Produktinfos:
Ausgabe: 2010 bei Gmeiner
Seiten: 419
Amazon
Die Autorin:
Ursula Neeb, geboren 1957, Kulturwissenschaften, Geschichte und Soziologie und lebte heute als freie Autorin und Archivarin. Sie verfasste einige Essays und ein Sachbuch, ehe 2006 ihr Debütroman "Die Siechenmagd" erschien. Ihr nächstes Werk war "Der Wundermann", "Madame empfängt" ist ihr dritter Roman.
Inhalt:
Frankfurt, 1836: Das junge Dienstmädchen Gerlinde Dietz fällt einem grausamen Giftmord zum Opfer. Da die junge Mutter nebenbei heimlich als Dirne arbeitete, verfolgt die Polizei den Fall nur mit sehr mäßigem Interesse. Bald geschehen weitere Morde nach dem gleichen Schema. Hinweise von Augenzeugen deuten darauf hin, dass der Täter aus der gehobenen Gesellschaft entstammt, aber Behörden wie auch Presse verurteilen eher das verwerfliche Leben der Opfer.
Die Dichterin Sidonie Weiß, Anfang Fünfzig und unverheiratet, ist empört über die nachlässigen Ermittlungen und die Verurteilungen. Zusammen mit ihrem Jugendfreund, dem Lebemann Johann Konrad Friedrich, und dem befreundeten Arzt Heinrich Hoffmann stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an.
Sidonie lässt sich bei ihren Ermittlungen weder von Behörden noch von der feinen Gesellschaft abhalten. Allen Widrigkeiten zum Trotz versucht sie, den Giftmörder zu fassen, recherchiert in Frankfurts Halbwelt und gerät dabei immer weiter selbst in Gefahr ...
Bewertung:
Die schönen und die düsteren Seiten des biedermeierlichen Frankfurt erleben Leser in diesem Historienkrimi, der vor allem durch gelungene Charakterzeichnung besticht.
Sidonie Weiß ist die fiktive Dichterin, die man schon bald nach dem Kennenlernen ins Herz geschlossen hat. Ein kluges Fräulein mit auffälligen roten Locken, das einerseits romantische Gedichte und andererseits schauerliche Romane schreibt, die in der Frankfurter Gesellschaft weggehen wie warme Semmeln. Sidonie hadert nicht damit, niemals eine Beziehung geführt zu haben, sondern begegnet ihrem Status mit selbstironischem Spott. Sie ist eine tapfere Frau, die sich der Gerechtigkeit verschrieben hat, großherzig und scharfsinnig zugleich, ohne dabei auf Standesunterschiede zu achten. Dass auch sie ihre melancholischen Seiten hat, wird angedeutet, als die Rede auf den Dichter Friedrich Hölderlin kommt - ein ehemaliger Geliebter ihrer verstorbenen Schwester, dem einst ihr Herz gehörte, was aber immer eine unausgesprochene Sehnsucht blieb. Ihr Jugendfreund Johann Konrad Friedrich, übrigens auch eine historische, wenngleich heute fast vergessene Figur, bildet die passende Ergänzung - ein charmanter Lebemann, der sich einst in der Armee hervortat und Frauenherzen brach, ehe er sich nun auf seine alten Tage ein ruhiges Leben gönnt. Sidonies detektivischen Ermittlungen begegnet er anfangs eher mit leisem Spott, unterstützt seine Freundin dann aber, wobei es jedoch immer wieder zu Zwistigkeiten zwischen ihnen kommt - denn Sidonie geht viel zu gerne Risiken ein.
Realität und Fiktion mischen sich auch in der Gestalt des Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann. Jener Dr. Hoffmann, der heute vor allem als Verfasser des "Struwwelpeters" bekannt ist, erscheint hier als besonders liebenswerte Gestalt - ein Gelehrter, der seiner Zeit voraus ist und sich sehr für die bessere Behandlung der Geisteskranken einsetzt und zugleich seine Umwelt durch seltsamen Humor düpiert - einer seiner Spleens ist es, Vereinigungen für Freigeister wie seinesgleichen zu gründen, denen er absurde Namen gibt wie die "Tutti Frutti und ihre Bäder am Ganges". Sein Kollege Dr. Varrentrapp erklärt dem barschen Oberinspektor Brand fröhlich, dass sich jedes Mitglied nach einer Frucht benennen muss, er selbst sei die Himbeere, Hoffmann die Mirabelle und er fragt den verdutzten Inspektor, ob er nicht auch Interesse daran habe. Weitere interessante Nebenfiguren sind der transsexuelle Fridolin Brack, der gerne als "Fräulein Rosalind" leben würde, der Obergendarm Max Wilde, der deutlich vernünftiger und zugänglicher als sein Vorgesetzter agiert, die sechzehnjährige Prostituierte Thekla, der Sidonie gerne helfen möchte und nicht zuletzt die strenge "Miss", die begehrte Domina aus Madame Zinks Bordell.
