Produktinfos:
Ausgabe: 2006
Seiten: 559
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Der Autor:
Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren und ist einer der meistverkauften Horrorautoren der USA. Er studierte englische Literatur und arbeitete unter anderem als Lehrer und Bibliothekar, ehe er sich dem Schreiben widmete. Im Jahr 2001 verstarb er überraschend früh und hinterließ eine Reihe Romane, die vor allem wegen ihrer schnörkellosen Brutalität von sich reden machten. Nur ein kleiner Teil davon ist bislang auf deutsch erhältlich. Zu seinen weiteren Werken zählen u. a. "Parasit", "Im Zeichen des Bösen", "Vampirjäger" und "Rache".
Inhalt:
Acht Reisende machen mit einer Jacht eine Urlaubsfahrt durch die Südsee. Plötzlich explodiert ihr Boot durch eine unbekannte Ursache. Dabei kommt offenbar Wesley ums Leben. Der Rest von ihnen befand sich gerade zum Picknicken auf einer einsamen, nahe gelegenen Insel. Die Gruppe besteht aus Familie Collins und ihrem Anhang. Vater Andrew ist ein wohlhabender, pensionierter Marineoffizier, der trotz seiner sechzig Jahre noch relativ fit geblieben ist. Aus seiner ersten Ehe stammen die beiden Töchter Thelma und Kimberley. Die mollige und biedere Thelma ist Wesleys trauende Witwe. Kimberley dagegen ist eine rassige Schönheit, der man ihr indianisches Blut ansieht. Sie ist verheiratet mit Keith, einem gut aussehenden Erfolgstypen. Billie ist Andrews zweite Frau, mit der er gerade den zwanzigsten Hochzeitstag feiert. Für ihr Alter ist die sehr weibliche Billie noch höchst attraktiv und dabei von sehr herzlicher Natur. Die Jüngste im Bunde ist Connie, die achtzehnjährige Tochter von Billie und Andrew, die zwar ebenfalls hübsch ist, aber weder die Attraktivität noch die Herzlichkeit ihrer Mutter besitzt. Den Abschluss bildet Connies Freund Rupert, den sie gerade an der Uni kennengelernt hat. Obwohl die beiden ein paar Dates hatten, sind sie nicht richtig zusammen und streiten sich viel.
Auf der Insel versuchen die Überlebenden, sich so gut wie möglich mit ihren geborgenen Utensilien auszustatten, um bis zur Rettung durchzuhalten. Der literarisch ambitionierte Rupert beginnt gleich nach ihrer Ankunft ein Tagebuch zu schreiben, das ihm später als Basis für einen Abenteuerroman dienen soll. Trotz der Katastrophe genießt der unerfahrene junge Mann das enge Beisammensein mit den schönen Frauen. Vor allem Kimberley und Billie faszinieren ihn, auch wenn er sich bemüht, seine Gefühle vor den anderen zu verbergen. Die Gruppe richtet sich ein Lager ein, fängt Fische und wechselt sich in der Nacht bei der Wache ab.
Am zweiten Tag jedoch geschieht ein Unglück: Keith ist während seiner Wache verschwunden. Nach kurzer Suche finden sie ihn aufgeknüpft im Dschungel, grausig zugerichtet und zweifelsfrei ermordet. Bis auf Thelma sind alle davon überzeugt, dass Wesley mit der Explosion seinen Tod nur vorgetäuscht hat und jetzt Jagd auf sie macht. Die Gruppe bewaffnet sich - doch kurz darauf wird erneut jemand aus ihrem Kreis ermordet. Ist es wirklich Wesley, der dahintersteckt? Was steckt für ein Motiv hinter den Morden? Wer von ihnen wird überleben? Für die Gestrandeten beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel auf Leben und Tod im tückischen Südseedschungel ...
Bewertung:
Eine Insel in der tropischen Südsee mag ein malerischer Schauplatz sein - allerdings nicht, wenn Richard Laymon die dazugehörige Handlung schrieb. Seine action- und gewaltgeladenen Horrorthriller werden derzeit auch von deutschen Genrefans entdeckt und machen der Heyne-Hardcore-Reihe alle Ehre. Das galt bereits für "Rache" und erst recht für seine noch stärkere "Insel", auch wenn kleine Mängel den Gesamteindruck trüben.
