10. Juli 2012

Schwarze Spuren - Paul Bajoria

Produktinfos:

Ausgabe: 2005
Seiten: 363
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Der Autor:

Paul Bajoria, Jahrgang 1964, stammt aus dem Nordosten Englands, in dem den Großteil seiner Jugend verbrachte. Er studierte zunächst in Oxford und Toronto und arbeitete u.a. als Reporter und Produzent von Filmen und Dokumentationen, ehe er mit "Schwarze Spuren" seinen ersten Roman veröffentlichte. Teil 2 und 3 der Trilogie sind in Deutschland bisher noch nicht erschienen.

Inhalt:

London im 19. Jahrhundert: Seit der zwölfjährige Mog aus dem Waisenhaus ausgerissen ist, arbeitet er bei Mr. Cramplock in der Druckerei als Helfer. Er verdient sich so das Nötigste zum Leben und hat über dem Geschäft ein kleines Zimmer für sich. Sein bester und einziger richtiger Freund ist sein Hund Klimper. Eines Tages bekommt Mog den Auftrag, Steckbriefe für den gefährlichen ausgebrochenen Häftling Cockburn anzufertigen. Anschließend soll er spätabends einem gewissen Mr. Flethick eine Rechnung überbringen.

Mr. Flethick allerdings ist ein unangenehmer Mann mit nicht weniger düsteren Freunden bei sich, der die Rechnung einfach zerreißt. Zudem wird Mog Zeuge eines seltsames Gesprächs, das sich um die "Sonne von Kalkutta" und Reichtümer dreht. In seinem Stamm-Gasthaus erfährt Mog, dass es sich bei der "Sonne von Kalkutta" um ein Schiff handelt, das Kostbarkeiten aus dem Orient geladen hat. Außerdem glaubt jemand, dass der gesuchte Häftling Cockburn kürzlich bereits gehängt wurde.

Mog ist neugierig und schleicht sich zum Hafen auf das Schiff - und schon steckt er mitten in einem Verbrechen, das ihm das Leben kosten kann. Er lernt den gleichaltrigen Nick kennen, dessen zwielichtiger Vater, der Maat, in die Geschichte verwickelt ist. Alles scheint sich um eine kleine Kamelfigur zu drehen, die irgendeinen geheimen Wert besitzen muss. Schon bald werden die beiden Jungen von einer Reihe Männer verfolgt, die sie als unliebsame Zeugen beseitigen wollen ...

Bewertung:

Paul Bajorias Debütroman ist gleichzeitig der Auftakt einer Trilogie, von der in Deutschland leider bislang nur der erste Teil erhältlich ist.

Spannung und Atmosphäre

Die Handlung vereint alle wichtigen Elemente, die zu einem Abenteuerbuch, das im viktorianischen London spielt, gehören: Dunkle Gassen, Verbrecher, Spelunken, Armutsviertel und Hungerleider und ein tapferer Waisenjunge, der in einen Verschwörung gerät und dem Geheimnis seiner Herkunft auf die Spur kommt. Das historische London wird vor den Augen des Lesers lebendig und wird auch für jugendliche Leser nicht beschönigend dargestellt. Die Kriminalhandlung ist sehr ausgeklügelt und braucht ihren Raum, um sich zu entfalten. Die Bedeutung des Gesprächs, das Mog belauscht, klärt sich erst nach und nach, man rätselt, was es mit dem Kamel auf sich hat, das von den Verbrechern so hoch geschätzt wird, man fragt sich, welche Rolle der Häftling Cockburn spielt, durch den alles seinen Anfang nahm und wer schließlich der Mann aus Kalkutta ist, der Mog immer zu verfolgen scheint und ihm seltsame Nachrichten zukommen lässt.

