11. Juli 2012

Meine Cousine Rachel - Daphne du Maurier

Produktinfos:

Ausgabe: 1938
Seiten: 304
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Die Autorin:

Daphne du Maurier (1907-1989) wuchs in London und Paris auf, ehe sie sich in Cornwall niederließ. Der Durchbruch gelang ihr mit gleich mit dem ersten Roman "Der Geist von Plyn"; Rebecca, "Die Vögel" und "Wenn die Gondeln Trauer tragen" sind weitere bekannte Werke, die auch als Verfilmungen sehr populär wurden.

Inhalt:

Cornwall, Mitte des 19. Jahrhunderts: Nachdem Philip Ashley als Kind zur Waise wurde, hat sein rund zwanzig Jahre älterer Vetter Ambrose ihn zu sich genommen und wie ein Vater auf seinem Gut aufgezogen. Als Philip gerade erwachsen ist, leidet Ambrose zunehmend unter Rheuma. Eine längere Reise durch Italien soll sein Befinden schließlich bessern. Ambrose reist nach Florenz und schreibt Philip regelmäßig Briefe. Eines Tages lernt er eine Verwandte kennen, Cousine Rachel, die nach dem Tod ihres italienischen Mannes ein florentinisches Anwesen bewohnt. Die beiden kommen sich näher, bis Ambrose sie schließlich heiratet.

Philip ist eifersüchtig auf die unbekannte Fremde. Noch schlimmer wird es aber, als Ambroses Briefe immer seltsamer werden. Er fühlt sich von Rachel bedroht, klingt immer gereizter und fleht Philip schließlich um Hilfe an. Hals über Kopf reist Philip nach Florenz - doch Ambrose ist kurz vor seiner Ankunft verstorben, die Witwe mit unbekanntem Ziel abgereist. Die offizielle Diagnose lautet Hirntumor, doch Philip ist überzeugt davon, dass Rachel ihn in den Tod getrieben hat und sehnt sich nach Rache.

Kaum wieder zuhause angekommen, macht Cousine Rachel ihre Aufwartung. Zu Philips Überraschung ist sie ganz anders als in seiner Vorstellung: Rachel entpuppt sich als sehr intelligente und freundliche Frau, die er wider Erwarten sympathisch findet. Allmählich glaubt er ihre Version, dass Ambrose im Endstadium seiner Krankheit an Wahnvorstellungen litt und beginnt sich zu verlieben ...

Bewertung:

Bekannt ist Daphne du Maurier vor allem für ihren Klassiker "Rebecca", der genau wie die Erzählung "Die Vögel" von Alfred Hitchcock zu einem erfolgreichen Film umgesetzt wurde. Aber auch "My Cousin Rachel/Meine Cousine Rachel" hat die Lektüre nicht weniger verdient und richtet sich insbesondere an alle Leser, die romantisch-mysteriöse Geschichten lieben und bereits Gefallen an "Rebecca" gefunden haben. In beiden Fällen dreht sich das Werk um eine undurchschaubare Frau, die eine magische Anziehung ausübt und das Setting in Cornwall mit einem imposanten Herrenhaus ist fast eins zu eins identisch.

Interessante Charaktere

Mit dem Ich-Erzähler Philip ist der Autorin die intensive Darstellung eines jungen Mannes gelungen, dessen Schicksal den Leser schnell fesselt. Ambrose und sein junger Vetter sind sich so ähnlich, wie man es selbst Vater und Sohn selten sind. Beide sind Einzelgänger, die sich selbst genügen und sich lieber in der Natur umher treiben, als gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Ambrose scheint der geborene Junggeselle und da ist es kein Wunder, dass auch Philip sich noch nicht für Frauen interessiert, als andere in seinem Alter schon ans Heiraten denken. Da er seine Mutter früh verlor, mangelt es ihm an weiblicher Gesellschaft - da ist nur seine Spielkameradin aus Kindertagen, Louise, die Tochter seines Paten. In seiner Unerfahrenheit merkt Philip nicht, dass Louise inzwischen zu einer jungen Frau herangewachsen ist, die sich durchaus für ihn interessiert und bei Anspielungen ihres Vaters sichtlich verlegen reagiert. Für den stoffeligen Philip ist sie kaum mehr Frau als die alten Damen im Dorf. Seine hübsche, sehr feminine Cousine Rachel stürzt ihn dementsprechend in heillose Verwirrung. Ganz allmählich lernt er ihre Schönheit schätzen und sieht in ihr allmählich kein Neutrum mehr, sondern eine begehrenswerte Frau. Interessant ist Philip vor allem gerade deswegen, weil er sich nicht unbedingt als Identifikationsfigur eignet und teilweise übertrieben handelt. Er steigert sich so sehr in seine jeweiligen Gefühle hinein, dass seine Handlungen unberechenbar werden und er unweigerlich das Mitleid des Lesers erweckt.

Subtile Spannung

Daphne du Maurier versteht es sehr gut, das Interesse des Lesers zu wecken und über weite Strecken hin zu fesseln. Obwohl die Geschichte aus Phillips Sicht erzählt wird, erfährt man immer nur Andeutungen, ohne vorher das genaue Ende erraten zu können. Bis zum Schluss ist Rachels Rolle der Dreh- und Angelpunkt der Handlung: Trägt sie die Schuld am Ambroses Tod und hat sie auch vor, über Umwege an Philips Vermögen zu gelangen? Oder litt Ambrose tatsächlich an Wahnvorstellungen, die aus Rachel eine Dämonin machten, die sie gar nicht ist? Da der Leser nur aus Philips Perspektive sieht, fällt die Beurteilung ihres Charakters schwer, da er alles andere als neutral ist - anfangs interpretiert er alles Schlechte in sie hinein, da er Ambroses Tod nicht akzeptieren kann; später dann wiegelt der verliebte Jüngling alle noch so vorsichtigen und gut begründeten Hinweise seiner Freunde und Bekannten ab und sieht in Rachel die Erfüllung aller bisher nicht gekannten Träume. Der Leser erfährt früh, dass es kein glückliches Ende mit Philipp und Rachel gibt - aber woran das liegt, wird nicht vorweggenommen. Die Handlung steuert auf keine überraschende Pointe hin, sondern hier ist vor allem der Weg das Ziel. Aus all den Ereignissen muss sich der Leser ein eigenes Bild machen. Das Ende ist nicht so offen, dass man unbefriedigt zurückbliebe, aber es bleibt Raum für Spekulationen.

Wenig Schwächen

Der Roman ist nichts für ungeduldige Leser; es brauche eine lange Anlaufzeit, ehe Rachel überhaupt ins Spiel kommt. Viele Seiten bestehen hauptsächlich aus Philips Gedanken, die sich mal zornig und mal schwärmerisch um Rachel drehen, während die eigentliche Handlung ins Stocken gerät; kein Vergleich zu modernen Thrillern, obwohl der Plot als solches in diese Richtung geht. Ein kleines Manko ist das Ende, das etwas zu konstruiert und melodramatisch inszeniert wird. Hier kommt der Zufall zu Hilfe, was ein wenig zu aufgesetzt wirkt.

Fazit:

Ein überzeugender, subtiler Spannungsroman, der im Cornwall des 19. Jahrhunderts spielt. Obwohl weniger bekannt als die anderen Werke von Daphne du Maurier, ist er nicht weniger empfehlenswert als Rebecca. Wer sich nicht an gelegentlich etwas zu ausführlichen Beschreibungen stört und Klassiker mag, findet hier nachdenklich stimmende, atmosphärische Unterhaltung.

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