5. Juni 2012

Stirb schön - Peter James

Produktinfos:

Ausgabe: 2006
Seiten: 380
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Der Autor:

Der Brite Peter James, Jahrgang 1948, liebt Autos, Sport und alles Paranormale. Er lebte jahrelang in den USA als Drehbuchautor und Filmproduzent, ehe er wieder nach England zurückkehrte. Zu seinen Werken zählen unter anderem "Ein guter Sohn", "Die Prophezeiung" und "Wie ein Hauch von Eis".

Inhalt:

Tom Bryce, Inhaber einer Marketingfirma, die gerade in finanziellen Schwierigkeiten steckt, nimmt im Zug eine CD-Rom mit, die ein Fahrgast vergessen hat. Als er zuhause aus Neugierde den Inhalt ansieht, stockt ihm der Atem: In einem kurzen Video wird gezeigt, wie eine junge blonde Frau grausam erstochen wird. Zunächst hält er den Film für einen perversen Erotikstreifen. Doch am nächsten Tag ist seine Festplatte gelöscht. Sein Kollege vermutet einen Virus auf der mysteriösen CD-ROM und will sie untersuchen. Kurz darauf wird in dessen Haus eingebrochen und die CD-ROM gestohlen. Tom erhält erhält eine E-Mail, in der er davor gewarnt wird, die Polizei aufzusuchen, anderenfalls wird seine Familie ermordet werden.

Wenig später taucht die kopflose Frauenleiche des Opfers auf. Durch DNA-Tests wird sie als Janie Stretton identifiziert, eine junge Jura-Studentin aus reichem Haus, die ein heimliches Doppelleben als Prostituierte für einen Begleitservice führte. Detective Superintendent Roy Grace führt die Ermittlungen. Sein Ruf hat in der letzten Zeit gelitten, sein Privatleben ist seit dem spurlosen Verschwinden seiner Ehefrau Sandy vor acht Jahren nicht mehr stabil. Grace braucht dringend einen Erfolg, doch die Ermittlungen laufen schleppend.

Tom Bryce entscheiden sich nach Rücksprache mit seiner Frau, die Polizei einzuschalten. Doch trotz aller Diskretion sickert diese Information zu den Tätern durch, und Tom und seine Familie schweben in höchster Gefahr. Für Roy Grace und sein Team beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, um die Mörder hinter dem grauenvollen Video zu finden ...

Bewertung:

Nach "Stirb ewig" darf sich der Ermittler Roy Grace nun ein zweites Mal einem Leserpublikum stellen und einen kaum weniger spektakulären Fall klären. Drehte es sich im Vorgänger um einen lebend Begrabenen, steht hier ein Snuff-Film im Mittelpunkt. Erfreulicherweise steht steht dieser Thriller "Stirb ewig" nicht nur in nichts nach, sondern setzt für Neueinsteiger auch keine Kenntnis voraus.

Spannung auf zwei Ebenen

Sowohl Tom Bryce als auch Roy Grace sind Hauptfiguren. Tom gerät zufällig an die brisante CD-ROM, die ihn zum unfreiwilligen Zeugen eines Mordes macht und der von nun an rund um die Uhr überwacht und schließlich gejagt wird. Sein Zwiespalt ist für den Leser gut nachvollziehbar: Einerseits drängt ihn sein Gerechtigkeitssinn dazu, der Polizei bei den Ermittlungen zu helfen. Als Vater zweier Kinder ahnt er, wie sehr der Vater des ermordeten Mädchens darauf hofft, dass die Mörder gefasst werden. Auf der anderen Seite will er um nichts in der Welt riskieren, dass seine eigene Familie in Gefahr gerät. Wie immer er sich entscheidet, die Konsequenzen werden nachhaltig sein, sodass man unweigerlich mit ihm fühlt. Auch davon abgesehen ist Tom auf sympathische Weise ein Durchschnittscharakter. Seine Firma läuft nicht gut, seine Frau Kellie gibt zu viel Geld bei Ebay aus und greift heimlich zum Alkohol.

Ein problematisches Leben führt auch Roy Grace, der auch nach acht Jahren noch nicht mit dem Verschwinden seiner Frau Sandy abgeschlossen hat. Er lässt sich auf eine Verabredung mit der attraktiven Pathologin Cleo ein, die er schon lange bewundert, doch hier läuft nicht alles ohne Hindernisse ab. Trotz allem gibt er sein Bestes, um den Fall um die ermordete Studentin zu klären. Ihn berührt ihr Schicksal, er leidet mit ihrem alten Vater, und gleichzeitig fühlt er sich dabei immer an seine eigene Frau erinnert, von der er nicht weiß, ob sie vielleicht etwas Ähnliches erlebt hat. Roy Grace ist ein sehr menschlicher Ermittler, der Schwächen besitzt, Fehler begeht, sich von seiner Vorgesetzten Ermahnungen einfängt und mehr als einmal an sich zweifelt, weit entfernt von einem perfekten Helden. Besonders liebenswert erscheint er an einer Stelle, an der er die Hündin der Familie Bryce streichelt und sich anschließend ihr gegenüber ebenso verpflichtet fühlt wie ihren Besitzern.

