3. Juni 2012

Das Geheimnis von Vennhues - Stefan Holtkötter

Produktinfos:

Ausgabe: 2006
Seiten: 271
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Der Autor:

Der Autor Stefan Holtkötter wurde 1973 im Münsterland geboren. Er absolvierte unter anderem eine Ausbildung als Sozialpädagoge und arbeitet heute neben seiner Autorentätigkeit in Berlin als Motivationstrainer und Berater für Arbeitslose. 2005 erschien sein erster Roman, der Berlin-Krimi "Fundort Jannowitzbrücke". Mehr über ihn auf seiner Homepage http://www.stefan-holtkoetter.de.

Inhalt:

Vennhues im Münsterland, 1982. Beim Spielen im Moor findet ein Junge die grausam zugerichtete Leiche eines Kindes. Schnell hat man einen Hauptverdächtigen gefasst, den knapp achtzehnjährigen Peter Bodenstein. Peter beteuert seine Unschuld, doch die Dorfbewohner sind davon überzeugt, dass er der Mörder ist. Kurz vor der Tat hat er sich mit dem Opfer zerstritten, die Tatwaffe stammt aus seinem Haus, und er hat kein Alibi. Sogar seine Eltern zweifeln. Peter wird aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Aus Angst vor Rache verlässt er den Ort und meldet sich zur See.

Mehr als zwanzig Jahre danach kehrt Peter Bodenstein zurück auf den Hof seines Vaters. Er will endlich seine Unschuld beweisen, aber er wird kalt empfangen. Bis auf seinen Vater halten nur wenige Dorfbewohner zu ihm, der Rest sieht in ihm nach wie vor den Mörder, zumal es nie einen weiteren Verdächtigen gab. Bald darauf geschieht die Katastrophe: Wieder findet man die Leiche eines Jungen im Moor, und wieder gerät Peter Bodenstein in Verdacht. Die aufgebrachten Dorfbewohner wollen Peter lynchen, der im letzten Moment flüchten kann.

Hauptkommissar Bernhard Hambrock aus Münster, der in Vennhues aufgewachsen ist, übernimmt den Fall. Vor zwanzig Jahren war er mit Peter befreundet, und er hält seine Unschuld für möglich. Bei seinen Ermittlungen rollt er auch den alten Mordfall wieder auf. Doch obwohl er aus dem Dorf stammt, erhält er bei seinen Nachforschungen kaum Unterstützung. Die eingesessenen Dorfbewohner betrachten den Großstädter als Fremdling, der nicht mehr zu ihnen gehört, und verweigern die Zusammenarbeit. Doch Hambrock gibt nicht auf. Bei seinen Untersuchungen stößt er auf düstere Geheimnisse und kämpft darum, die Wahrheit ans Licht zu holen. Die Spur führt schließlich ins Moor ...

Bewertung:

Ein kleines Dorf, ein düsteres Moor, eine verschworene Gesellschaft und grausige Morde ... Aus bewährten Zutaten zaubert Stefan Holtkötter einen Krimi der Extraklasse, den sich kein Spannungsfreund entgehen lassen sollte.

Überzeugende Charaktere

Einen großen Anteil daran haben die Charaktere, die von Beginn an überzeugen können. Da ist der Mordverdächtige Peter Bodenstein, damals ein halber Junge, der gerade das Erwachsenenalter erreicht hatte und seitdem auf den Schiffen um die halbe Welt gereist ist. Mit Anfang vierzig kehrt er nun zurück in seine alte Heimat, um den zweimonatigen Landurlaub bei seinem alten Vater zu verbringen. Mit Peter Bodenstein ist dem Autor eine zwiespältige und gerade deshalb hochinteressante Figur geglückt, die einerseits das Misstrauen des Lesers weckt, da man nicht zu hundert Prozent von seiner Unschuld überzeugt ist. Andererseits empfindet man tiefes Mitgefühl für diesen Mann, der sein halbes Leben auf der Flucht verbringen musste. Nicht einmal sein Vater kann sagen, dass er ihn für unschuldig hält, obwohl er trotzdem zu seinem Sohn steht und ihn liebt. Peters Mutter ist vor ein paar Jahren verstorben, ohne ihren Sohn noch einmal wiedergesehen zu haben. Auch wenn nicht sehr viele Worte gebraucht werden, um Peters Schicksal zu beschreiben, spürt man die Hoffnungslosigkeit, die über seinem Leben schwebt, das an jenem Tag zerbrach, an dem die Leiche von Willem van der Kraacht gefunden wurde.