Immer wieder gewährt der Roman kleine Einblicke in die zeitgenössischen Umstände, angefangen von der Polizeiarbeit über die gesellschaftlichen Konventionen bis hin zur Krankenbehandlung. Besonders reizvoll ist das Spannungsverhältnis zwischen der teilweise versnobten Oberschicht und ihrer dunklen Geheimnisse, denen Sidonie auf den Grund geht. Bei all diesen Aspekten geht die Kriminalhandlung aber zeitweise ein wenig unter. Lange Zeit beschränken sich Sidonies Ermittlungen auf Befragungen und obwohl sie dem Täter auf die Schliche kommt, wird er schließlich ohne ihr Zutun endgültig überführt, was etwas enttäuschend ist nach all der Mühe. Etwas zwiespältig ist der Epilog: Bei den meisten Figuren ist es interessant, dass noch ein paar Sätze zu ihrem weiteren Lebensweg fallen, teilweise, auch bei Sidonie, sind es aber gravierende Ereignisse, die mehr Raum als diese paar Zeilen verdient hätten.
Fazit:
Ein gelungener Historienkrimi mit sehr sympathischer Hauptfigur und interessanten Nebenfiguren. Die Geschichte ist atmosphärisch und gibt ein anschauliches Porträt der Biedermeierzeit wieder. Die Kriminalhandlung verläuft teilweise ein klein wenig schleppend und die Auflösung könnte noch besser konstruiert sein, was den Gesamteindruck aber nur wenig schmälert.
Ausgabe: 2010 bei Gmeiner
Seiten: 419
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Die Autorin:
Ursula Neeb, geboren 1957, Kulturwissenschaften, Geschichte und Soziologie und lebte heute als freie Autorin und Archivarin. Sie verfasste einige Essays und ein Sachbuch, ehe 2006 ihr Debütroman "Die Siechenmagd" erschien. Ihr nächstes Werk war "Der Wundermann", "Madame empfängt" ist ihr dritter Roman.
Inhalt:
Frankfurt, 1836: Das junge Dienstmädchen Gerlinde Dietz fällt einem grausamen Giftmord zum Opfer. Da die junge Mutter nebenbei heimlich als Dirne arbeitete, verfolgt die Polizei den Fall nur mit sehr mäßigem Interesse. Bald geschehen weitere Morde nach dem gleichen Schema. Hinweise von Augenzeugen deuten darauf hin, dass der Täter aus der gehobenen Gesellschaft entstammt, aber Behörden wie auch Presse verurteilen eher das verwerfliche Leben der Opfer.
Die Dichterin Sidonie Weiß, Anfang Fünfzig und unverheiratet, ist empört über die nachlässigen Ermittlungen und die Verurteilungen. Zusammen mit ihrem Jugendfreund, dem Lebemann Johann Konrad Friedrich, und dem befreundeten Arzt Heinrich Hoffmann stellt sie auf eigene Faust Nachforschungen an.
Sidonie lässt sich bei ihren Ermittlungen weder von Behörden noch von der feinen Gesellschaft abhalten. Allen Widrigkeiten zum Trotz versucht sie, den Giftmörder zu fassen, recherchiert in Frankfurts Halbwelt und gerät dabei immer weiter selbst in Gefahr ...
Bewertung:
Die schönen und die düsteren Seiten des biedermeierlichen Frankfurt erleben Leser in diesem Historienkrimi, der vor allem durch gelungene Charakterzeichnung besticht.
