5. Juni 2012

Unheimliche Nähe - Patricia Schröder

Produktinfos:

Ausgabe: 2008
Seiten: 237
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Die Autorin:

Patricia Schröder, Jahrgang 1960, stammt aus Düsseldorf, machte eine Schneiderlehre und studierte später Textildesign. Nach der Geburt ihrer Kinder widmete sie sich hauptberuflich dem Schreiben und veröffentlichte 1998 ihren ersten Roman "Bis über beide Ohren". Ihre Werke richten sich hauptsächlich an Mädchen im Kinder- und Jugendalter. Weitere Bücher von ihr sind u. a. "Beste Freundin, blöde Kuh", "Kuckuckskind", "Vollmondkuss" und "Hexerei und Liebeskummer".

Inhalt:

Die siebzehnjährige Marla zieht mit ihrer Freundin Rike in eine WG. Die beiden Mädchen sind grundverschieden - Rike wild, auffällig gestylt und gern im Mittelpunkt, Marla dagegen ruhig und schüchtern. Zur Feier des Einzugs geben sie eine Party, zu der die spontane Rike nicht nur gute Freunde, sondern auch einfach ein paar Passanten von der Straße einlädt.

Einer der fremden Gäste ist der gut aussehende und charmante Elias, den Rike am liebsten direkt verführen würde. Elias aber interessiert sich viel mehr für Marla, die von der ungewohnten Aufmerksamkeit verwirrt ist. Einerseits gefällt ihr Elias auch sehr gut, andererseits fühlt sie sich auch etwas unter Druck gesetzt.

Nach der Party erhält Marla anonyme Anrufe und einen Brief mit Ort und Zeitpunkt für ein Blind Date. Sie vermutet Elias hinter der Aktion und ist wütend auf ihn, als niemand erscheint. Elias beteuert aber kurz darauf seine Unschuld. Während Marla noch misstrauisch ist, häufen sich die Anrufe, bei denen der Anrufer stumm bleibt. Auch weitere Briefe trudeln ein - und schließlich findet sie Spuren eines Eindringlings in ihrer Wohnung ...

Bewertung:

Stalking ist ein beliebtes Thema im Thrillermetier und gerade für Jugendbücher ein geeignetes Sujet - die Umsetzung lässt in diesem Fall allerdings zu wünschen übrig.

Sympathische Hauptfigur

Recht gelungen ist die Protagonistin Marla, ein zurückhaltendes Mädchen, dessen Probleme wahrscheinlich viele Teenager gut nachvollziehen können. Marla erlebt gerade die Scheidung ihrer Eltern, die die beide gern bei sich aufnehmen würden. Um dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, zieht Marla lieber in eine eigene Wohnung, auch wenn sie sich für diese ungewohnte Selbstständigkeit noch etwas zu jung fühlt, trotz dass sie bereits in einer Ausbildung im Reisebüro steckt.

In Rike hat sie eine gute Freundin gefunden, aber die Gegensätzlichkeit ist nicht immer einfach. Rike ist ein Magnet, der auf der Straße alle Blicke auf sich zieht. Sie liebt es, Männer zu bezirzen, zeigt sich gern in extravaganten Kleidern und neigt zur Dominanz. Auch den Einzug gestaltet sie eher chaotisch, was gar nicht Marlas vernünftiger Art entspricht. Zum ersten Mal geschieht es außerdem, dass beide für den gleichen Mann schwärmen, den charmanten, selbstbewussten Elias. Er scheint sich zwar eher für Marla zu interessieren, sehr zu ihrer eigenen Verwunderung, aber sie ist nicht sicher, ob er nicht auf Dauer doch Rikes direkter Art erliegen wird, wenn diese es darauf anlegt. Die typischen Jugendprobleme wie Scheidung der Eltern, erste Selbstständigkeit, Spannungen in Freundschaften und erste Liebe werden zwar nicht sehr tiefgründig, aber anschaulich angesprochen, und die stille Marla ist ein recht sympathischer Charakter.

Phasenweise Spannung

Anfangs sieht alles noch harmlos aus. Marla erhält nach der Einweihungsparty einen anonymen Brief, in dem ein unbekannter Verehrer sie zum Essen in ein spanisches Lokal bestellt. Dort ist tatsächlich ein Tisch reserviert, und Marla wartet gespannt, ob wirklich wie erhofft Elias erscheint, aber auch nach einer halben Stunde ist niemand aufgetaucht. Von nun an heißt es munter Rätsel raten, wer der seltsame Verehrer ist, der sich immer wieder per Brief oder Handy meldet, aber immer die Stimme verstellt. Neben Elias kommt auch Gereon in Betracht, Marlas bester Freund, in den sie als Zwölfjährige verliebt war. Zwischenzeitlich erwiderte Gereon die Gefühle, doch zu einer Beziehung kam es nie. Auf der Party aber deutet Gereon an, dass er zu mehr bereit wäre, und reagiert eifersüchtig auf Elias - Grund genug, um anzunehmen, dass er Mr. Anonym sein könnte.