Straffe Handlung, Spannung bis zum Schluss
Mit einem "Heute ist die Jacht explodiert" wird der Leser von der ersten Zeile an hineingerissen in eine turbulente Handlung, die an keiner Stelle Längen aufweist. Den Protagonisten bleibt kaum ein Moment zum müßigen Verweilen, jede Situation wirft neue Fragen auf. Zunächst darf gerätselt werden, wie sie ihre Strandung auf der offenbar unbewohnten Insel meistern; bald darauf folgt der erste Mord, der Schock, Verstörung und Unsicherheit nach sich zieht, wenig später der zweite Todesfall, die Jagd auf den Mörder, Lügen, Intrigen und Kämpfe ums nackte Überleben.
Dem Leser stellen sich eine Reihe von Fragen, die ihn bei der Stange halten: Wer ist der kaltblütige Mörder, was für ein Motiv lässt ihn die Taten begehen, nach welchem Prinzip mordet er die Überlebenden, wer wird als nächstes an die Reihe kommen, wird es Überlebende geben, werden sie gerettet? Kaum etwas ist gewiss in diesem Strudel aus Wahnsinn, Gewalt und Grauen. Immer wenn man glaubt, dass sich eine ruhigere Phase ankündigt, wird man aufs Neue belehrt, und eine überraschende Wendung wirft die Ereignisse wieder durcheinander. An Atempausen ist kaum zu denken, stattdessen hetzt man mit den Charakteren durch die grüne Hölle, ohne zu wissen, was hinter der nächsten (Handlungs-)Ecke lauert. Dabei bleiben die Geschehnisse aber erfreulicherweise stets übersichtlich. Es existieren keine Nebenschauplätze, keine Zweighandlungen, die den Leser verwirren könnten, sodass es bei aller Hektik keine große Konzentration braucht, um den Ereignissen zu folgen. Die Spannung wird bis zur letzten Seite gehalten. Bis dahin ist völlig unklar, wie das Schicksal der Gestrandeten endet und wer von ihnen die Katastrophe überlebt - falls überhaupt einer überlebt, denn nicht einmal dessen kann man gewiss sein. Schließlich basiert die Handlung auf Tagebuchaufzeichnungen, die theoretisch jederzeit enden könnten ...
Das Prädikat "Heyne Hardcore" steht für schockierende Inhalte, die nicht mit Gewaltdarstellungen geizen. War aber bereits "Rache" schon kein Extremfall für den durchschnittlichen Horrorleser, so schocken die Gewaltmomente in der "Insel" noch weniger. Lediglich kurz vor Schluss geht es extrem blutig zur Sache, aber auch hier dürften allenfalls sehr zarte Gemüter verstört reagieren. Grundsätzlich ist "Die Insel" sicherlich ein harter Stoff, der aber nicht schwerer zu verdauen ist als das meiste andere der aktuellen Thriller- und Horrorliteratur auch. Die dichte Dschungelatmosphäre tut ihr Übriges, um den Leser zu fesseln. Es verbinden sich zwei interessante Ausgangspositionen: Die Gestrandeten müssen im fremden Dschungel überleben und gleichzeitig einen Mörder unter sich entlarven. Die tropische Hitze, die schwindenden Vorräte, Moskitoplagen und die Furcht vor wilden Tieren oder Verletzungen in dem unwirtlichen Gelände sorgen für zusätzlichen Zündstoff, wenn sie auch nicht ausgereizt werden. Diese Faktoren beinhalten durchaus noch ungenutztes Konfliktpotenzial, hätten die Handlung allerdings womöglich überladen. Zum schnellen Tempo der Handlung passt der flüssige Stil, der sich leicht und locker lesen lässt. Rupert schreibt weder zu flapsig noch zu formell, sondern findet die ideale Mischung, um ein fließendes Lesevergnügen zu kreieren.