Gemeinsam mit seinem neuen Freund Nick gerät Mog von einer brenzligen Lage in die nächste, aus der sie sich oft nur mühsam befreien können. Mog weiß letztlich kaum noch, wem er vertrauen kann, denn es gibt Hinweise, dass auch sein Arbeitgeber Mr. Cramplock in die Machenschaften verwickelt sein könnte. Vor allem das Leben eines Waisenjungen und die Armutsschilderungen erinnern an die Romane von Charles Dickens, auch wenn das Buch nicht ganz dessen literarische Tiefe erreicht. Für Spannung und abenteuerliche Atmosphäre ist aber gesorgt und die Handlung ist für Kinder genauso interessant wie für Erwachsene.

Gelungene Charaktere

Mog ist der Held des Buches und dabei ein ganz normaler Junge, der nur in eine außergewöhnliche Situation gerät. Sehr liebenswert gestaltet ist seine Beziehung zu seinem Hund "Klimper", der lange Zeit sein einziger Freund ist und mit dem er sich wie mit einem Menschen unterhält. Mog ist ein pfiffiges Kerlchen, mutig aber kein abgehobener Held und dabei die ideale Identifikationsfigur für gleichaltrige Leser. Nick, der Sohn des gemeingefährlichen Maats, ist zwar kein Waisenkind, aber trotzdem unglücklicher als Mog und etwas zurückhaltender in den waghalsigen Aktionen und nicht immer glücklich über Mogs Einfälle.

Ein wunderbarer Charakter ist der kleinwüchsige Mr. Spintwice, ein exzentrischer Feingeist, der mit hunderten von Uhren in einem entzückenden Häuschen lebt und Nick die Geborgenheit vermittelt, die er in seinem Elternhaus nie bekommen hat. Die Bösewichte der Handlung sind so finster, wie man sie nur in viktorianischen Romanen findet; schmierige Gestalten, die sich in verrufenen Tavernen, Opiumhöhlen und am Hafen herumtreiben und sich für kein Verbrechen zu schade sind. Angenehm undurchsichtig wird Mogs Arbeitgeber Mr. Cramplock geschildert; ein bisschen distanziert, wenngleich recht freigiebig und Mog ist sich später gar nicht mehr so sicher, ob er ihm noch trauen darf.

Ein paar Schwächen

Am störendsten fällt ins Gewicht, dass der Roman sehr abrupt endet und nicht alle Fragen geklärt werden, vor allem, was Mogs Herkunft betrifft, aber auch Dinge, die die Verschwörung betreffen, etwa nähere Informationen zu dem Mann aus Kalkutta. Das liegt daran, dass es sich um den ersten Teil einer Trilogie handelt, die im Original bereits fertiggestellt ist - doch auf Deutsch sind die Teile zwei bis drei noch nicht in Sicht und "Schwarze Spuren" gehört nicht zu den Romanen, die auch ganz für sich allein stehen können. Dessen sollte sich der Leser vor der Lektüre bewusst sein, sonst ist die Enttäuschung groß. Zudem ist die Handlung recht verworren, Atempausen für Protagonisten oder Leser gibt es kaum, ständig passiert etwas Neues und es ist gar nicht so leicht, den Überblick über all die Ganoven und ihre Absichten zu behalten. Etwas zwiespältig ist außerdem eine Wendung, die sich am Ende der Geschichte ergibt, die nicht nur Mogs Freund Nick, sondern auch den Leser überrascht und die etwas zu plötzlich aus dem Ärmel gezaubert wird - besser wäre gewesen, den Leser von Anfang an darin einzuweihen und nur die anderen Charaktere damit zu überraschen.

Fazit:


Ein spannender und atmosphärischer Jugendroman, der im viktorianischen London spielt und auch durch sympathische Hauptcharaktere punktet. Allerdings bleiben am Ende einige offene Fragen und die weiteren Teile sind nicht in Deutsch erhältlich; zudem ist die Handlung teilweise etwas zu verworren und überladen, sodass man eine gewisse Konzentration braucht, um den Überblick zu behalten. Knappe vier Sterne und eine Leseempfehlung für alle, die abenteuerliche Geschichten aus dem 19. Jahrhundert mögen.

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