4. Juni 2012

Petah Eulengesicht - Sigrid Heuck

Produktinfos:
Ausgabe: 1985
Seiten: 109
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Die Autorin:

Sigrid Heuck wurde 1932 in Köln geboren. Sie ist nicht nur Verfasserin von Kinder- und Jungendbüchern, sondern ist auch als Graphikerin und Pferdezüchterin aktiv. Viele ihrer Werke wurden mit Preisen ausgezeichnet, z. B. mit dem Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar und dem Österreichischen Jugendbuchpreis. Weitere Werke von ihr sind u. a.: "Long John Tabakstinker", "Die verzauberte Insel", "Jim im Wilden Westen", "Western-Lizzy" und "Geschichten aus Noahs Bordbuch".

Inhalt:

Petah ist ein zehnjähriger Indianer aus dem Stamm der Elchflussindianer. Sein Vater Talcoom ist der beste Bogenschütze des Stammes. Petah ist sehr stolz auf ihn und will eines Tages so gut schießen können wie er. Leider ist Petah ein sehr schlechter Schütze, schlechter als alle anderen Kinder des Stammes. Weil er so oft danebenschießt, wird er von den anderen ausgelacht. Eines Tages glaubt Petah ein Ungeheuer im Wald entdeckt zu haben. Die Männer machen sich sofort auf die Jagd - doch das Ungeheuer entpuppt sich schließlich als harmloses Pony. Jetzt steht endlich fest: Petah hat schlechte Augen. Deshalb trifft er beim Bogenschießen so schlecht, und deshalb kann er Tiere oft nicht erkennen. Petahs Eltern fragen den Medizinmann um Rat. Der Medizinmann führt einen nächtlichen Krötenzauber mit Petah durch. Doch auch der Zauber hilft nichts, Petahs Augen bleiben schwach.

Während im Herbst die anderen Jungen für das große Wettschießen üben, läuft Petah allein am Fluss entlang. Dabei trifft er auf den Cowboy Long John Tabakstinker. Long John Tabakstinker heißt eigentlich John Miller, doch weil er so groß ist und immer Tabak kaut, nennt ihn jeder bei seinem Spitznamen, Long John hat ein Problem mit seinem Maultier, bei dem Petah ihm zur Hilfe kommt. Aus Dank hört er sich Petahs Sorgen wegen seiner Augen an. Und da kommt ihm auch sogleich ein Gedanke, wie er Petah helfen kann. Wenige Tage später kommt Long John mit einem Freund ins Indianerdorf. Long Johns Freund testet Petahs Sehstärke und gibt ihm eine Brille. Mit ihrer Hilfe kann Petah auf einmal fast so gut sehen wie ein Adler. Von nun an übt er Bogenschießen wie die anderen Kindern und wird von Tag zu Tag besser.

Doch auch mit seinen Zaubergläsern gibt es Probleme: Früher wurde Petah wegen seiner Sehschwäche ausgelacht, jetzt wegen seines eulenhaften Aussehens. Nicht jeder seiner Freunde gönnt ihm, dass er plötzlich so gut schießen kann, und eines Tages sind seine Gläser verschwunden. Und schließlich droht Petah überheblich zu werden, weil er sich plötzlich so klug wie eine Eule fühlt ...

Bewertung:

Bücher und Filme über Indianer gibt es viele. Fast immer sind die Indianer dort die Helden, mutige Stämme mit verwegenen Kriegern, die es mit jedem weißen Mann aufnehmen. "Ein Indianer kennt keinen Schmerz", lautet das bekannte Sprichwort, und wohl jeder kleine Junge hat mal den großen Apachenhäuptling Winnetou für seine Stärke bewundert.