Unauffälliger, aber nicht weniger interessant ist die Gestalt von Hauptkommissar Bernhard Hambrock, der ihn, nur wenige Jahre jünger als Peter, in Jugendtagen einst bewunderte und fest an seine Unschuld glaubte. Zwei Jahrzehnte und viele Berufserfahrungen später weiß Hambrock, dass sich Mörder hinter den unwahrscheinlichsten Masken verbergen. Hambrock steckt in einem Dilemma: Die Dorfbewohner kritisieren seine Ermittlungen und fordern eine schnelle Vertreibung von Peter Bodenstein aus Vennhues; der um Neutralität bemühte Hambrock ist für sie ein Verräter, der einen Mörder schützt. Umgekehrt sieht Peter Bodenstein in dem alten Freund nur noch den Gesetzeshüter, der seine Schritte überwacht. Zu allem Überfluss war Hambrocks ehemaliger Vorgesetzter, auf dessen Urteil er große Stücke hält, der damals leitende Ermittler, der nach wie vor von Bodensteins Schuld überzeugt ist. Bernhard Hambrock präsentiert sich als tüchtiger und gewissenhafter Ermittler, dessen private Persönlichkeit nie in den Vordergrund gedrängt wird. Immer wieder gibt es kleine Episoden aus seinem Ehe- und Familienleben, vor allem wegen der wenigen Zeit, die er seiner Gattin widmen kann, nette Anspielungen auf seine Zwangsdiät - aber der Roman dreht sich nicht um ihn als Hauptfigur, sondern um die Aufklärung zweier Verbrechen und die Schuldfrage eines verjagten Verdächtigen und ehemaligen Freundes.

Auch die restlichen Nebenfiguren wissen zu überzeugen. Der Leser begegnet im Dorf den verstockten Altbewohnern, die am liebsten Selbstjustiz verüben würden, den zurückhaltenden Vernünftigen, die sich um Neutralität bemühen, und den wenigen Menschen, die zu Peter halten und seinen Aussagen Glauben schenken oder es zumindest versuchen. Für kleine Auflockerungen sorgt Hambrocks Assistent Phillip, ein junger, impulsiver Polizeipraktikant, der den Hauptkommissar mit seiner fehlenden Besonnenheit manchmal fast zur Verzweiflung treibt.

Dramatik bis zum Schluss

Von Beginn an liegt Spannung in der Luft: Der Prolog führt zurück ins Jahr 1982, als der junge Frank im Moor über die Leiche des erstochenen Willem van der Kraacht stößt. Das dörfliche Vennhues mit seinen alteingesessenen Bewohnern, die zusammenhalten und gegen jeden Außenstehenden misstrauisch reagieren, wird anschaulich und atmosphärisch dicht geschildert. Schon bald ist der Leser mittendrin in dieser Gemeinschaft, spürt den Hass, der gegen Peter Bodenstein in der Luft liegt, und die Zerrissenheit von Bernhard Hambrock, der sich von seiner Subjektivität gegenüber Peter befreien muss. Rasch ahnt man, dass die Mordfälle viel komplexer sind, als die Bewohner angenommen haben, und dass es düstere Geheimnisse unter ihnen gibt. Nach und nach kristallisiert sich bei Hambrocks Ermittlungen heraus, dass es neben Peter noch andere Dorfbewohner gibt, die Motiv und Gelegenheit zu den Morden gehabt hätten. Doch zwanzig Jahre nach einem Verbrechen ist es schwer, glaubhafte Indizien zu finden, und die Nachforschungen der Polizei kommen nur langsam voran.

Die Spannung liegt nicht nur in der Mördersuche, sondern auch in der Frage, was mit Peter am Ende geschehen wird - hat er Schuld an den Morden, und wenn nicht, wird er rehabilitiert? Verübt einer der Bewohner zuvor Selbstjustiz an ihm? Ist seine Flucht nach dem zweiten Mord erfolgreich, wird er gefasst, oder wird er sich sogar stellen? Alles scheint möglich, und je mehr Einwohner in den Fall verwickelt werden, desto unvorhersehbarer wird das Finale. Der Leser erhält nicht nur Anteil an einer bis zuletzt abwechslungsreichen Mörderjagd, sondern wird auch ein wenig nachdenklich bei dieser Suche nach Schuld und Sühne und der Darstellung dessen, was Vorverurteilungen aus einem Menschenleben machen können. Zusammen mit dem stets gegenwärtigen Ortshintergrund des bedrohlichen Moors ergibt sich eine unheilvolle Atmosphäre, die für wohlige Schauer sorgt.

Minimale Mankos

Schwächen gibt es kaum in diesem durchgehend überzeugenden Krimi. Routinierte Genreleser mögen jedoch vielleicht bemängeln, dass das Setting der dörflichen Gemeinschaft, die gegen Fremde erbarmungslos zusammenhält, sehr bekannt ist. Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch das Ende, bei dem der Autor darauf verzichtet, sämtliche Fäden sauber zu verknüpfen, und einen kleinen Raum für Spekulationen lässt, wenn auch nicht in den wesentlichen Fragen. Dass er kein reines Happy-End liefert, verstärkt allerdings den Authentizitätscharakter der Geschichte, da auch in der Realität selten alles einen uneingeschränkt guten Schluss findet.

Fazit:

Unterm Strich erwartet den Leser ein hervorragender Krimi aus deutschen Landen mit viel Lokalkolorit. Schnörkellos und klar geschrieben, lässt sich der kompakte Roman locker und leicht lesen. Die Spannung wird bis zum Schluss aufrechterhalten, und unterhaltsames Mörderraten ist garantiert. Ein Muss für alle Freunde von Regionalkrimis.

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