Sidonie Weiß ist die fiktive Dichterin, die man schon bald nach dem Kennenlernen ins Herz geschlossen hat. Ein kluges Fräulein mit auffälligen roten Locken, das einerseits romantische Gedichte und andererseits schauerliche Romane schreibt, die in der Frankfurter Gesellschaft weggehen wie warme Semmeln. Sidonie hadert nicht damit, niemals eine Beziehung geführt zu haben, sondern begegnet ihrem Status mit selbstironischem Spott. Sie ist eine tapfere Frau, die sich der Gerechtigkeit verschrieben hat, großherzig und scharfsinnig zugleich, ohne dabei auf Standesunterschiede zu achten. Dass auch sie ihre melancholischen Seiten hat, wird angedeutet, als die Rede auf den Dichter Friedrich Hölderlin kommt - ein ehemaliger Geliebter ihrer verstorbenen Schwester, dem einst ihr Herz gehörte, was aber immer eine unausgesprochene Sehnsucht blieb. Ihr Jugendfreund Johann Konrad Friedrich, übrigens auch eine historische, wenngleich heute fast vergessene Figur, bildet die passende Ergänzung - ein charmanter Lebemann, der sich einst in der Armee hervortat und Frauenherzen brach, ehe er sich nun auf seine alten Tage ein ruhiges Leben gönnt. Sidonies detektivischen Ermittlungen begegnet er anfangs eher mit leisem Spott, unterstützt seine Freundin dann aber, wobei es jedoch immer wieder zu Zwistigkeiten zwischen ihnen kommt - denn Sidonie geht viel zu gerne Risiken ein.
Realität und Fiktion mischen sich auch in der Gestalt des Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann. Jener Dr. Hoffmann, der heute vor allem als Verfasser des "Struwwelpeters" bekannt ist, erscheint hier als besonders liebenswerte Gestalt - ein Gelehrter, der seiner Zeit voraus ist und sich sehr für die bessere Behandlung der Geisteskranken einsetzt und zugleich seine Umwelt durch seltsamen Humor düpiert - einer seiner Spleens ist es, Vereinigungen für Freigeister wie seinesgleichen zu gründen, denen er absurde Namen gibt wie die "Tutti Frutti und ihre Bäder am Ganges". Sein Kollege Dr. Varrentrapp erklärt dem barschen Oberinspektor Brand fröhlich, dass sich jedes Mitglied nach einer Frucht benennen muss, er selbst sei die Himbeere, Hoffmann die Mirabelle und er fragt den verdutzten Inspektor, ob er nicht auch Interesse daran habe. Weitere interessante Nebenfiguren sind der transsexuelle Fridolin Brack, der gerne als "Fräulein Rosalind" leben würde, der Obergendarm Max Wilde, der deutlich vernünftiger und zugänglicher als sein Vorgesetzter agiert, die sechzehnjährige Prostituierte Thekla, der Sidonie gerne helfen möchte und nicht zuletzt die strenge "Miss", die begehrte Domina aus Madame Zinks Bordell.
Immer wieder gewährt der Roman kleine Einblicke in die zeitgenössischen Umstände, angefangen von der Polizeiarbeit über die gesellschaftlichen Konventionen bis hin zur Krankenbehandlung. Besonders reizvoll ist das Spannungsverhältnis zwischen der teilweise versnobten Oberschicht und ihrer dunklen Geheimnisse, denen Sidonie auf den Grund geht. Bei all diesen Aspekten geht die Kriminalhandlung aber zeitweise ein wenig unter. Lange Zeit beschränken sich Sidonies Ermittlungen auf Befragungen und obwohl sie dem Täter auf die Schliche kommt, wird er schließlich ohne ihr Zutun endgültig überführt, was etwas enttäuschend ist nach all der Mühe. Etwas zwiespältig ist der Epilog: Bei den meisten Figuren ist es interessant, dass noch ein paar Sätze zu ihrem weiteren Lebensweg fallen, teilweise, auch bei Sidonie, sind es aber gravierende Ereignisse, die mehr Raum als diese paar Zeilen verdient hätten.
Fazit:
Ein gelungener Historienkrimi mit sehr sympathischer Hauptfigur und interessanten Nebenfiguren. Die Geschichte ist atmosphärisch und gibt ein anschauliches Porträt der Biedermeierzeit wieder. Die Kriminalhandlung verläuft teilweise ein klein wenig schleppend und die Auflösung könnte noch besser konstruiert sein, was den Gesamteindruck aber nur wenig schmälert.
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