3. Juni 2012

Beutezeit - Jack Ketchum

Produktinfos:

Erscheinungsjahr: 2007
Verlag: Heyne Hardcore
Seiten: 300
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Der Autor:

Jack Ketchum, 1946 geboren, heißt eigentlich Dallas Mayr und arbeitete unter anderem auch als Schauspieler und Lehrer. "Beutezeit" ist sein Debütroman. Inzwischen hat er mehr als ein Dutzend Werke verfasst, die nach und nach auch ins Deutsche übersetzt werden sollen. 2006 erschien bereits bei Heyne Hardcore sein Roman "Evil".

Inhalt:

Drei junge Paare planen eine Urlaubswoche in einem abgelegenen Ferienhaus in Maine. Die toughe Carla ist schon früher angereist und richtet das Haus her. Sie erwartet ihren neuen Freund, den Schauspieler Jim, mit dem sie eine oberflächliche Beziehung führt, ihren Exfreund Nick, dem sie immer noch freundschaftlich verbunden ist, mit seiner neuen Flamme Laura sowie ihre ruhigere Schwester Marjie mit ihrem neuen Partner Dan. Trotz ihrer Verschiedenheit stehen sich die beiden Schwestern sehr nah.

Keiner der sechs ahnt, dass in den Wäldern der Gegend eine Gruppe verwahrloster Kannibalen haust. Männer, Frauen und Kinder, kaum der Sprache mächtig und voller Grausamkeit, leben hier versteckt in einer Höhle. Von Zeit zu Zeit entführen sie vorbeikommende Menschen, um sie zu töten und teilweise roh, teilweise am Spieß gebraten zu verzehren.

Kurz vor dem Eintreffen der drei Paare überfallen die Kannibalen eine junge Frau, die mit knapper Not entkommt und auf der Intensivstation um ihr Leben kämpft. Während die Polizei versucht, den Fall zu rekonstruieren, machen die verwahrlosten Höhlenmenschen bereits Jagd auf die neuen Urlauber ...

Bewertung:

Bereits 1981 erschien in den USA dieser Debütroman von Jack Ketchum, allerdings nur in einer zensierten und gekürzten Fassung und wurde dennoch zu einem Geheimtipp unter den hartgesottenen Horrorfans. 1999 wurde schließlich die Originalfassung veröffentlicht, und 2007 ist es nun auch in Deutschland soweit gewesen. Mit "Beutezeit" hat Ketchum die Legende um das Kannibalenoberhaupt Sawney Bean, der angeblich im 15. Jahrhundert in Schottland lebte, in die Gegenwart verlegt.

Spannung und Konsequenz

Vor allem die Konsequenz, mit der Ketchum in seinem Werk vorgeht, ist bemerkenswert. Bis zum Schluss ist völlig unvorhersehbar, wer der Beteiligten alles dieses Horror-Szenario überlebt und wer nicht. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen, die "Helden" besitzen keine Garantie, dem Inferno zu entkommen, und alle Anhänger von versöhnlichen Happy Ends müssen damit rechnen, nachhaltig verstört zu werden. Die Charaktere werden zwar nicht sehr tief ausgearbeitet, doch man erfährt genug über die drei Pärchen, um sich eindeutig auf ihre Seite zu schlagen. Da ist die energische Lektorin Carla, die sich um ihre zarte Schwester Marjorie sorgt und mit dem Kurzurlaub ihre Gefühlsleben neu ordnen will, da ist der Exfreund Nick, der die Beziehung zu Carla noch nicht überwunden hat und in Laura nur einen schwachen Ersatz sieht. Die Verhältnisse untereinander sind verworren und beinhalten einige Spannungen.

Auf der anderen Seite stehen die Kannibalen, unzivilisierte Höhlenmenschen, die in völlig asozialen Verhältnissen vegetieren und nur Kampf, Futter und Sex kennen. Selbst Kinder besitzen die Mentalität von Tieren und stehen den Erwachsenen in Sachen Brutalität in nichts nach. Weder Polizei noch Urlauber vermuten in den Wäldern Maines ein solches Relikt, in ihren Köpf ist kein Raum für eine Nische solcher Menschen, die keines von ihren Gesetzen kennen, geschweige denn respektieren. Aufgeklärtheit und Vernunft garantieren hier keine Überlegenheit gegenüber den Wilden. Für Spannung ist gesorgt, denn man fragt sich einerseits, wer der Urlauber den Trip überleben wird - wenn überhaupt -, und andererseits, ob die Polizei rechtzeitig eintrifft und weitere Grausamkeiten verhindern kann.

Gute Zusatzinfos

Zusätzlich erfreulich ist die Beigabe eines Vorwortes von Literaturkritiker und Autor Douglas E. Winter, der einige interessante Informationen und Sichtweisen zum Buch bereithält, sowie das Nachwort von Jack Ketchum, der die Unterschiede zwischen der zensierten und der unzensierten Fassung mit einigem Humor erläutert. Vorsicht ist beim Winter-Vorwort geboten, denn genau wie das Nachwort sollte man es erst nach Beendigung des Buches lesen - ansonsten wird durch Winters Analysen und Betrachtungen zu viel von der Handlung vorweggenommen.

Extreme Gewalt

Der Schwachpunkt des Romans ist gleichzeitig seine Stärke, nämlich die ungeschönte Gewaltdarstellung. Leser müssen einen soliden Magen mitbringen, um gerade die Kannibalenszenen ohne Übelkeitsgefühle lesen zu können. Der Roman bezieht seine Faszination daraus, dass der Autor mit den herkömmlichen Konventionen bricht, seine Helden den qualvollen Tod sterben lässt und leserfreundliche Kompromisse vermeidet. Mainstream-Horror-Konsumenten müssen darauf gefasst sein, dass Ketchums Werk noch mal eine Stufe unverdaulicher ist als Romane von Dean Koontz und Konsorten. Auch "Evil", das zweite bisher in Deutschland erschienenen Buch von Ketchum, rief Schock und Empörung bei der Leserschaft empor - zu Recht, denn auch hier wurde nicht mit der Darstellung von Brutalität gespart. "Evil" allerdings ließ Ekelszenen wie Kannibalismus außen vor, zudem sind in jenem Werk die psychologische Tiefe und die Charaktere ausgeprägter. "Beutezeit" hingegen ist nicht für anspruchsvolle Gemüter gedacht; der Roman soll schocken und kurzzeitig unterhalten, aber hohe Qualität bietet er definitiv nicht.

Fazit:

Sehr gewaltvoller Horrorthriller über Kannibalen, der mit Konventionen bricht und weitgehend unvorhersehbar verläuft. Keine leichte Lektüre und nichts für empfindliche Leser, dafür aber ein Geheimtipp für Horrorfans, die Lust auf einen ungewöhnlich harten und konsequenten Roman verspüren.

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