Eine Reihe von Nebenfiguren bevölkert die Handlung, so etwa Tom Ehefrau Kellie, die er für kaufsüchtig hält, die insgeheim aber ein viel größeres Problem hat. Im Umfeld von Roy Grace begegnet man einigen Personen, die schon im Vorgänger "Stirb ewig" auftauchen, etwa der hübschen und schlagfertigen Pathologin Cleo, mit der sich Grace endlich auf ein Rendezvous einlässt, seinem Partner Glenn Branson, einem humorvollen Schwarzen, der bei jeder Gelegenheit Filmzitate einfließen lässt, die junge und ehrgeizige Kollegin Emma-Jane, die sich hier ein zweites Mal beweisen kann. Für Farbe im Team sorgt außerdem Norman Potting, ein Polizist der alten Schule kurz vor der Pensionierung. Seine politisch unkorrekten, oft auch derben Äußerungen sind berüchtigt, und niemand freut sich auf die Zusammenarbeit. Tatsächlich aber erweist sich Potting durchaus als brauchbarer Mitarbeiter.

Sehr dezente Mystery

Eine wichtige Eigenschaft von Roy Grace ist sein Hoffen auf Hellseherei als Unterstützung. Da er auf der Suche nach seiner Frau nach jedem Grashalm greift, konsultiert er auch regelmäßig Wahrsager, die in seiner Stadt auftreten. Über Sandy hat ihm bisher keiner davon etwas sagen können, doch in Ermittlungen konnte er schon Erfolge verzeichnen. Wie in "Stirb ewig" bittet er auch hier um den Rat von Harry Frame, ein Medium, das ihm schon brauchbare Tipps geliefert hat, jedoch auch nicht immer richtig liegt. Autor Peter James kann seiner Vorliebe für Übersinnliches hier adäquat einbringen, denn auch wer selbst diesem Gebiet eher abgeneigt gegenübersteht, wird einsehen, dass es in Grace' Lage passt, sich diesen Dingen zuzuwenden. Roy Grace ist durchaus ein rationaler Mensch, doch er will nichts unversucht lassen, um eine Spur seiner Frau zu finden. In diesem Fall aber kann das Medium Harry Frame, ein emsiger kleiner alter Mann mit Ähnlichkeit mit einem Gartenzwerg, zunächst gar keinen Tipp liefern, und Grace muss ohne seine Hilfe weiter ermitteln. Später kommt eine Eingebung Frames zwar zum Tragen, aber erst nachdem das Finale schon über die Bühne gegangen ist. Damit kommt der übersinnliche Aspekt auch den abgeneigten Lesern entgegen, da nichts davon handlungsentscheidend eingeflochten wird.

Keine großen Schwächen

Da sich die temporeiche Handlung auf nicht unbedingt epischen 380 Seiten drängt, ist es unvermeidlich, dass einige Charaktere und Aspekte etwas oberflächlich behandelt werden. Das Ende verläuft recht hastig, nach dem Actionfinale folgen nur noch knappe Informationen über den weiteren Verlauf. Auch der Vater des Opfers, Mr Stretton, tritt nur einmal in Erscheinung, als ihm die Todesbotschaft überbracht wird, anstatt dass man ihn noch während der Ermittlungen begleitet. Gerade da Janies Mutter bereits verstorben ist und seine Tochter sein Ein und Alles war, wäre es schön gewesen, seinen Charakter noch etwas stärker einzubinden. Das gilt auch für das Opfer, schließlich ist es ungewöhnlich, dass eine finanziell unabhängige und scheinbar brave Studentin nebenbei als Sadomaso-Prostituierte arbeitet. Hier wären ein etwas weiter ausgearbeiteter Hintergrund wünschenswert gewesen.

Ein wenig unglaubwürdig wird die Stelle beschrieben, an der Tom und Kellie in höchster Gefahr schweben und ihre Situation kurzzeitig mit Humor zu ertragen versuchen. Noch unpassender ist Toms Gedanke, dass er seine morgige Präsentation in der Firma verpasst, was angesichts seines drohendes Todes unwichtig sein sollte.

Fazit:

Ein spannender und unterhaltsamer Roman über ein Snuff-Video mit einem sympathischen Ermittler. Der übersinnliche Aspekt, der Roy Grace immer begleitet, hält sich angenehm in Grenzen. Von kleinen Schwächen abgesehen, bietet sich dem Leser ein solider und temporeicher Thriller.

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