4. Juni 2012

Die Winterbraut - Carola Salisbury

Produktinfos:

Ausgabe: 1992
Seiten: 287
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Die Autorin:

Carola Salisbury ist ein Pseudonym des britischen Comicbuchautors Mike Butterworth, der von 1924 bis 1986 lebte. Am bekanntesten sind wohl seine "Trigan"-Comics. Daneben schrieb er Science-Fiction-Romane, und als Carola Salisbury verfasste er romantische Schauerromane wie "Endstation Liebe", "Schloss Mallion" und "Die geheimnisvolle Erbschaft".

Inhalt:

Cornwall, 1856: Die junge Charity wächst als Waise bei ihrem geliebten Onkel Geravese auf und arbeitet als Stenografin. Schon seit langem ist sie eine leidenschaftliche Leserin und schwärmt vor allem für den Dichter Martin Revesby. Überraschend erhält sie auf ein Bewunderungsschreiben eine Antwort und es entwickelt sich ein sporadischer Briefwechsel. Zu Charitys großer Freude bietet ihr der Dichter schließlich eine Stelle als Sekretärin auf seinem frisch geerbten Schloss Malmaynes an.

Charity sagt begeistert zu und freut sich umso mehr, als sich der Dichter auch in Realität als sympathischer und attraktiver Mann entpuppt, und es fasziniert sie, mit ihm über seine Dichtungen zu reden. Doch es gibt schon bald Schattenseiten auf dem Schloss. Da ist zum einen das Dienerpaar Challis mit der dominanten Mrs. Challis, die dem früheren Herrn hinterhertrauert, der gehörlose Gärtner Jabez, vor dem sich Charity etwas fürchtet, und die Geschichte vom "Ungeheuer von Malmaynes", die die Dorfbewohner immer noch verstört. Vor zwanzig Jahren erwürgte ein Mann zwei Frauen und starb angeblich bei einem Sprung von den Klippen.

Kurz darauf erschüttert ein Mordfall das Dorf: Eine unbekannte Frau wurde erwürgt, und ihre Leiche liegt genau zwischen den Gräbern der damaligen Mordopfer. Es bleibt nicht der einzige Mord, und Charity fürchtet sich um ihr Leben. Ist etwa das "Ungeheuer von Malmaynes" zurückgekehrt, oder imitiert jemand seine Vorgehensweise? Und ist der Mörder etwa jemand aus ihrem Umfeld ...?

Bewertung:

Ein bisschen Romantik, ein bisschen Thrill und einige Elemente aus dem Genre des Schauerromans verbindet Carola Salisbury alias Mike Butterworth zu einem gelungenen Werk ohne große Schwächen.

Atmosphäre und Spannung

Der Roman enthält alle wichtigen Zutaten, aus denen sich ein Schauerroman mit einem Schuss Romantik zusammensetzt: eine junge hübsche Frau, ein attraktiver geheimnisvoller Mann, ein düsteres Schloss, undurchsichtige Dienstboten, eine schauerliche Legende, die sich um den Ort rankt, und eine Serie von Frauenmorden. Anders als in Groschenromanen, die sich auch gerne dieses Settings bedienen, ist der Verlauf nicht zu vorhersehbar und die Rollenverteilung nicht schwarz-weiß. Charity erfährt bereits vor ihrer Abreise zum Schloss durch ihren Onkel von der gruseligen Geschichte über das "Ungeheuer", und es ist klar, dass diese Legende bald eine große Rolle spielen wird, und bis zum ersten Mord dauert es nicht lange. Zwar weiß man, dass Charity als rückblickende Ich-Erzählerin nicht sterben wird, aber alle Menschen in ihrem Umfeld könnten theoretisch sowohl Opfer werden als auch Täter sein.

Es darf gerätselt werden, welches Motiv hinter den Taten steckt, ob jemand den Verdacht auf das "Ungeheuer" lenkt oder der Mörder damals tatsächlich zu Unrecht für tot gehalten wurde und wer aus Charitys Umfeld womöglich in die Geschehnisse verwickelt ist - entweder als Täter oder als jemand, der ihn deckt. Nervenkitzel ist angesagt, wenn Charity durch den Wald streift und neben sich ein Husten aus dem Gebüsch hört oder ihr jemand in die abgelegenen Teile des Schlosses folgt, und am Ende gibt es ein furioses Finale mit viel Dramatik.

