5. Juni 2012

Tief im Wald und unter der Erde - Andreas Winkelmann

Produktinfos:

Ausgabe: 2009
Seiten: 409
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Der Autor:

Andreas Winkelmann, Jahrgang 1968, arbeitete unter anderem als Sportlehrer, Ausbilder bei der Armee und Taxifahrer, interessierte sich aber bereits als Jugendlicher fürs Schreiben und besonders für unheimliche Literatur. 2007 erschien sein Thriller "Der Gesang des Scherenschleifers", 2010 "Hänschen klein".

Inhalt:

Vor einem Jahr starben vier Freunde der neunzehnjährigen Melanie an einem Bahnübergang, als ihr Auto mit einem Zug zusammenprallte. Bis heute kann Melanie nicht glauben, dass der zuverlässige Arno betrunken gefahren ist oder bewusst das Risiko einging, die Halbschranke zu umfahren. Als Melanie eines Abends mit dem Auto vor der Schranke steht, taucht eine dunkle Gestalt aus dem Wald auf und schlägt an die Scheibe. Ihre Eltern sind aber unsicher, ob es sich doch eher Einbildung war. Melanie dagegen ist überzeugt, dass auch ihre Freunde vor diesem unheimlichen Angreifer flüchten wollten.

Kurz darauf verschwindet die siebzehnjährige Jasmin auf dem abendlichen Nachhauseweg. Die Polizei findet wenig später ihr Fahrrad am Waldrand, nah beim Bahnübergang. Als Hauptkommissarin Nele Karminter von Melanies Erlebnis erfährt, ahnt sie einen Zusammenhang, offiziell aber wird noch nicht von einem Serientäter gesprochen. In den nächsten Tagen verschwinden zwei weitere Frauen spurlos an nah gelegenen Bahnübergängen - eine Prostituierte, deren Kollegin und Zuhälter ermordet aufgefunden werden, und eine Taxifahrerin.

Nele Karminter und ihre Abteilung ermitteln fieberhaft, denn der Täter scheint nicht nur wahllos zuzuschlagen, sondern auch noch in einem beängstigendem Tempo. Sie vermuten, dass er irgendwo auf dem Waldgelände ein Versteck besitzt. Doch das Gebiet ist riesig und unüberschaubar, und keiner weiß, wann er als Nächstes zuschlägt ...

Bewertung:

Verschwundene Frauen, ein Serienmörder und düstere Geheimnisse in einer undurchdringlichen Waldlandschaft bilden die Kernpunkte dieses Thrillers, der Freunden des Genres Licht und Schatten bietet.

Spannende Handlung

Der rätselhafte Täter ist für die Polizei lange Zeit ein Phantom - es gibt keine Zusammenhänge zwischen den vermissten Frauen, keine Spur ob sie ermordet oder nur gefangen gehalten wurden und keinen Hinweis, wohin sie verschleppt wurden. Der Leser dagegen erfährt etwas mehr über den unheimlichen Mann, der sich in einem ehemaligen Bunker ein zweites Zuhause eingerichtet hat, dessen verschlungene Pfade nur er kennt und das in einem schwer zugänglichen Waldgebiet liegt. In kleinen Rückblicken enthüllt sich seine Vergangenheit, ohne zu früh den genauen Grund für seine Andersartigkeit zu verraten.

Dass er seine Opfer nicht direkt tötet, sondern es Hoffnung für ihr Überleben gibt, falls sie sich richtig verhalten, erhöht die Spannung. Automatisch leidet der Leser mit den entführten Frauen und wünscht sich, dass es ihnen gelingt, den Psychopathen zu besänftigen und zu erahnen, was er von ihren hören möchte, auch wenn die Chancen dafür nicht gut stehen. Die Gewaltszenen sind nicht zu ausführlich, oft sind es nur Andeutungen, die Wirkung erzielen, ohne in unappetitlichen Details zu schwelgen. Der flüssige, wenngleich nicht sonderlich anspruchsvolle Stil sorgt dafür, dass sich das Buch unter Umständen sogar in einem Rutsch durchlesen lässt.

Gelungene Ermittlerfigur

Eine angenehme, sympathische Figur ist Hauptkommissarin Nele Karminter, deren Privatleben schön unaufdringlich mit dem Fall verwoben wird. Nele ist eine junge Kommissarin, die immer wieder Zweifel und Unsicherheiten verspürt und die fürchtet, dass sie die falschen Entscheidungen treffen könnte. Dazu kommt ihr lesbisches Verhältnis mit ihrer Kollegin Anouschka Rossberg, das Nele sich nicht traut, öffentlich zu machen - zwar stört es sie, dass die schöne schwarze Anou von den männlichen Kollegen offensichtlich sehr begehrt wird, aber sie hat auch Angst davor, in der Männerdomäne ihre Homosexualität offenzulegen und sich dadurch angreifbar zu machen. Die aufkeimende Beziehung der beiden wird nicht zu stark thematisiert, sexuelle Szenen angenehm dezent gehalten, und dem Leser begegnet ein sympathisches Paar, das man gern noch in weiteren Bänden erleben möchte.

Ein interessanter Gegenpart zu Nele ist Kriminalrat Dag Henrik, stellvertretender Polizeichef, der sich berechtigt Hoffnungen macht, den Posten demnächst zu übernehmen. Seine Mitarbeit an dem Fall verunsichert Nele zusätzlich, da sie ihn nicht recht einzuschätzen weiß und sich unter seiner Beobachtung zusätzlich verunsichert fühlt. Trotzdem bilden der erfahrene, ruhige, undurchschaubare Henrik und die junge Nele Karminter ein gutes Team, das sich mit der Zeit auch privat immer mehr zu schätzen weiß.

Ein paar Schwächen

Bei aller Spannung gibt es auch ein paar Minuspunkte im Buch. Zum einen besitzt der Killer eine etwas zu klischeehafte Vergangenheit. Die Rückblicke, in denen er von seinem Vater gedemütigt wird und ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Mutter entwickelt, erinnern an viele andere Bücher dieser Art und wirken recht beliebig. Der Grund für die Hänseleien und die bizarre Gestörtheit des Täters mag außergewöhnlich sein, es ist allerdings fraglich, ob in der heutigen Zeit eine solche Entwicklung medizinisch tatsächlich denkbar ist, was die Glaubwürdigkeit etwas in Frage stellt.

Gegen Ende des Romans unterlaufen der Polizei zwei dicke Schnitzer - einmal übersieht Nele einen wichtigen Punkt, einmal verhält sich ihr Stellvertreter Tim Siebert äußerst unbedacht. Zu sehr wirken diese Verhaltensweisen konstruiert, um eine dramatische Wendung in der Handlung herbeizuführen. Zudem gibt es einen unnötigen Zufall, der den Ermittlern am Ende deutlich dabei hilft, hinter die Identität des Mörders zu kommen, was einen faden Beigeschmack hinterlässt.

Fazit:

"Tief im Wald und unter der Erde" ist ein insgesamt durchaus lesenswerter Thriller mit einer sympathischen Ermittlerin und viel Spannung, der sich leicht lesen lässt. Ein paar Schwächen wie konstruierte Zufälle bei den Ermittlungen und Klischees im Leben des Psychopathen sorgen für leichte Abzüge. Kein Highlight, aber unterhaltsam für zwischendurch.

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