Mal Sympathie, mal Antipathie
Eine von Laymons besonderen Stärken liegt in der Darstellung der Hauptfiguren, die dem Leser nie uneingeschränkt sympathisch sind. Zwar ist Rupert, der tagebuchschreibende Student, ein netter Kerl, dessen Gedanken man weitestgehend nachvollziehen kann. Aber immer kurz bevor man ihn als Sympathieträger einstufen will, leistet er sich einen gedanklichen oder handlungsweisenden Fehltritt und offenbart abstoßende Charakterzüge. Denn trotz aller Sorge um das Heil seiner Mit-Gestrandeten hegt er gegen manche von ihnen deutliche Abneigungen, denen er in seinen Aufzeichnungen Luft macht. Obwohl er Keith keinen brutalen Tod gegönnt hat, kann er sich nicht eines kleinen Triumphgefühls erwehren, schließlich war ihm die Überlegenheit dieses aalglatten Supermanns schon lange ein Dorn im Auge. Parallel dazu erkennt Rupert mit dem Verstand natürlich an, dass sie alle darauf hoffen sollten, so schnell wie möglich gerettet zu werden. Doch gleichzeitig genießt der unerfahrene junge Mann die Gesellschaft so attraktiver Frauen. Egal wie ernst die Lage der unfreiwilligen Robinsonaden auch ist, für Rupert ist der Anblick der knapp bekleideten Ladys einer der Highlights seinen spätpupertierenden Lebens. Durch die gesamte Geschichte zieht sich dieses Spannungsverhältnis von Vernunft und Primitivität in Ruperts Charakter. Manches Mal fühlt man mit seinen Gedankengängen und kann sich nur zu gut in seine Not hineinversetzen.
Andere Male fühlt man sich von seiner Lüsternheit und seiner Sensationsgier abgestoßen. Auch die anderen Charaktere lassen sich kaum in ein festes Schema einordnen. Connie ist die meiste Zeit zickig, beweist aber zwischendurch auch ihre sensible Seite, Thelma ist unberechenbar in ihrer Parteinahme für Wesley, und Andrew übernimmt in herrischer Befehlsmanier das Kommando. Die Gefahrensituation lässt zudem in jeder Person die Extreme hervorschnellen. Misstrauen greift um sich, die Charaktere entwickeln eine Hass-Liebe zueinander. Vor allem zwischen den Familienmitgliedern brechen alte Konflikte auf, die die Anspannung verstärken. Wer von ihnen ist wirklich so, wie er sich gibt, und wem kann man trauen - das sind zwei der Fragen, die sich Rupert wiederholt stellen muss.
Schwächen in der Tagebuchform
Grundsätzlich birgt die formale Umsetzung der Handlung ins Tagebuchformat einige Stärken, vorneweg das ungewisse Ende, denn niemand garantiert dafür, dass Rupert seine Aufzeichnungen zu einem vernünftigen Schluss bringt. Theoretisch könnte er sterben und das Manuskript mittendrin abbrechen. Die Schwäche liegt jedoch in der unglaubwürdigen Umsetzung. Vor allem in der ersten Hälfte sind Ruperts Aufzeichnungen außerordentlich durchdacht und sehr ausführlich. Bis ins kleinste Detail erinnert er sich an die Dialoge, an die Mimiken und Gestiken seiner Inselmitbewohner. Besonders auffallend ist seine Strukturierung, die er sehr literarisch gestaltet, anstatt, wie es zu erwarten wäre, die Ereignisse auf den Punkt zu bringen, um seinen Emotionen Luft zu verschaffen.
Stattdessen formuliert er seine Gedanken, als gäbe ihm seine Situation jede Menge Zeit und Muße dazu. Erst in der zweiten Handlungshälfte weicht er etwas von diesem Schema ab. Seine Aufzeichnungen werden ein wenig wirrer und ungeordneter, sind aber immer noch viel zu ausführlich für ein Inseltagebuch, das unter enormen Druck verfasst wird. Tagebuchformen bringen immer das Problem mit sich, dass authentisch wirkende Aufzeichnungen meist nicht systematisch genug sind, um einen Leser zu fesseln. Trotzdem wäre es vorteilhaft und wünschenswert gewesen, Ruperts Extremsituation mehr in seine Art der Fixierung einfließen zu lassen. Die eingeschobene Erwähnung, dass Rupert literarische Ambitionen hegt und das Tagebuch später als Basis für einen Abenteuerroman nutzen will, erscheint eher als halbherziges Alibi statt als überzeugendes Argument.