Solide Charakterzeichnung

Ich-Erzählerin Charity ist zwar keine sehr ausgefeilte Figur, aber doch sehr sympathisch. Einerseits ist sie intelligent und durchaus selbstbewusst, andererseits schämt sie sich ein klein wenig für ihre backfischähnlichen Schwärmereien für den angesehen Dichter, den sie gern beeindrucken möchte. Die Liebesthematik hält sich sehr in Grenzen, im ganzen Buch kommt es zu keinem Gefühlsausbruch oder gar zu sexuellen Szenen, sondern vielmehr zu unterschwelligen emotionalen Verwicklungen, die aber nie die Haupthandlung überlagern. Da ist einmal Charity, die in ihrer Einschätzung schwankt, ob sie nun tatsächlich in Martin Revesby verliebt ist oder nur den Dichter in ihm bewundert, und die lange Zeit nicht genau weiß, als was er sieht sieht - gute Assistentin und angenehme Gesprächspartnerin oder etwa mehr.

Und dann ist da ist der reiche Nicholas Pendennis, der mit der arroganten Lady Amanda verlobt ist, Charitys Gesellschaft aber deutlich mehr schätzt und sie damit in eine unangenehme Lage bringt. Romantik hat nur einen dezenten Nebenpart in der Handlung, der sich aber gut mit der Spannungsthematik ergänzt. Haushälterin und Köchin Mrs. Challis ist eine anfangs sehr distanzierte bis abweisende Person, die erst nach und nach ein wenig auftaut, Charity aber immer noch nicht ganz geheuer ist. Ihr Mann ist ein etwas tölpelhafter Trunkenbold, der nicht mehr redet als notwendig, und gemeinsam sorgen sie bei Charity immer wieder für unwohle Gefühle. Das gilt erst recht für den anscheinend leicht schwachsinnigen und gehörlosen Gärtner, der mehr wie Tier als Mensch aussieht und sich ebenso benimmt und dem Charity möglichst aus dem Weg geht.

Für witzige Momente sorgt Charitys Onkel Geravese, mit dem sie im regelmäßigen Briefkontakt steht. Ihr Onkel ist von der Ungeheuer-Legende so fasziniert, dass er leidenschaftlich den Hobbydetektiv spielt und immer wieder neue Recherchen zutage fördert, die er seiner Nichte umgehend voller Stolz präsentiert. Darüber hinaus macht er die Bekanntschaft einer Witwe, die offenbar abwechselnd ihn und einen pensionierten Marine-Kapitän umgarnt, was er anfangs amüsiert zur Kenntnis nimmt und was später gar Ehrgeiz in ihm weckt. Lustig geht es auch bisweilen bei den Besuchen von Sergeant Buller zu, einem recht trockenen Polizisten, der sich aber sichtlich darüber freut, dass Charity scharfen Bestand beweist und sich kluge Gedanken über die Ermittlungen macht. Mit der Zeit betrachtet sie sich amüsiert als seine "Lieblingsschülerin" und fühlt sich manchmal gar wie bei einer Prüfung auf der Polizeischule.

Nur kleine Schwächen

Viele Versatzstücke und Szenen aus dem Roman erinnern an Daphne du Mauriers "Rebecca" und noch mehr an Charlotte Brontes "Jane Eyre", ohne natürlich deren Weltklasse zu erreichen. Deutlicher ins Auge fällt aber, dass das Ende nach dem großen Finale etwas zu knapp ausfällt, vor allem, was Charitys weitere Zukunft betrifft. Hier hätte man lieber einiges nur angedeutet oder einen kleinen Epilog angefügt, der die Ereignisse zusammenfasst. Ein bisschen zu schnell verläuft auch der Anfang, denn schon nach kurzer Einführung fällt Charity das Angebot des Dichters wie in den Schoß, sodass sie auf Seite 10 bereits Einzug im Schloss hält, das hätte ruhig ein bisschen realistischer gestaltet werden können. Einen ganz kleinen Schnitzer haben sich Autor und Lektor bei einem Brief Onkel Geraveses erlaubt, da er zuerst davon erzählt, Birnen aus dem Garten der Witwe geschenkt bekommen zu haben, und im nächsten Brief von Pfirsichen spricht.

Fazit:

Ein unterhaltsamer und spannender Roman mit gruseliger Atmosphäre und einer sympathischen Protagonistin. Das Werk ist zwar gewiss keine Weltliteratur und auch kein Meilenstein in Sachen Thriller, aber bei nur kleinen Schwächen für vergnügliche Lektüre bestens geeignet.

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