6. Juli 2012

Schlampi reißt aus - Britta Palmen

Produktinfos:

Ausgabe: 1971
Seiten: 96
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Die Autorin:

Britta Palmen hat neben "Schlampi reißt aus" von 1971 noch die Fortsetzung "Schlampi auf Gut Rosenheim" verfasst. Darüber hinaus ist leider so gut wie nichts über sie zu erfahren.

Inhalt:

Die zehnjährige Theodosia lebt seit langer Zeit in einem Waisenhaus. Da sie ausgesprochen unordentlich ist und ihren Namen ohnehin nicht mag, nennen sie alle auf ihren Wunsch hin nur liebevoll "Schlampi". Schlampi ist allerdings sehr unglücklich im Waisenhaus. Zu gerne möchte sie endlich in einer richtigen Familie leben, aber bisher hat sich noch kein Elternpaar für sie entschieden.

Eines Tages beschließt Schlampi, auszureißen und sich auf eigene Faust neue Eltern zu suchen. Sie schnürt sich ihr Bündel mit ihren wenigen Habseligkeiten und schleicht sich davon. Sie hofft, schon bald jemandem zu begegnen, der ihr etwas zu essen gibt oder sie sogar bei sich aufnimmt. Das verläuft aber schwieriger als gedacht und natürlich wird sie schon bald in der Zeitung gesucht.

Das nette und reiche Ehepaar Rosenheim liest den Artikel beim Frühstück und Herr Rosenheim ist sofort begeistert von Schlampi. Schon seit langem denken er und seine Frau daran, ein Mädchen zu adoptieren und beschließen, Schlampi kennenzulernen. Unterdessen wird Schlampi sogar des Diebstahls verdächtigt und ins Heim zurückgeschickt, ehe sie zur Probe auf den Gutshof kommt. Frau Rosenheim ist zunächst skeptisch, denn Schlampi scheint nicht recht in diese vornehme Welt zu passen. Trotzdem versuchen sie es - und auf Schlampi wartet eine aufregende Zeit ...

Bewertung:

Ein Kinderbuch mit dem Wort "Schlampi" im Titel klingt zunächst einmal irritierend - aber schnell merkt man, dass dieser Spitzname einfach viel besser zu dem burschikosen Mädel passt, das immer seinen Kopf durchsetzen will.

Liebenswerte Protagonistin

Schlampi ist eine sehr sympathische Figur mit jeder Menge Ecken und Kanten, gleichzeitig aber natürlich mit einem guten Herz. Sie mag Hosen tausendmal lieber als Kleider, liebt es auf Bäume zu klettern und sich schmutzig zu machen, trägt die Haare zu einem praktischen Pagenkopf und treibt sich überhaupt am liebsten in der freien Natur herum. Kein Wunder, dass der kleine Wirbelwind im Kinderheim immer wieder aneckt und die Erzieherinnen nur noch ein resignierendes "Ach Schlampi ..." übrig haben. Schlampi ist alles andere als dumm, handelt aber oft vorschnell und besitzt vor allem ein recht flottes Mundwerk. Für Kinder ist sie eine geeignete Identifikationsfigur, denn sie stellt so mancherlei an, meint es aber nie böse. Ungefähr alle fünf Seiten gibt es eine schwarz-weiße Federzeichnung zum Geschehen und Schlampi sieht sehr einnehmend darauf aus mit ihren kurzen, immer etwas unordentlichen Haaren, der Jungenkleidung und dem pfiffigen Gesichtsausdruck. Ein weiterer Pluspunkt ist der leichte Stil, der nie eintönig wird und dennoch Grundschulkinder nicht überfordert.

Die Handlung ist für Kinder in Schlampis Alter spannend und lehrreich zugleich. Schlampi muss sich eine ganze Weile alleine durchschlagen, schließt neue Bekanntschaften und auch ihr neues Leben auf dem Gut hält einige Überraschungen bereit - denn sie tut sich tatsächlich sehr schwer, sich in diese Welt einzufügen. Schlampis neue Mutter ist eine recht sensible Frau, die das Mädchen zwar von Herzen gern hat, sich aber eigentlich immer eine etwas püppchenhaftere Tochter gewünscht hätte. So müssen beide lernen, ab und zu Kompromisse zu schließen: Schlampi trägt ihrer neuen Mama zuliebe ab und zu zu besonderen Anlässen ein "Teepuppenkleid", während Renate Rosenheim den wilden Charakter ihrer neuen Tochter schätzen lernt, der ihren Mann wiederum von Anfang an begeistert hat. Kinder lernen, dass Ehrlichkeit wichtig ist, dass man trotz und gerade mit seinen Schwächen liebenswert ist und dass man sich nicht verstellen sollte - dass es aber auch erforderlich ist, vor dem Handeln nachzudenken und auch mal Kompromisse zu schließen, wenn man mit seinen Mitmenschen auskommen will. Die kleine Schlampi wird also nicht umgekrempelt, sondern nur ein wenig auf den rechten Pfad geführt.

Das Leben auf dem Gutshof bringt natürlich einige Privilegien: Schlampi hat ein großes Zimmer mit allem Komfort und es wimmelt dort nur so von Tieren, von Hunden über Pferde und Schweine bis hin zu einem sprechenden Papagei. Aber Schlampi muss sich auch erst daran gewöhnen, dass es hier unendlich viele vornehme Dinge gibt, die kaputt gehen könnten und dass sie ständig von Dienstboten umgeben ist, von denen sie sich auch mit einer anfangs gar nicht versteht. Ihre Eltern bekommen oft Besuch von feinen Leuten und diese fremde Welt schüchtert das Mädchen erst einmal ein. Auch neue Freundinnen findet sie hier durch Bekannte ihrer Eltern, doch auch diese beiden Mädchen können anfangs nicht viel mit ihr anfangen, denn die vorlaute Schlampi, die am liebsten Pulli und Nietenhose trägt, ist gar nicht ihre Welt. Trotzdem werden Schlampi und die Schwestern Katja und Silke - oder "Jatka" und "Kilse", wie Schlampi sie nennt - bald enge Freundinnen, trotz ihrer verschiedenen Herkünfte.

Wenige Mankos

Schwächen gibt es nicht viele, aber doch ein paar. Selbst für ein Kinderbuch ist es an manchen Stellen zu simpel gehalten. Das fängt schon damit an, dass Herr Rosenheim nur den Artikel über die ausgerissene Schlampi liest und ihr Bild sieht, damit er zu seiner Frau sagt, dass er den Stromer adoptieren will. Natürlich kann die ganze rechtliche Seite hier nicht so ausgebreitet werden, wie das in der Realität der Fall wäre, aber es ist dennoch sehr übertrieben, dass Schlampi im Grunde schon neue Eltern hat, bevor man sich überhaupt persönlich kennengelernt hat. Etwas schade ist zudem, dass man so gut wie nichts über Schlampis früheres Leben erfährt, seit wann genau sie im Heim ist und wer ihre Eltern waren. Für sensible Kinder ist es vielleicht ganz gut, das nicht zu thematisieren, etwas Neugierde bleibt aber doch.

Fazit:

Ein schönes Kinderbuch, das sich vor allem an Mädchen ab etwa neun/zehn Jahren richtet. Die Hauptfigur ist sympathisch, die Handlung immer unterhaltsam und zudem lehrreich. Ein paar kleine Schwächen gibt es, die trüben den Gesamteindruck aber nicht wesentlich.

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