Indianerjunge als Identifikationsfigur

Umso erfrischender ist es, dass wir es hier mit einem ganz und gar untypischen Indianerjungen zu tun bekommen. Petah ist zwar nicht unbedingt ein ängstlicher Charakter, aber aufgrund seiner schwachen Augen sehr verschüchtert. Kein Wunder, denn er kann weder Fährten lesen noch mit Pfeil und Bogen schießen. Und das ausgerechnet, wo sein Vater Talcoom doch der beste Bogenschütze des ganzen Stammes ist. Petah kann vor Glück sagen, dass sein Freund Long John Tabakstinker einen Rat weiß und ihm die Brille beschafft.

So sehr Kinder auch die starken und mutigen Helden in Bücher verehren, so wichtig ist es auch, dass sie mit Figuren konfrontiert werden, die nicht dem Ideal entsprechen und ihr Leben trotzdem meistern. Petah ist so eine typische Gestalt. Für einen Indianer sind gute Augen noch viel wichtiger als für andere Menschen, weil eine Menge in ihrem Leben davon abhängt, dass sie gut sehen und somit auch gut schießen können.

Aber auch mit seinen Zaubergläsern verläuft Petahs Leben noch längst nicht ohne Probleme. Im Gegenteil, denn nun gibt es Neider, die ihm sein neues Können nicht gönnen. Andere Kinder lachen ihn aus, weil ein Indianer mit Brille ein ungewohnter Anblick für sie ist. Petah ist nach wie vor anders als die anderen Kinder und muss lernen, mit den Hänseleien umzugehen. Long John Tabakstinker hilft ihm, indem er ihm verrät, dass viele gelehrte weiße Männer eine Brille tragen und dadurch als besonders weise gelten.

Petah ist aber auch kein Charakter ohne Ecken und Kanten. Und so verkehrt sich Long Johns Rat, Petah solle stolz auf seine Zaubergläser sein, leider ins Gegenteil. Petah wird eingebildet, weil er sich mit einem Mal so klug wie eine Eule hält. Es dauert noch eine ganze Weile, bis er begreift, dass weder Klugheit noch Torheit von seinen Augengläsern abhängen, sondern dass er selbst es ist, der seinen Charakter zu dem macht, der er ist.

Lehrreich für Kinder

Am Ende enthält das Buch noch eine weitere kleine Lehre, als die Indianer sich auf Petahs Geheiß ihre Tipis abbrechen und weiterziehen, anstatt sich auf einen Kampf mit den weißen Männern einzulassen. Spätestens hier zeigt sich, dass aus Petah ein vernünftiger Junge geworden ist, der sich jetzt wirklich und mit Stolz "Petah Eulengesicht" nennen darf.

Der Stil ist einfach gehalten, sodass sich das Buch in erster Linie an Grundschulkinder wendet. Sie erfahren ein paar zentrale Dinge zum Leben der Indianer, ohne dabei überfordert zu werden. Sicher wird dabei beim einen oder anderen Leser auch das Interesse geweckt, sich näher mit der Zeit der Indianer zu befassen.

Humorvoll geschrieben

Darüber hinaus ist das Buch in einem humorvollen, augenzwinkernden Tonfall geschrieben. Das zeigt sich besonders an der Figur des Long John Tabakstinker (der die Hauptrolle in einem weiteren Werk der Autorin spielt). Long John ist ein echtes Original. Penetrant nach Tabak stinkend verteilt er in Honig getauchte Lederstückchen an die Indianerkinder und ist so der eigentliche Erfinder des Kaugummis - ohne es selbst zu ahnen. Die Indianer schätzen den hemdsärmeligen Trapper wegen seiner Umgänglichkeit und sprechen seinen Namen "Der-immer-so-nach-Tabak-stinkt" beinah mit Ehrfurcht aus.

Fazit:

Ein lehrreiches und humorvolles Buch, das Kindern zeigt, wie man mit Andersartigkeit umgehen sollte. Der Held des Buches ist nicht perfekt, sondern widerspricht dem Idealbild eines Indianers und wird gerade dadurch zur Identifikationsfigur. Dank der leicht gehaltenen Sprache und den kurzen Sätzen eignet sich das Buch hervorragend für Leseanfänger im Grundschulalter.

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