletzt den Leser unklar, ob wirklich Jeffreys Vater für die Morde verantwortlich ist, wie viele tote junge Mädchen und Frauen auf sein Konto gehen und wie sich womöglich weitere Morde rechtzeitig verhindern lassen. Susan und ihre Mutter müssen bestürzt feststellen, dass der Unbekannte, der die rätselhaften Botschaften an Susan schickt, sich sogar Zutritt zu ihrem Haus verschaffen kann. Der Mörder ist wie ein Phantom, das sich unsichtbar auf dem überwachten Terrain bewegt und immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Es bedeutet eine mühselige und langwierige Arbeit herauszufinden, was Clayton senior in den letzten 25 Jahren getrieben hat und ob er wirklich gestorben ist.

Bis zum Schluss muss man um die drei Hauptprotagonisten bangen, denn sowohl Jeffrey als auch seine Schwester Susan und seine Mutter Diane schweben fast beständig in tödlicher Gefahr. Fraglich ist auch für lange Zeit die Bedeutung von Agent Martin, zu dem Jeffrey stets eine gewisse Distanz bewahrt, und auch seiner Schwester rät, ihm nicht vollständig zu vertrauen. Nach dem großen Finale gibt es im Epilog noch einmal eine kleine Wende, die unter Umständen sogar Raum für eine Fortsetzung lässt, zumindest aber einen letzten Hauch wirkungsvolles Unwohlsein beim Leser hinterlässt.

Interessant ist auch der subtile Science-Fiction-Hintergrund. Die Handlung spielt etwa um 2030, die allgegenwärtige Gewalt liegt wie ein Schatten über dem Land, und der utopische Neu-Staat "New Washington" spaltet die Meinungen. Auf der einen Seite garantiert er scheinbar ein harmonisches Leben, auf der anderen Seite führen seine Bewohner ein gläsernes Leben und opfern einen Großteil ihrer Privatsphäre für die gelobte Sicherheit. Um die Morde zu vertuschen, sind die Politiker und Beamten der Staatssicherheit zu fast jedem Mittel bereit. Der Schein muss aufrechterhalten werden, koste es, was es wolle, auch wenn dies bedeutet, eine Mordserie zu verleugnen und an Eingeweihte Schweigegelder zu bezahlen ...

Interessante Charaktere

Der Roman verbindet seinen Thriller-Charakter mit Elementen eines Familiendramas. Ausgerechnet der Verdacht auf Clayton sr. als Serienmörder sorgt dafür, dass sich die drei verbliebenen Familienmitglieder wieder näherkommen. Während Susan in Florida die krebskranke Mutter versorgt, lebt Jeffrey im weit entfernten Massachusetts und hat keine rechte Vorstellung davon, wie schlecht es um Diane mittlerweile wirklich steht. Diane wiederum ist eine angesichts ihrer aussichtslosen Lage sehr tapfere Frau, die um nichts in der Welt zulassen will, dass sie stirbt, bevor nicht endgültig geklärt ist, ob ihr Exmann für diese Morde verantwortlich ist.

Zudem werden den beiden Kindern endlich einige Fragen zu ihrem Vater beantwortet, denn seit Diane vor 25 Jahren ihren Mann verließt, wurde vermieden, ihn überhaupt wieder zu erwähnen. Vor allem für Jeffrey ist die Suche nach dem Mörder und seinem Vater auch eine Reise zu sich selbst. Er will kein Instrument, kein Lockvogel der Special Agents sein, sondern in erster Linie seinem Vater persönlich gegenüberstehen und aus dessen eigenem Mund erfahren, ob er wirklich der berüchtigte Mörder ist. Er traut Agent Martin, der ihn auf Schritt und Tritt überwachen soll, nicht gänzlich über den Weg und findet immer wieder Möglichkeiten, um gegen den Willen der State Security zu agieren und seinen eigenen Kopf durchzusetzen. Vatersuche, Vergangenheitsbewältigung und langsamer Abschied von der krebskranken Mutter sind zwar nicht die Hauptkomponenten des Romans, spielen aber deutlich in die Thrillerebene mit hinein.

Kleine Schwächen

Wie üblich bei John Katzenbach, ist der Roman an vielen Stellen zu ausführlich geraten. Gespräche und Beschreibungen verlieren sich oft in Details, die nichts Wesentliches zum Fortschreiten der Handlung beitragen, und ein paar Kürzungen hätte das Werk durchaus vertragen. Außerdem gibt es ein paar Stellen, bei denen Jeffrey der Zufall stark zu Hilfe kommt. Auf der Suche nach Hinweisen gerät er an einen ehemaligen Professoren-Kollegen seines Vaters, der, obwohl er Clayton sr. nur flüchtig kannte, mit einer Reihe pikanter Auskünfte dienen kann, die Jeffrey eine Menge Arbeit ersparen.

Bei der guten Grundidee des orwellschen Überwachungsstaates und der alltäglichen Gewalt, der man nicht Herr wird, stört, dass die Handlung wohl gerade mal zwanzig Jahre in der Zukunft spielt und es schwer vorstellbar ist, dass sich innerhalb dieser Zeit die Zustände so verschlimmert haben. Hier bleibt der Autor zu schwammig und gibt zu wenig preis über die Entstehung und Entwicklung dieser futuristischen Gegenwart.

Fazit:

Ein über weite Strecken spannender Thriller über einen perfiden Serienmörder in einem futuristischen Überwachungsstaat. Trotz Schwächen, die etwa in den teilweise langatmigen Details liegen, ist der Roman unterhaltsam zu lesen, vor allem dank der interessanten Grundidee und der psychologischen Elemente des brisanten Vater-Sohn-Verhältnisses.

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