Mangelnder Realismus
Offensichtlich wird dies auch, wenn Rupert sich bis zum Schluss immer wieder ironische und humorvolle Gedankengänge erlaubt, auch wenn sie angesichts der Lage unpassend sind. Das Gleiche gilt auch für seine sexuellen Phantasien, die er in den unangebrachtesten Momenten verspürt und zu Papier gibt. Diese Überbetonung des Triebhaften ist typisch für Laymon und gibt seinen Werken einen B-Movie-Charakter - glücklicherweise hält sich diese Tendenz jedoch in "Die Insel" in Grenzen. Unangebrachte Reaktionen gibt es nicht nur von Ruperts Seite aus, sondern auch bei den anderen Figuren.
Vor allem bei den Frauen wird zu gefasst auf die dramatischen Entwicklungen reagiert. Nur Thelma verfällt in eine realistische Krise, als sie vom mutmaßlichen Tod ihres Mannes Wesley erfährt. Kimberly und Billie dagegen beweisen während des ganzen Romans über eine außerordentliche Festigkeit und Stärke, in vielen Augenblicken halten sie sich tapferer als Rupert selbst, der als Einziger der Beteiligten keinen Angehörigen verliert und sich somit eigentlich am gefasstesten verhalten müsste. Zusammenbrüche weiblicher Protagonisten können zwar mitunter nervtötend sein, aber es wäre adäquater gewesen, ihnen zumindest phasenweise ihr Leiden und ihre Ängste stärker zu zeichnen. Schade ist zudem die ungenutzte Möglichkeit, die Täter-Verdächtigungen noch weiter zu streuen. Zu früh legt man sich auf einen bestimmten Täter fest, zu dem sich später ein zweiter hinzu gesellt. Noch prekärer hätte man die Lage gestalten können, indem innerhalb der verbliebenen Gruppe stärkeres Misstrauen zum Vorschein gekommen wäre - um die Schlinge um Rupert so eng wie möglich zu ziehen ...
Fazit:
Ein spannender und unterhaltsamer Horrorroman, der die Robinson-Crusoe-Thematik mit einer Mörderjagd verbindet. Von der ersten bis zur letzten Seite ist der Leser gefesselt von den dramatischen Ereignissen und den überraschenden Wendungen. Weitere Pluspunkte sind die abwechslungsreichen Charaktere und der flüssige Stil. Schwächen liegen dagegen in der Tagebuchform, die nicht wirklich authentisch wirkt, und in den teilweise zu harmlosen Reaktionen der Protagonisten.
Ausgabe: 2006
Seiten: 559
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Der Autor:
Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren und ist einer der meistverkauften Horrorautoren der USA. Er studierte englische Literatur und arbeitete unter anderem als Lehrer und Bibliothekar, ehe er sich dem Schreiben widmete. Im Jahr 2001 verstarb er überraschend früh und hinterließ eine Reihe Romane, die vor allem wegen ihrer schnörkellosen Brutalität von sich reden machten. Nur ein kleiner Teil davon ist bislang auf deutsch erhältlich. Zu seinen weiteren Werken zählen u. a. "Parasit", "Im Zeichen des Bösen", "Vampirjäger" und "Rache".
Inhalt:
Acht Reisende machen mit einer Jacht eine Urlaubsfahrt durch die Südsee. Plötzlich explodiert ihr Boot durch eine unbekannte Ursache. Dabei kommt offenbar Wesley ums Leben. Der Rest von ihnen befand sich gerade zum Picknicken auf einer einsamen, nahe gelegenen Insel. Die Gruppe besteht aus Familie Collins und ihrem Anhang. Vater Andrew ist ein wohlhabender, pensionierter Marineoffizier, der trotz seiner sechzig Jahre noch relativ fit geblieben ist. Aus seiner ersten Ehe stammen die beiden Töchter Thelma und Kimberley. Die mollige und biedere Thelma ist Wesleys trauende Witwe. Kimberley dagegen ist eine rassige Schönheit, der man ihr indianisches Blut ansieht. Sie ist verheiratet mit Keith, einem gut aussehenden Erfolgstypen. Billie ist Andrews zweite Frau, mit der er gerade den zwanzigsten Hochzeitstag feiert. Für ihr Alter ist die sehr weibliche Billie noch höchst attraktiv und dabei von sehr herzlicher Natur. Die Jüngste im Bunde ist Connie, die achtzehnjährige Tochter von Billie und Andrew, die zwar ebenfalls hübsch ist, aber weder die Attraktivität noch die Herzlichkeit ihrer Mutter besitzt. Den Abschluss bildet Connies Freund Rupert, den sie gerade an der Uni kennengelernt hat. Obwohl die beiden ein paar Dates hatten, sind sie nicht richtig zusammen und streiten sich viel.
