7. Juli 2012

Es scheint die Sonne noch so schön - Barbara Vine

Produktinfos:

Ausgabe: 1989
Seiten: 468
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Die Autorin:

Barbara Vine ist das Pseudonym von Ruth Rendell. Rendell wurde 1930 in London geboren und arbeitete zunächst als Journalistin, ehe sie in ihrer Ehe nach dem ersten Kind mit dem literarischen Schreiben begann. Ihr Debüt war "Alles Liebe vom Tod", der erste Roman der Inspektor-Wexford-Reihe, die inzwischen über 20 Bände umfasst. Unter dem Pseudonym Barbara Vine verfasst sie Psychothriller. Sie gilt als einer der wichtigsten Vertreter des psychologischen Krimis und erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den Edgar-Allan-Poe-Award und den Gold Dagger. Weitere Werke sind u.a.: "Haus der Stufen", "Astas Tagebuch", "Schwefelhochzeit" und "Aus der Welt".

Inhalt:

Ein heißer Sommer im Jahr 1976: Völlig überraschend erbt der neunzehnjährige Adam das Anwesen seines Großonkels in Suffolk. Da er weder Geld noch Lust dazu hat, das Haus und das Grundstück zu unterhalten, will er das Anwesen bald verkaufen. Vorher aber verbringt er mit einer Handvoll Freunde dort einen kurzen Sommerurlaub. Mit dabei sind sein bester Freund, der Medizinstudent Rufus, der indischstämmige Shiva, dessen spirituelle Freundin Vivien und die kindliche Zosie.

Die Freunde leben zusammen als sorglose Kommune. Sie trinken viel Alkohol, leben gemütlich in den Tag hinein und Nesthäkchen Zosie wird erst Rufus' und später Adams Geliebte. Am Ende des Aufenthalts geschieht jedoch etwas, das ihr aller Leben von Grund auf ändert. Anschließend gehen sie auseinander, ohne den Kontakt zu halten und versuchen, das Geschehene zu verdrängen.

Zehn Jahre später: Der neue Besitzers des Anwesens begräbt seinen eingeschläferten Hund auf dem alten Tierfriedhof auf seinem Grundstück. Beim Ausgraben stößt er auf zwei Skelette - das eines Säuglings und das einer jungen Frau. Die Untersuchungen ergeben, dass beide Personen vor neun bis zwölf Jahren gestorben sein müssen. Die Polizei wendet sich an Adam - der jetzt von seiner Vergangenheit eingeholt wird ...

Bewertung:

Barbara Vine alias Ruth Rendell wird nicht umsonst gerne mit Patricia Highsmith verglichen, denn genau wie jene Autoren stellt sie gerne die Abgründe der menschlichen Seele in den Vordergrund.

Spannung bis zum Schluss

Die Handlung wird parallel auf zwei Ebenen erzählt und fesselt sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Der Leser weiß anfangs nur, dass Adam und seine Freunde in den Tod der jungen Frau und des Säuglings verwickelt sind - und mehr auch nicht. Erst Stück für Stück enthüllt sich in Rückblicken, was alles in jenem heißen Sommer des Jahres 1976 auf dem Anwesen Wyvis Hall geschehen ist. Der personale Erzähler greift dabei vor allem Adams Perspektive auf, wechselt aber auch zu Rufus und Shiva und fügt ihre düsteren Erinnerungen zu einem verstörenden Bild zusammen. In der Gegenwart dreht sich alles um die Frage, ob die Polizei bei ihren Ermittlungen die Identität der Toten feststellen kann und vor allem, ob sie die Hintergründe aufklären werden. Adam als ehemaliger Hausbesitzer wird natürlich als erstes befragt und er spielt seinen Aufenthalt auf ein bis zwei Wochen herunter, die er allein auf Wyvis Hall verbracht haben will, um nicht widersprüchliche Aussagen durch seine ehemaligen Freunde zu riskieren. Tatsächlich aber fallen ihm nach und nach immer mehr Leute ein, die damals mitbekommen haben müssten, dass er nicht allein dort gewohnt hat, sei es die Postbotin, der Gärtner, der Antiquitätenhändler im Dorf, den sie mehrfach aufsuchten, oder der Kammerjäger. Wie gut sich diese Leute noch an die Bewohner von Wyvis Hall erinnern können, ist fraglich, für Adam aber eine stete Gefahr. Bis zu den letzten Seiten bleibt die Spannung erhalten, denn Wendungen sind jederzeit möglich und noch in den letzten Sätzen liegt eine kleine Pointe.

