1. Juli 2012

Susebill tut was sie will - Marie Louise Fischer

Produktinfos:

Ausgabe: 1963
Seiten: 153
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Die Autorin:

Marie Louise Fischer, 1922-2005, zählt zu den bekanntesten Autorinnen Deutschlands. Sie studierte zunächst Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften, ehe sie als Dramaturgin in Prag arbeitete. Mit 29 Jahren erschien ihr erster Roman. Seitdem verfasste sie mehr als hundert Bücher, vorwiegend Gesellschafts- und Frauenromane. Vor allem ihre meist mehrbändigen Mädchenromane wurden zu Klassikern innerhalb der Jugendbuchliteratur, z.B. die Reihen "Ulrike", "Klaudia" und "Michaela".

Inhalt:

Susanne Sybille, genannt Susebill, ist die Mittlere von fünf Geschwistern. Natürlich liebt sie Andrea, Stefanie, Thomas und Theo, aber sie leidet darunter, dass sie fast immer die abgetragenen Kleider ihrer älteren Schwestern bekommt. Ihr Vater verdient als Tierarzt zwar nicht schlecht, aber fünf Kinder kosten viel, zudem wird auf ein Haus gespart. Susebill wünscht sich manchmal, ein Einzelkind zu sein und verwöhnt zu werden.

Für Aufmunterung sorgt der Besuch von "Tante Bettina" - keine leibliche Tante, sondern Muttis Schulfreundin, die Susebill zuletzt als kleines Mädchen gesehen hat. Susebill ist sofort beeindruckt von der mondänen "Tante", die einen reichen Mann geheiratet hat und im Luxus lebt. Tante Bettina ist allerdings ungewollt kinderlos geblieben und wünscht sich oft ein Töchterchen, das sie nach Herzenslust schick einkleiden und verwöhnen kann - am liebsten so eine Tochter wie Susebill, die sie besonders gern mag.

Kurz nach Bettinas Abreise kommt es zu einem Familienstreit und spontan schreibt Susebill ihren Kummer an Tante Bettina. Die reagiert prompt - sie bietet Susebill und deren Familie an, das Mädchen bis auf Weiteres zu sich zu nehmen. Susebill nimmt glücklich an und zieht zu Tante Bettina und Onkel Daniel in die luxuriöse Villa. Hier hat sie nicht nur ein wunderschönes eigenes Zimmer, sondern auch teure Kleider, Garten, Chauffeur und einen Swimmingpool zur Verfügung. Aber schon bald merkt Susebill, dass das neue Leben auch einige Schattenseiten birgt ...

Bewertung:

Weder ein Internat noch Schulgeschichten noch die erste Liebe sind Thema in diesem Mädchenbuch, obwohl das ansonsten Marie Louise Fischers bevorzugte Themen waren. Im Mittelpunkt stehen dagegen die familiären Probleme der etwa zwölfjährigen Susebill, die eigentlich sehr glücklich zuhause ist - wären da nicht die finanziellen Einschränkungen, die ihr zunehmend zu schaffen machen. Für ihre Eltern sind materielle Güter nicht wichtig, Susebill soll sich freuen, dass sie immer den Rückhalt der Familie hat und es zuhause dank der vielen Geschwister nicht langweilig ist. Aber für das Mädchen ist es schwer, die hämischen Kommentare der Mitschüler zu ertragen, wenn sie wieder einmal alte Kleider der Schwestern aufträgt. Auch einen Fernseher hat Familie Meixner nicht und von einem eigenen Zimmer kann Susebill nur träumen. Susebills Probleme sind für Gleichaltrige sehr nachvollziehbar. Gerne möchte sie vernünftig und bescheiden sein, aber immer geht das nicht und zu verlockend ist das Angebot, das ihr die bewunderte Tante Bettina macht.

Die Geschichte zeigt aber deutlich, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Zunächst ist Susebill überglücklich in ihrem neuen Leben. Endlich bekommt sie all das geschenkt, was sie sich wünscht, sie wird herausgeputzt und lernt das reiche Leben kennen. Aber es ist auch sehr ungewohnt für sie, plötzlich ein Einzelkind zu sein. Mehr und mehr vermisst sie ihre Geschwister, erst recht natürlich die Eltern, und fühlt sich einsam. Neue Freundschaften zu schließen ist auch nicht leicht: Die Villa liegt weit draußen, zudem fürchten die Eltern der Klassenkameradinnen, Susebills Luxus könnte die Mädchen verderben. Und Tante Bettina tut sich auch nicht leicht in der Rolle einer Mutter. Sie übt zwar keinen Beruf aus, ist aber dennoch oft unterwegs, um gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen oder Golf zu spielen. Vor allem aber sieht sie in Susebill zu oft ein Püppchen, das man herzeigen kann. Das Mädchen darf sich nicht schmutzig machen und soll auf Veranstaltungen Klavier spielen.

Immer unwohler fühlt sich Susebill in dieser Rolle, denn zuhause war alles ungezwungen und unkompliziert. Sie gerät in einen schrecklichen Zwiespalt - einerseits will sie Tante Bettina nicht enttäuschen und ihr Stolz verbietet es ihr, nach Hause zurückzukehren. Andererseits hat sie Heimweh und weiß nicht, wie lange sie dem Druck noch standhalten kann. Die Handlung ist spannend, da ständig etwas Neues passiert und Susebill ein durchaus realistischer Charakter ist: Ein alles andere als makelloses Mädchen, oft unzufrieden mit dem Leben, trotzdem unterm Strich eine durchaus liebenswerte Person. Letztendlich zeigt sich, dass Herzenswärme und ein schönes Zuhause nicht durch materielle Zuwendungen ersetzt werden können. Dabei haben sich Susebill und Tante Bettina durchaus sehr sehr lieb, aber auf Dauer passen sie nicht zueinander. Ebenso wird demonstriert, dass man einen Menschen nicht verbiegen sollte - Susebill passt nicht in die Rolle eines vornehmen Töchterchens und hat weniger Freude als gedacht am vornehmen Leben, wohingegen Tante Bettina sich das turbulente Leben im Sieben-Personen-Haushalt der Meixners nicht recht vorstellen kann.

Trotz der zeitlosen Aussage ist die Geschichte für heutige Leserinnen sicher ab und an etwas altmodisch. Dass Familie Meixner etwa keinen Fernseher hat, nicht nur aus Geldgründen, sondern weil er als überflüssiger Luxus gilt, ist für Jugendliche sicher schwer vorstellbar. Auch dass Susebill keine Freundin findet, weil ihr wohlhabendes Zuhause abschreckend wirkt, scheint etwas weit hergeholt, einfach ein bisschen zu schwarz-weiß, was für die Autorin auch nicht untypisch ist. Susebills Leben ist sicherlich auch ein bisschen klischeehaft und Tante Bettina etwas zu naiv, was Kindererziehung angeht, denn selbst als Kinderlose sollte sie etwas mehr Ahnung haben. Das Buch ist bestimmt keine hohe Kinder- oder Jugendliteratur, die Charaktere sind nicht sehr ausgefeilt - am vielschichtigsten ist eigentlich noch Onkel Daniel, der Susebill sehr viel früher durchschaut als Tante Bettina. Als leichte Lektüre aber auf jeden Fall empfehlenswert.

Fazit:


Ein leicht zu lesender Mädchenroman für Leserinnen ab etwa zehn Jahren mit einer schönen Lehre und einer Protagonistin, die sich gut als Identifikationsfigur eignet. Keine große Literatur, aber unterhaltsame Lektüre, wenngleich heute ein wenig altmodisch in manchen Belangen.

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