Auf der Insel versuchen die Überlebenden, sich so gut wie möglich mit ihren geborgenen Utensilien auszustatten, um bis zur Rettung durchzuhalten. Der literarisch ambitionierte Rupert beginnt gleich nach ihrer Ankunft ein Tagebuch zu schreiben, das ihm später als Basis für einen Abenteuerroman dienen soll. Trotz der Katastrophe genießt der unerfahrene junge Mann das enge Beisammensein mit den schönen Frauen. Vor allem Kimberley und Billie faszinieren ihn, auch wenn er sich bemüht, seine Gefühle vor den anderen zu verbergen. Die Gruppe richtet sich ein Lager ein, fängt Fische und wechselt sich in der Nacht bei der Wache ab.
Am zweiten Tag jedoch geschieht ein Unglück: Keith ist während seiner Wache verschwunden. Nach kurzer Suche finden sie ihn aufgeknüpft im Dschungel, grausig zugerichtet und zweifelsfrei ermordet. Bis auf Thelma sind alle davon überzeugt, dass Wesley mit der Explosion seinen Tod nur vorgetäuscht hat und jetzt Jagd auf sie macht. Die Gruppe bewaffnet sich - doch kurz darauf wird erneut jemand aus ihrem Kreis ermordet. Ist es wirklich Wesley, der dahintersteckt? Was steckt für ein Motiv hinter den Morden? Wer von ihnen wird überleben? Für die Gestrandeten beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel auf Leben und Tod im tückischen Südseedschungel ...
Bewertung:
Eine Insel in der tropischen Südsee mag ein malerischer Schauplatz sein - allerdings nicht, wenn Richard Laymon die dazugehörige Handlung schrieb. Seine action- und gewaltgeladenen Horrorthriller werden derzeit auch von deutschen Genrefans entdeckt und machen der Heyne-Hardcore-Reihe alle Ehre. Das galt bereits für "Rache" und erst recht für seine noch stärkere "Insel", auch wenn kleine Mängel den Gesamteindruck trüben.
Straffe Handlung, Spannung bis zum Schluss
Mit einem "Heute ist die Jacht explodiert" wird der Leser von der ersten Zeile an hineingerissen in eine turbulente Handlung, die an keiner Stelle Längen aufweist. Den Protagonisten bleibt kaum ein Moment zum müßigen Verweilen, jede Situation wirft neue Fragen auf. Zunächst darf gerätselt werden, wie sie ihre Strandung auf der offenbar unbewohnten Insel meistern; bald darauf folgt der erste Mord, der Schock, Verstörung und Unsicherheit nach sich zieht, wenig später der zweite Todesfall, die Jagd auf den Mörder, Lügen, Intrigen und Kämpfe ums nackte Überleben.
Dem Leser stellen sich eine Reihe von Fragen, die ihn bei der Stange halten: Wer ist der kaltblütige Mörder, was für ein Motiv lässt ihn die Taten begehen, nach welchem Prinzip mordet er die Überlebenden, wer wird als nächstes an die Reihe kommen, wird es Überlebende geben, werden sie gerettet? Kaum etwas ist gewiss in diesem Strudel aus Wahnsinn, Gewalt und Grauen. Immer wenn man glaubt, dass sich eine ruhigere Phase ankündigt, wird man aufs Neue belehrt, und eine überraschende Wendung wirft die Ereignisse wieder durcheinander. An Atempausen ist kaum zu denken, stattdessen hetzt man mit den Charakteren durch die grüne Hölle, ohne zu wissen, was hinter der nächsten (Handlungs-)Ecke lauert. Dabei bleiben die Geschehnisse aber erfreulicherweise stets übersichtlich. Es existieren keine Nebenschauplätze, keine Zweighandlungen, die den Leser verwirren könnten, sodass es bei aller Hektik keine große Konzentration braucht, um den Ereignissen zu folgen. Die Spannung wird bis zur letzten Seite gehalten. Bis dahin ist völlig unklar, wie das Schicksal der Gestrandeten endet und wer von ihnen die Katastrophe überlebt - falls überhaupt einer überlebt, denn nicht einmal dessen kann man gewiss sein. Schließlich basiert die Handlung auf Tagebuchaufzeichnungen, die theoretisch jederzeit enden könnten ...
