1. Oktober 2012

Holundermond - Jutta Wilcke

Produktdetails:

Ausgabe: 2011
Seiten: 320
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Die Autorin:

Jutta Wilcke, Jahrgang 1963, arbeitete viele Jahre lang als Rechtsanwältin, ehe sie sich den Traum vom Autorendasein erfüllte. "Holundermond" ist ihr erster Roman. Weitere Kinder- und Jugendbücher sind Von Hexen, Zauberern und fliegenden Besen, Duden - Zahlenmonster und Duden - Buchstabenkerle.

Inhalt:

Die zwölfjährige Nele leidet unter der Trennung ihrer Eltern. Noch schlimmer wird es, als Vater Jan ihr für die Sommerferien bei ihm absagt. Er muss vorläufig in eine Pension in Wien ziehen, da er dort als Kunsthistoriker bei der Aufklärung von Kirchendiebstählen helfen soll. Aus Wut und Trotz versteckt sich Nele vor der Abfahrt in seinem Bus und wird erst kurz vor der Ankunft entdeckt. Wohl oder übel kommt sie nun mit nach Wien und lernt in der Pension auch gleich den unternehmungslustigen vierzehnjährigen Flavio kennen.

Flavio zeigt ihr das alte Kloster, das er von unzähligen Streifzügen kennt und Nele beginnt die Zeit zu genießen. Dann aber taucht der finstere Dr. Holzer auf, der gemeinsam mit Jan die Diebstähle untersucht. Dr. Holzer ist zufällig auch Flavios Lehrer und die Erzählungen ihres neuen Freundes bestätigen Nele in ihrer Abneigung. Kurz darauf verschwindet Neles Vater nach einem Treffen mit Dr. Holzer im Kloster spurlos. Angeblich sei er zu einem Termin nach Linz gereist, doch Nele kann das nicht glauben.

Flavio und Nele beschatten den unheimlichen Dr. Holzer und ihr Verdacht steigt, dass er Neles Vater irgendwo gefangen hält. Anscheinend ist Neles Vater hinter das Geheimnis der Diebstähle gestoßen - und Dr. Holzer scheint darin verwickelt zu sein. Auf der Suche nach Neles Vater kommen die Kinder unglaublichen Geheimnissen im Kloster auf die Spur, die in eine jahrhundertealte Vergangenheit führen - und zu einem Bild, das als Portal ins 18. Jahrhundert dient ...

Die Magie des Holunders ...

Ein bisschen Historienroman, ein bisschen Dan-Brown-Flair und ein bisschen Magie verbinden sich in Jutta Wilkes Debüt- und Jugendroman "Holundermond". Dabei beginnt zunächst alles sehr realitätsnah mit der zwölfjährigen Nele, die die typischen Konflikte einer Heranwachsenden mit ihren Eltern hat, sich zurückgesetzt fühlt und zusätzlich unter der Trennung leidet. Als dann auch noch ihr Vater Jan den Urlaub bei ihm absagt, bringt es das Fass zum Überlaufen und aus lauter Trotz beschließt sie, ihn dann eben heimlich nach Wien zu begleiten. Dort entsteht dann ein bisschen Krimiatmosphäre, als Nele von den gestohlenen Kirchenschätzen erfährt, die ihr Vater mit aufklären soll. Dass es aber irgendwann magisch wird, weiß der Leser durch den Prolog, der im 18. Jahrhundert in dem Kloster spielt. Das Kloster ist damals ein Zentrum für Kranke, Alte und Schwache, die zu Hunderten dort herumliegen und sterben. Unter ihnen ist das zwölfjährige Waisenmädchen Johanna, das verzweifelt den jüngeren Bruder Samuel versorgt. Dabei beobachtet sie zufällig eines Nachts einen Mann, der durch ein großes Gemälde schreitet und dabei verschwindet. Dieses Bild entpuppt sich später als Portal zwischen Johannas Zeit und der Gegenwart und der Leser ahnt schon, dass auf ihn also auch ein Zeitreiseabenteuer wartet - wenngleich die Passagen in der Vergangenheit insgesamt sehr kurz ausfallen.

