8. Juni 2012

Gruselkabinett - Carmilla, der Vampir

Produktinfos:

Erscheinungsjahr: 2004
Laufzeit: 65 Minuten
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Der Autor:

Joseph Sheridan le Fanu, 1814-1873, wuchs in Dublin auf und studierte dort zunächst Rechtswissenschaften. Anschließend widmete er sich vor allem dem Journalismus und dem literarischen Schreiben. 1838 erschien seine erste Erzählung, und er etablierte sich vor allem als Verfasser klassischer Gruselgeschichten. Weitere bekannte Werke neben "Carmilla" sind u. a. "Onkel Silas", "Das Zimmer im Fliegenden Drachen" und "Der schwarze Vorhang".

Inhalt:

1868 in der Steiermark: Laura wächst als Halbwaise im Schloss ihres Vaters auf, wohlbehütet und glücklich. Mit sechs Jahren hat sie einen seltsamen Traum von einer schönen jungen Frau in ihrem Zimmer, der sie nie mehr loslässt, und es gibt Hinweise, dass es tatsächlich Wirklichkeit war. Als sie gerade erwachsen ist, freut sie sich auf den Besuch von General Spielsdorf, einem Freund ihres Vaters, und seiner jungen Nichte Bertha, die ihr Gesellschaft leisten soll. Dann kommt aber die traurige Nachricht, dass Bertha an einer rätselhaften Krankheit verstarb.

Kurz darauf verunglückt eine Kutsche direkt vor dem Schloss, die Bewohner eilen zu Hilfe. Die Insassen sind eine vornehme Dame und ihre Tochter Carmilla, die in Lauras Alter ist. Carmilla ist bewusstlos, ihre Mutter muss aber dringend in einer diplomatischen Angelegenheit weiterreisen. Lauras Vater schlägt daraufhin vor, dass Carmilla sich die nächsten Wochen bei ihnen erholen soll, und Laura ist erfreut, nun doch Gesellschaft zu bekommen.

Als die schöne Carmilla erwacht, ist Laura zunächst erschrocken - sie sieht genauso aus wie die Dame aus ihrem Kindheitstraum. Die beiden Mädchen fühlen sich sofort eng verbunden und schließen Freundschaft. Sie verbringen glückliche Tage auf dem Schloss, aber gleichzeitig geht auch ein seltsamer Zauber von Carmilla aus. Sie scheint schlafzuwandeln, ist merkwürdig besitzergreifend gegenüber Laura und sieht einem jahrhundertealten Familienporträt verblüffend ähnlich ...

Bewertung:

Nach wie vor ist zwar Bram Stokers "Dracula" die berühmteste Vampir-Geschichte, aber Joseph Sheridan Le Fanus "Carmilla" von 1872 gehört sicherlich zu den einflussreichsten Werken dieses Genres und war nicht zuletzt auch für "Dracula" eine entscheidende Inspirationsquelle. Mit der ersten Folge der inzwischen weit fortgeschrittenen Gruselkabinett-Reihe legte Titania Medien sogleich ein fulminantes Debüt hin.

Die Geschichte um den ersten bekannten weiblichen Vampir der Literatur vereint dichte Atmosphäre, faszinierende Charaktere und eine wunderbare Mischung aus Melancholie und fesselnder Handlung. Ich-Erzählerin Laura ist eine liebenswerte Hauptfigur, mädchenhaft unschuldig, freundlich, arglos und unbeschwert. Dagegen steht die geheimnisvolle schöne Carmilla, scheinbar gleich alt wie Laura, aber dabei manchmal so viel ernster, wehmütiger und erfahrener.

Aus einer normalen Mädchenfreundschaft entwickelt sich zwischen den beiden rasch ein enges, vielschichtiges Band mit sehr subtilen homoerotischen Anspielungen. Als die beiden einmal über die Liebe sprechen, erwähnt Carmilla wie beiläufig, dass sie nie einen Mann lieben wird, sondern nur Laura dafür in Frage kommt. Laura reagiert leicht verwirrt und scheint nicht ganz zu wissen, wie ernst sie diese Aussage nehmen soll. Tatsächlich ist die ganze Geschichte frei von expliziter Sexualität, aber es ist eindeutig, dass sich Carmilla unterschwellig nicht nur platonisch zu Laura hingezogen fühlt. Auch Laura fühlt eine unerklärliche Bindung an die neue Freundin, über deren Vergangenheit sie doch kaum etwas weiß. Diese Gefühle zwischen den jungen Frauen werden sehr schön dargestellt, vor allem aber der Zwiespalt von Laura, der sie auf ewig verfolgt: die Sehnsucht nach Carmilla, die sie auf eine Art für immer lieben wird und von der sie doch rückblickend weiß, was für eine große Gefahr sie darstellte.

Bei den Sprechern gibt es nur Glanzleistungen zu verzeichnen. Manja Doering passt sehr gut zur Rolle der mädchenhaften Laura. Ihre Stimme kennt man z. B. als deutsche Version von Reese Witherspoon und aus Disneys "Schneewittchen", und sie klingt immer noch wie ein junges Mädchen. Daniela Hoffmann ist vor allem als Synchronstimme von Julia Roberts bekannt und zeigt hier, wie wandelbar sie ist: Als Carmilla spricht sie ein wenig tiefer und hat nichts von der quirligen Art vieler ihrer anderen Rollen, sondern wirkt eher verführerisch, sanft, einschmeichelnd und schwermütig. Regina Lemnitz hat kurze, aber markante Auftritte als Hauslehrerin. Ihre volltönende, dunkle Stimme, die sie auch für Whoopie Goldberg, Roseanne Barr oder Kathy Bates einsetzt, kommt gut in den dramatischen Szenen zur Geltung.

Die Schwächen halten sich bei dieser Folge sehr in Grenzen. Es ist allerdings keine wirklich gruselige Episode, mag das Cover auch etwas anderes versprechen. Es dominieren eindeutig mal Melancholie und mal Dramatik, aber unheimlich ist Carmilla eigentlich nie. Das ist gerade für die erste Folge der Gruselkabinett-Reihe etwas ungünstig, da es die Hörer abschrecken könnte, die gerade den Grusel bei der Serie suchen. Zudem erscheinen die Charaktere, vor allem Laura und ihr Vater, manchmal ein wenig zu begriffsstutzig und naiv, was Carmillas wahres Wesen betrifft.

Fazit:

Ein sehr gutes Hörspiel aus der Gruselkabinett-Reihe, das eine vor allem bewegende und melancholische Geschichte mit interessanten Charakteren erzählt. Atmosphäre und Sprecher sind hervorragend, nur der Gruselanteil fällt leider ein wenig zu gering aus.

Sprechernamen:

Laura: Manja Doering
Carmilla: Daniela Hoffmann
General: Heinz Ostermann
Mademoiselle Perrodon: Regina Lemnitz
Mademoielle de Lafontaine: Arianne Borbach
General Spielsdorf: Christian Rode
Bertha: Janina Sachau

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