Das Prädikat "Heyne Hardcore" steht für schockierende Inhalte, die nicht mit Gewaltdarstellungen geizen. War aber bereits "Rache" schon kein Extremfall für den durchschnittlichen Horrorleser, so schocken die Gewaltmomente in der "Insel" noch weniger. Lediglich kurz vor Schluss geht es extrem blutig zur Sache, aber auch hier dürften allenfalls sehr zarte Gemüter verstört reagieren. Grundsätzlich ist "Die Insel" sicherlich ein harter Stoff, der aber nicht schwerer zu verdauen ist als das meiste andere der aktuellen Thriller- und Horrorliteratur auch. Die dichte Dschungelatmosphäre tut ihr Übriges, um den Leser zu fesseln. Es verbinden sich zwei interessante Ausgangspositionen: Die Gestrandeten müssen im fremden Dschungel überleben und gleichzeitig einen Mörder unter sich entlarven. Die tropische Hitze, die schwindenden Vorräte, Moskitoplagen und die Furcht vor wilden Tieren oder Verletzungen in dem unwirtlichen Gelände sorgen für zusätzlichen Zündstoff, wenn sie auch nicht ausgereizt werden. Diese Faktoren beinhalten durchaus noch ungenutztes Konfliktpotenzial, hätten die Handlung allerdings womöglich überladen. Zum schnellen Tempo der Handlung passt der flüssige Stil, der sich leicht und locker lesen lässt. Rupert schreibt weder zu flapsig noch zu formell, sondern findet die ideale Mischung, um ein fließendes Lesevergnügen zu kreieren.
Mal Sympathie, mal Antipathie
Eine von Laymons besonderen Stärken liegt in der Darstellung der Hauptfiguren, die dem Leser nie uneingeschränkt sympathisch sind. Zwar ist Rupert, der tagebuchschreibende Student, ein netter Kerl, dessen Gedanken man weitestgehend nachvollziehen kann. Aber immer kurz bevor man ihn als Sympathieträger einstufen will, leistet er sich einen gedanklichen oder handlungsweisenden Fehltritt und offenbart abstoßende Charakterzüge. Denn trotz aller Sorge um das Heil seiner Mit-Gestrandeten hegt er gegen manche von ihnen deutliche Abneigungen, denen er in seinen Aufzeichnungen Luft macht. Obwohl er Keith keinen brutalen Tod gegönnt hat, kann er sich nicht eines kleinen Triumphgefühls erwehren, schließlich war ihm die Überlegenheit dieses aalglatten Supermanns schon lange ein Dorn im Auge. Parallel dazu erkennt Rupert mit dem Verstand natürlich an, dass sie alle darauf hoffen sollten, so schnell wie möglich gerettet zu werden. Doch gleichzeitig genießt der unerfahrene junge Mann die Gesellschaft so attraktiver Frauen. Egal wie ernst die Lage der unfreiwilligen Robinsonaden auch ist, für Rupert ist der Anblick der knapp bekleideten Ladys einer der Highlights seinen spätpupertierenden Lebens. Durch die gesamte Geschichte zieht sich dieses Spannungsverhältnis von Vernunft und Primitivität in Ruperts Charakter. Manches Mal fühlt man mit seinen Gedankengängen und kann sich nur zu gut in seine Not hineinversetzen.
Andere Male fühlt man sich von seiner Lüsternheit und seiner Sensationsgier abgestoßen. Auch die anderen Charaktere lassen sich kaum in ein festes Schema einordnen. Connie ist die meiste Zeit zickig, beweist aber zwischendurch auch ihre sensible Seite, Thelma ist unberechenbar in ihrer Parteinahme für Wesley, und Andrew übernimmt in herrischer Befehlsmanier das Kommando. Die Gefahrensituation lässt zudem in jeder Person die Extreme hervorschnellen. Misstrauen greift um sich, die Charaktere entwickeln eine Hass-Liebe zueinander. Vor allem zwischen den Familienmitgliedern brechen alte Konflikte auf, die die Anspannung verstärken. Wer von ihnen ist wirklich so, wie er sich gibt, und wem kann man trauen - das sind zwei der Fragen, die sich Rupert wiederholt stellen muss.