Dann ist da noch der stille, unauffällige Stefan, mit dem sich Marla auf der Party gut unterhält, der aber bereits vergeben zu sein scheint. Sogar auf den Gedanken, dass Rike hinter den Aktionen stecken könnte, kommt Marla, denn wie es scheint, hat die Freundin etwas zu verbergen, zumal sie sie einmal zufällig in der Stadt mit Elias sieht. Die Aktionen steigern sich, von Liebesschwüren über Telefonterror mit bedrohliche Bemerkungen wie "Du gehörst für immer mir" bis hin zu Rosenblättern, die auf Marlas Bett verteilt wurden. Die Polizei wird eingeschaltet, kann aber nicht viel unternehmen, da die Handynummer zu einem gestohlenen Gerät gehört, das seit Monaten verschollen ist. Zudem gab es auf der Party genug Gelegenheiten, um sich Marlas Handy- und Festnetznummer von der Pinnwand zu notieren, sodass der Täter nicht im engsten Umfeld zu finden sein muss. Der Übergang von harmlosen Anrufen zum Stalking ist recht gut dargestellt. Marla ist anfangs geschmeichelt, dann verärgert und schließlich panisch. Auch dass Rike ihre Reaktionen zunächst für übertrieben hält, ist ganz gut in Szene gesetzt, und der Leser darf sich fragen, was der Stalker genau bezweckt und wie die Geschichte enden wird.

Viele Schwächen

Leider überwiegen aber eindeutig die Schwächen in der Handlung. Zum einen wird dem Leser viel zu schnell klar, wer hinter dem Stalking steckt. Mag die Ausgangslage noch ungewiss sein - schon sehr bald deuten alle Hinweise in eine Richtung, und diese wird dann letztlich auch bestätigt. Zum anderen sind manche Szenen ungeschickt und zu auffällig gestaltet. Dazu gehört etwa der Moment am Ende eines Kapitels, als Rike und Marla feststellen, dass nach der Party der Zweitschlüssel verschwunden ist. Anstatt es nur dezent zu erwähnen, wird darüber so auffällig gesprochen, zumal an einer typischen Cliffhanger-Stelle, dass dem Leser sofort klar ist, dass der verlorene Schlüssel bald noch eine wichtige Rolle spielt. Als dann das Stalking beginnt, ist für Marla der Schlüssel aber vergessen, und sie kommt erst viel zu spät auf den Gedanken, dass der "Verlust" mit dem Täter zusammenhängen könnte.

Zwischendurch werden immer mal wieder auf ein bis zwei Seiten die Gedanken des Stalkers eingeflochten, ohne seine Identität zu verraten. Diese inneren Monologe sind allerdings sehr klischeehaft. Der Täter spricht immer wieder nur davon, dass er und Marla füreinander bestimmt seien, dass sie für immer ihm gehören soll, dass er von Anfang an wusste, dass sie zusammengehören, und dass auch auf der Party ihr niemand anderes so nahgekommen sei wie er. Weder aus diesen Plattitüden noch bei der Auflösung erfährt man etwas über die Hintergründe - warum diese Person zu einem solchen Psychopathen geworden ist, was alles in seiner Vergangenheit vorgefallen ist. Er bleibt eine bloße Hülle ohne jegliche individuelle Züge, und das ist auch für einen Jugendroman einfach zu wenig. Am Ende erwartet den Leser ein dramatisches Finale, das aber sehr dadurch getrübt wird, dass Marla sich vollkommen unrealistisch verhält und sich ganz bereitwillig von dem Unbekannten nach Amsterdam lotsen lässt. Nicht nur, dass man sich über ihr naives Verhalten ärgert, der Schluss ist zudem viel zu konstruiert und lebt von Zufällen, die alle zusammentreffen. Seltsam ist darüber hinaus die Reaktion einer Freundin, der Marla aufträgt, die Polizei zu informieren, falls sie sich bis zu einer bestimmten Uhrzeit nicht gemeldet hat - und die nicht einmal nachfragt, um was es überhaupt geht.

Fazit:

Der Roman bietet zwar ein reizvolles Thema und eine recht sympathische Hauptfigur, besitzt aber zu viele Schwächen, um auch nur annähernd überzeugen zu können. Der psychopathische Stalker ist nur klischeehaft, die Charaktere handeln teilweise unrealistisch, der Täter ist viel zu leicht zu erraten, und zu viele Zufälle hinterlassen einen letztlich schwachen Eindruck.

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