Gelungene Charaktere

Es gelingt der Autorin gut, die drückende Atmosphäre des heißen Sommers einzufangen. Die Bewohner von Wyvis Hall sind sich zunächst fast alle fremd, eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft mit grundverschiedenen Charakteren, die im Laufe der Zeit auch einige Konflikte durchleben. Da ist einmal Adam, dessen Vater ihm nie verzeihen konnte, dass Adam das Anwesen erbte, offenbar eine Art Rache des hinterlistigen Onkels, dem es widerstrebte, Adams unterwürfigen Vater zu beerben. Heute führt Adam zwar nach außen hin ein solides Familienleben, doch die Fassade bröckelt. Mit seiner Frau Anne kommt es immer häufiger zu Streitigkeiten, seine kleine Tochter Abigail fürchtet er ständig zu verlieren, was sich zu einer Panikstörung manifestiert hat.

Sein ehemals bester Freund Rufus ist heute ein erfolgreicher Gynäkologe, der seit der Skelettfunde um seine Karriere fürchtet und um jeden Preis aus der Sache rausgehalten werden will. In den Rückblicken erscheint Rufus als durchtriebener Charakter, der sich weit weniger kameradschaftlich zeigt als von Adam erhofft. Dann sind da noch Shiva und seine neue Freundin, die spirituell interessierte Vivien. Der indischstämmige Shiva ist vom Lotterleben auf Wyvis Hall peinlich berührt und verkörpert lange Zeit die Vernunftseite, ehe er ungewollt eine Schuld auf sich lädt, die er nie mehr los wird. Die Letzte im Bunde ist die junge Zosie, eine Kindfrau voller Geheimnisse. Sie erzählt wirre Geschichten über ihre Vergangenheit, verhält sich mal trotzig wie ein Kleinkind und ist mal willenlose Geliebte. Sie klammert sich an Adam, der ihr vorzeitig seine Liebe erklärt und sorgt mit ihren psychischen Aussetzern dafür, dass die Misere ihren Anfang nimmt.

Kaum Schwächen

Zu den ganz wenigen Schwachpunkten des Romans gehört, dass Shivas Schicksal etwas enttäuschend verläuft und eine Wendung nimmt, die etwas zu weit von der eigentlichen Handlung wegführt. Fraglich ist auch, weshalb es ihn so sehr wundert, dass weder Adam noch Rufus ihn kontaktieren, da beide seinen Nachnamen nicht mehr wissen und das Shiva sich eigentlich denken könnte - schließlich hatten sie bis auf die kurze Zeit in Wyvis Hall nichts mit ihm zu tun und sich von Anfang an nur mit den Vornamen angesprochen, zumal Shiva als Inder einen komplizierten Namen trägt. Die Pointe ganz zum Schluss ist zwar geschickt, wird aber schon ein paar Seiten zuvor erahnt. Vor allem jedoch bleibt offen, wie eine Person es über all die Jahre geschafft hat, so viel darf verraten werden, ihre Identität zu verschleiern.

Fazit:

Ein gelungener Thriller, der auf zwei Handlungsebenen von Anfang bis Ende fesselt. Das Thema ist interessant, die Charaktere überzeugen und es gibt nur kleine Schwächen, die sich gegen Ende einschleichen, die den Gesamteindruck aber kaum trüben.

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