Schwächen in der Tagebuchform
Grundsätzlich birgt die formale Umsetzung der Handlung ins Tagebuchformat einige Stärken, vorneweg das ungewisse Ende, denn niemand garantiert dafür, dass Rupert seine Aufzeichnungen zu einem vernünftigen Schluss bringt. Theoretisch könnte er sterben und das Manuskript mittendrin abbrechen. Die Schwäche liegt jedoch in der unglaubwürdigen Umsetzung. Vor allem in der ersten Hälfte sind Ruperts Aufzeichnungen außerordentlich durchdacht und sehr ausführlich. Bis ins kleinste Detail erinnert er sich an die Dialoge, an die Mimiken und Gestiken seiner Inselmitbewohner. Besonders auffallend ist seine Strukturierung, die er sehr literarisch gestaltet, anstatt, wie es zu erwarten wäre, die Ereignisse auf den Punkt zu bringen, um seinen Emotionen Luft zu verschaffen.
Stattdessen formuliert er seine Gedanken, als gäbe ihm seine Situation jede Menge Zeit und Muße dazu. Erst in der zweiten Handlungshälfte weicht er etwas von diesem Schema ab. Seine Aufzeichnungen werden ein wenig wirrer und ungeordneter, sind aber immer noch viel zu ausführlich für ein Inseltagebuch, das unter enormen Druck verfasst wird. Tagebuchformen bringen immer das Problem mit sich, dass authentisch wirkende Aufzeichnungen meist nicht systematisch genug sind, um einen Leser zu fesseln. Trotzdem wäre es vorteilhaft und wünschenswert gewesen, Ruperts Extremsituation mehr in seine Art der Fixierung einfließen zu lassen. Die eingeschobene Erwähnung, dass Rupert literarische Ambitionen hegt und das Tagebuch später als Basis für einen Abenteuerroman nutzen will, erscheint eher als halbherziges Alibi statt als überzeugendes Argument.
Mangelnder Realismus
Offensichtlich wird dies auch, wenn Rupert sich bis zum Schluss immer wieder ironische und humorvolle Gedankengänge erlaubt, auch wenn sie angesichts der Lage unpassend sind. Das Gleiche gilt auch für seine sexuellen Phantasien, die er in den unangebrachtesten Momenten verspürt und zu Papier gibt. Diese Überbetonung des Triebhaften ist typisch für Laymon und gibt seinen Werken einen B-Movie-Charakter - glücklicherweise hält sich diese Tendenz jedoch in "Die Insel" in Grenzen. Unangebrachte Reaktionen gibt es nicht nur von Ruperts Seite aus, sondern auch bei den anderen Figuren.
Vor allem bei den Frauen wird zu gefasst auf die dramatischen Entwicklungen reagiert. Nur Thelma verfällt in eine realistische Krise, als sie vom mutmaßlichen Tod ihres Mannes Wesley erfährt. Kimberly und Billie dagegen beweisen während des ganzen Romans über eine außerordentliche Festigkeit und Stärke, in vielen Augenblicken halten sie sich tapferer als Rupert selbst, der als Einziger der Beteiligten keinen Angehörigen verliert und sich somit eigentlich am gefasstesten verhalten müsste. Zusammenbrüche weiblicher Protagonisten können zwar mitunter nervtötend sein, aber es wäre adäquater gewesen, ihnen zumindest phasenweise ihr Leiden und ihre Ängste stärker zu zeichnen. Schade ist zudem die ungenutzte Möglichkeit, die Täter-Verdächtigungen noch weiter zu streuen. Zu früh legt man sich auf einen bestimmten Täter fest, zu dem sich später ein zweiter hinzu gesellt. Noch prekärer hätte man die Lage gestalten können, indem innerhalb der verbliebenen Gruppe stärkeres Misstrauen zum Vorschein gekommen wäre - um die Schlinge um Rupert so eng wie möglich zu ziehen ...
Fazit:
Ein spannender und unterhaltsamer Horrorroman, der die Robinson-Crusoe-Thematik mit einer Mörderjagd verbindet. Von der ersten bis zur letzten Seite ist der Leser gefesselt von den dramatischen Ereignissen und den überraschenden Wendungen. Weitere Pluspunkte sind die abwechslungsreichen Charaktere und der flüssige Stil. Schwächen liegen dagegen in der Tagebuchform, die nicht wirklich authentisch wirkt, und in den teilweise zu harmlosen Reaktionen der Protagonisten.
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