6. Juli 2012

Mathilda Savitch - Victor Lodato

Produktinfos:

Ausgabe: 2009
Seiten: 299
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Der Autor:

Victor Lodato arbeitete nach seinem Studium zunächst als Theaterautor und erhielt für seine Werke zahlreiche Preise und Auszeichnungen wie den Fellowships der Guggenheim Foundation. Mit seinem Debütroman "Mathilda Savitch", an dem er sechs Jahre lang schrieb, gelang ihm auf Anhieb der internationale Durchbruch als Romanautor.

Inhalt:

Vor wenigen Monaten hat die dreizehnjährige Mathilda ihre Schwester Helene verloren. Das sechzehnjährige Mädchen wurde von einem Zug überfahren, nachdem sie angeblich jemand vom Bahnsteig stieß. Die Ermittlungen verlaufen aber im Sande und allgemein wird angenommen, dass Helene Selbstmord begangen hat.

Mathildas Eltern sprechen wenig über Helene und versuchen ihren Tod zu verdrängen. Mathilda aber will unbedingt auf eigene Faust herausfinden, wer der Mörder ihrer Schwester ist. Lediglich ein paar Briefe deuten auf frühere Affären der Schwester hin, doch es gibt weder einen Verdächtigen noch weiß man, warum sie damals mit dem Zug nach Desmond fahren wollte.

Nach endlosen Versuchen gelingt es Mathilda eines Tages, Helenes E-Mail-Konto zu knacken. Im Namen ihrer Schwester sucht sie den Kontakt zu deren letzten Freund, der offenbar noch nichts von ihrem Tod weiß - hat er trotzdem etwas mit ihrem Tod zu tun? Mathilda beschließt, ihn einfach aufzusuchen ...

Bewertung:

Ein dreizehnjähriges Mädchen, das den vermeintlichen Mörder seiner Schwester sucht, ist ein außergewöhnlicher Plot und die Titelfigur vor allem eine außergewöhnliche Person.

Mathilda Savitch, die als Ich-Erzählerin den Leser immer wieder miteinbezieht, ist nicht unbedingt das, was man sympathisch nennt. Gleich zu Beginn stellt sie klar, dass sie gerne lügt und Gemeinheiten ausheckt, zudem treibt sie ihre Eltern an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Auf der anderen Seite bietet Mathilda den Einblick in die zerrissene und traumatisierte Seele einer Heranwachsenenden, die bei all ihren Schwachheiten auch Mitgefühl weckt. Die schöne Helene mit ihrem feuerroten Haar hinterlässt eine klaffende Lücke im Leben der kleinen Schwester, die auch ein Jahr nach deren Tod nicht einen Zentimeter geschlossen ist. Mit Helene scheinen auch die Eltern gestorben zu sein, die sich bemühen, ein nach außen hin normales Leben weiterzuführen, doch Mathilda kann nicht mehr zu ihnen durchdringen. Nicht nur der verlust ihrer Schwester verwirrt sie, auch die zunehmenden Terrornachrichten rund um den elften September, die die Erwachsenen bewegen, verunsichern sie und bei allem altklugen Gehabe ist sie ein Teenager, der sich allmählich mit Liebe und Sexualität befasst. Mit der hübschen aber naiven Anna verbindet sie eine nicht ganz einfache Freundschaft, ganz zu schweigen vom blauhaarigen Kevin, der eine seltsame Faszination auf sie ausübt. Mathildas vielschichtiger Charakter sorgt beim Leser mal für Kopfschütteln, wenn sie sich mal wieder völlig undiplomatisch verhält aber ebenso für Amusement, da ihre gnadenlos offene Art oft unfrewillig witzig wirkt - etwa wenn sie in einer Kirche, die als Nicht-Katholikin fremd ist, all ihre Sorgen ungehemmt der hölzernen Christus-Figur erzählt und einer Ordensschwester erklärt, dass sie extra laut spricht, damit er sie auch versteht.

Obwohl Helene zum Zeitpunkt der Handlung bereits seit Monaten tot ist, erhält der Leser ein detailliertes Bild von ihrer Person aus Mathildas Erinnerungen. Der geheimnisvolle Teenager war offenbar eine frühreife junge Frau, hatte einige Affären und zog mit Charisma und feuerroten Haaren seine Umwelt in den Bann. Nichts scheint einen Selbstmord erkären zu können und so ist Mathilda fest davon überzeugt, dass sie den Mörder finden muss und vermutet ihn unter Helenes Männerbekanntschaften. Ab der Mitte des Buches gewinnt die Handlung an Spannung, als Mathgilda einen Überraschungsbesuch bei "Louis" plant, der Helenes letzter Liebhaber gewesen zu sein scheint. Für eine Dreizehnjährige bedeutet die Fahrt in eine fremde Stadt zu einem Unbekannten ein großes Risiko, aber Mathilda ist niemand, der sich von Risiken abschrecken lässt. Ohne genauen Plan, was sie sagen will, macht sie sich auf den Weg und auch der Leser fiebert den Antworten entgegen, die sie bei Louis möglicherweise finden wird.

Zu den Schwächen des Romans gehört sicher, dass die Hintergründe über Helenes Tod erst in der Mitte der Handlung in den Fokus rücken und ihr Schicksal, so viel darf verraten werden, letztlich unspektakulärer ist als gedacht. Der rein kriminologische Teil ist eher belanglos, Mathilda kommt zwar einem Geheimnis auf die Spur, das mit Helenes Tod zusammenhängt, aber der Leser ahnt diesen Grund zu früh, um überrascht zu werden. Als Krimi oder Thriller enttäuscht der Roman, stattdessen bietet er ein ausgefallenes und tragikkomisches Porträt eines ungewöhnlichen Mädchens auf der Schwelle zur Jugendlichen. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist außerdem der Stil. Mathilda spricht häufig in kurzen, abgehackten Sätzen, macht einem Monolog gemäß Gedankensprünge und auch dass sie immer wieder eine Bemerkung direkt an den Leser richtet, ist nicht jedermanns Geschmack.

Fazit:

Ein origineller Roman für Jugendliche und Erwachsene, der das Porträt eines jungen Mädchens zeigt. Die Handlung ist durchaus bewegend und zwischendurch witzig, der Spannungsfaktor komtm allerdings erst spät ins Spiel und die Auflösung ist verhältnismäßig unspektakulär.

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