14. Juni 2012

Vom anderen Ende der Welt - Liv Winterberg

Produktdetails:

Ausgabe: 2011
Seiten: 448
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Die Autorin:

Liv Winterberg wurde 1971 in Berlin geboren und studierte zunächst Germanistik und Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft. Vor ihrer Tätigkeit als Romanautorin schrieb sie Drehbücher und recherchierte für Film und Fernsehen. "Vom anderen Ende der Welt" ist ihr Debütroman.

Inhalt:

England, Ende des 18. Jahrhunderts: Mary Linley wird von ihrem Vater, einem Botaniker, in den wissenschaftlichen Lehren ausgebildet. Sie träumt davon, eines Tages die Welt zu umsegeln und als Forscherin neue Entdeckungen zu machen, doch Frauen sind diese Berufe verschlossen.

Eines Tages kehrt ihr Vater nach einer Fahrt zum Kap Hoorn nicht mehr zurück. Die nun verwaiste Mary kommt unter die Obhut ihrer Tante, die sie möglichst schnell verheiraten will. Mary aber will sich nicht in ihr Schicksal fügen. Nachdem sie als Frau keine Chance hat, verkleidet sie sich als junger Mann, präsentiert ihre Arbeiten zur Botanik und heuert auf der "Sailing Queen" als Zeichner an. Unter der Leitung des Botanikers Carl Belham startet eine Expedition nach Madeira, Feuerland und Tahiti.

Mary alias Marc Middleton hat alle Mühe, ihre wahre Identität zu verbergen. Auf der Reise um die halbe Welt erlebt sie Unwetter, Krankheit und Tod, kann aber auch endlich ihr Können unter Beweis stellen. Erschwerend kommt mit der Zeit hinzu, dass sie sich zu Carl Belham immer mehr hingezogen fühlt ...

Bewertung:

Liv Winterbergs Debütroman nimmt sich ein im historischen Genre beliebtes Thema vor - eine Frau verkleidet sich als Mann, um ihrer heimlichen Berufung nachzugehen, und dabei funkt ihr irgendwann die Liebe dazwischen. Dabei orientiert sich die Autorin allerdings an einer tatsächlichen Persönlichkeit, nämlich an der Botanikerin Jeanne Baré. Baré gelangte 1768 als Jean Baré an Bord eines Schiffes, das den Südpazifik erkundete, und leistete mit ihren Arbeiten einen der bedeutsamen Beiträge zur Botanik im 18. Jahrhundert. Sehr viel ist über Barés Leben nicht bekannt, sodass sie nur zur Inspiration für die Figur Mary Linley diente, das Buch will keinesfalls eine Biografie darstellen.

Mit Mary Linley ist eine reizvolle Protagonistin geschaffen worden, die dem Leser schnell sympathisch ist. Sie ist ihrer Zeit natürlich ungewöhnlich weit voraus, aber angenehmerweise ist sie längst nicht immer souverän. Ihre Unsicherheiten und ihre Probleme mit den für sie völlig neuen Gepflogenheiten an Bord werden anschaulich und überzeugend geschildert. Weitere wichtige Figuren, die der Leser im Laufe der Handlung ins Herz schließt, sind vor allem Franklin, Carl Belhams Assistent, mit dem sich Mary eine Kabine teilen muss, der unerschütterliche Belham selbst, William Middleton, der Bedienstete von Marys Vater, der sie seit der Kindheit kennt und der vergeblich versucht, sie aufzuhalten, und der zehnjährige Schiffsjunge Seth, der Sohn des Bootsmanns, der unter seinem strengen Vater leidet und sich an seinen älteren Bruder Nat klammert und in "Marc" einen guten Freund findet. Liv Winterberg verzichtet auf eine geschönte Darstellung des Alltags auf einem Expeditionsschiff. Vielmehr gibt es einige dramatische und traurige Szenen, in denen liebgewonnene Charaktere ihr Leben lassen müssen, was im ersten Moment schmerzt, letztlich aber eine gute Konsequenz darstellt. Die Handlung birgt aber auch einige heitere Momente, vor allem, was das derbe Verhalten der Mannschaft angeht und ein ums andere Mal, wenn Mary mehr von den Männer sieht, als ihr lieb ist.

Zu bemängeln gibt es wirklich nicht viel an diesem Roman. Das Ende ist ein bisschen knapp bemessen, man darf nicht erwarten, dass man erfährt, wie Marys Leben in den weiteren Jahrzehnten aussehen wird - das ist der Tatsache geschuldet, dass eben auch von ihrem Vorbild Jean Baré nicht überliefert ist, wie ihr Leben weiter verlief, und die Autorin orientierte sich daran. Allerdings gibt es zumindest Andeutungen, die den Leser durchaus zufriedenstellen. Schade ist, dass die Handlung nach dem einseitigen Prolog aus Marys Kindheit sofort zehn Jahre überspringt. Der Leser lernt Marys Vater also leider nur in ihren Erinnerungen kennen.

Fazit:


Ein durchweg unterhaltsamer Historienroman, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Die Handlung ist kurzweilig, gut recherchiert, leicht zu lesen, und die Figuren überzeugen. Es gibt nur kleine Schwächen, die insgesamt kaum ins Gewicht fallen.

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