Es ist ein aus jugendlicher Sicht spannender Roman. Es geht nicht nur darum, dass Nele ihren Vater finden und retten muss, sondern auch darum, dass der finstere Dr. Holzer auf keinen Fall alle vier gesuchten Kirchengegenstände vereinen darf, da sie eine ganz bestimmte Macht ausüben. Nebenbei ist vor allem der Charakter Flavio gelungen. Flavio ist ein italienischer Lausbube, ein bisschen frech und vorlaut, immer auf Achse und sehr spontan, dabei aber mit einem guten Herz und viel Mut. Nele bleibt ein bisschen blass, angesichts der sehr abwechslungsreichen Handlung, die keine Längen hat, ist es aber auch nicht notwendig, dass sie selbst als besonders individueller Charakter erscheint. Nebenbei ist es für junge Leser ab zehn, zwölf Jahren ganz interessant, ein paar Sachen über Kirchengeschichte zu erfahren. Die Beschreibungen des Klosters und der dazugehörigen Kirche sind sehr anschaulich, ebenso wie die Schilderung der Plünderungen durch die Türken, es wird bei diesen geschichtlichen Exkursen aber nie trocken.

Es gibt nicht viele Schwächen, aber doch ein paar Stellen, die es etwas an Logik mangeln lassen. Zum einen betrifft das die Stelle, als Dr. Holzer Jan mit Waffengewalt dazu zwingt, Nele anzurufen und seine angebliche plötzliche Abreise zu bestätigen. Kurz zuvor hat Holzer gemerkt, dass Jans Notizbuch verschwunden ist, in dem er vermutlich seinen Verdacht zu den Diebstählen notiert hat und dass es den Kindern in die Hände gefallen sein könnte. Absolut logisch wäre nun, dass er Jan nicht nur zu der Behauptung der Reise zwingt, sondern ihn auch Nele fragen lässt, ob sie das Buch hat und ihr aufträgt, es Dr. Holzer zu geben. Da Nele zu dem Zeitpunkt noch nicht sicher weiß, dass ihr Vater gefangen gehalten wird, hätte die Chance nicht schlecht gestanden, dass Holzer so wirklich das belastende Buch gekommen wäre. Später gibt es eine recht unglaubwürdige Stelle, an der Flavio und Nele in Holzers Büro müssen. Sie warten, bis er das Gebäude abends verlässt und kommen erst durch die unverschlossene Tür des Hauptgebäudes - das passt noch, denn darin liegen mehrere Büros - und dann durch das Vorzimmer in das ebenfalls unverschlossene Büro Holzers, was einfach unrealistisch ist, denn wer lässt schon sein Büro komplett unverschlossen, zumal wenn er etwas Kriminelles zu verbergen hat.

Das Ende beantwortet dann auch leider nicht alle offenen Fragen, gerade was sich genau hinter dem Ritus mit den Gegenständen verbirgt, deutet die Pensionswirtin Viviane nur an, sie will es wohl lieber ein andermal erzählen. Auch über sie bleibt einiges im Dunkeln und der Leser kommt so leicht zur Vermutung, dass es vielleicht mal eine Fortsetzung gibt - schlecht wäre das nicht, denn bisschen mehr will man über manche Dinge dann doch erfahren.

Fazit:

Ein insgesamt gelungener Debütroman, der sich für Jugendliche und Erwachsene eignet. Die Handlung ist spannend mit etwas Magie, führt teilweise in die Vergangenheit und ist ideal für Leser ab etwa 12 Jahren. Es werden allerdings nicht alle offenen Fragen befriedigend beantwortet und an mindestens zwei Stellen ist die Logik zugunsten der Handlung etwas zurecht gebogen.

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