2. Oktober 2012

Wahrheit aus zweiter Hand - Anne Holden

Produktinfos:

Ausgabe: 1984
Seiten: 161
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Die Autorin:

Anne Holden verfasste neben "Wahrheit aus zweiter Hand" (The Witnesses, 1972) noch die Werke "Girl on the Beach" (1973) und "No Trains at the Bay" (1976), mehr ist über sie leider nicht zu erfahren.

Inhalt:

Sylvia Mansion ist Ende dreißig, verheiratet, Mutter zweier Töchter und schätzt ihren Mann wegen seiner Seriosität und seines Erfolges, langweilt sich aber in ihrer Ehe. Daher führt sie seit einem Jahr eine Affäre mit Terence Lambert, mit dem sie sich meist bei ihm zuhause trifft. Eines Abends beobachtet Sylvia aus dem Fenster, wie eine junge Frau auf der Straße von einem Mann angegriffen wird. Herbeieilende Passanten vertreiben den Mann, der sofort flüchtet.

Kurz darauf liest Sylvia in der Zeitung von einer Serie von Frauenmorden, die alle im gleichen Viertel geschahen. Sie vermutet, dass der Fremde von gestern der Würger ist und überlegt seine Personenbeschreibung abzugeben. Mit der Beobachtung aus Terences Wohnung würde allerdings auch ihre Affäre in einem Prozess öffentlich werden, daher zögert sie.

Um seiner Geliebten aus dem Zwiespalt zu helfen, bietet Terence an, statt ihrer auszusagen. Er gibt sich bei der Polizei als Zeuge aus und liefert eine Beschreibung nach Sylvias Angaben. Dabei ahnt er jedoch nicht, dass seine Aussage fatale Folgen hat. Nicht nur, dass er zu einer Gegenüberstellung gerufen wird und den möglichen Täter nicht erkennen kann, er wird bald auch noch selbst verdächtigt ...

Ich sehe was, das du nicht siehst ...

Bekannter als der Roman ist wahrscheinlich die Verfilmung von 1987 mit Steve Guttenberg und Isabelle Huppert in den Hauptrollen, die ein wenig an Hitchcocks "Fenster zum Hof" erinnert. Kenner des Films dürfen trotzdem zur Vorlage greifen, denn in einigen Punkten, vor allem im Ende, weicht der Thriller von seiner Umsetzung ab.

Spannung ist durchweg gegeben, denn die Handlung schlägt immer wieder neue Wendungen ein. Zunächst ist es Terence, der dafür plädiert, sich aus dem Würger-Fall herauszuhalten, da Sylvia den Täter nur allzu flüchtig gesehen hat. Als seine Geliebte aber in den Tagen danach keine Ruhe gibt und sich den Kopf zermartert, ob sie eingreifen soll, übernimmt er spontan diesen Part. Ohne sich große Gedanken über die Folgen zu machen, meldet er seine angebliche Beobachtung der Polizei. Doch schon bald beginnt er sein Handeln zu bereuen. Die Polizisten sind kritischer als erwartet, fragen immer wieder nach und Terence muss sich jedes Wort genau überlegen, um sich unglaubwürdig zu erscheinen. Die Bitte zur Gegenüberstellung wenig später ist ein Schock für ihn: Ihm bleibt nichts anderes übrig, als zu verneinen, dass der Täter unter den Verdächtigen sein könnte und der Gedanke, dass er nun vielleicht den Mörder entlastet hat, setzt ihm enorm zu.

Noch schlimmer wird es, als er selbst einen der potentiellen Täter verdächtigt. Der junge Chris Henderson, den er flüchtig von der Autowerkstatt des Vaters kennt, hat nicht nur feuerrotes Haar, sondern auch den schleichenden Gang, genau wie von Sylvia beschrieben. Die Situation kippt, statt Sylvia, die den Vorfall inzwischen verdaut hat, steigert sich nun Terence immer tiefer in die Angelegenheit hinein. Er beginnt, Henderson zu beschatten, in der Hoffnung, Beweise für dessen Schuld zu finden, um seine vielleicht fälschliche Entlastung wieder gutzumachen. Im weiteren Verlauf der Handlung kommt es zu einer Verhandlung und später sogar zu einem Verdacht gegen Terence, der scheinbar einem anderen die Morde anhängen will. In bester Thrillermanier wendet sich das Blatt gegen einen Unschuldigen, der durch Zufall in die Sache hineingeraten ist und sich immer verdächtiger macht. Bis zum Schluss hält sich die Spannung und der Leser darf miträtseln, ob Henderson tatsächlich hinter den Morden steckt, ob der Mörder gefasst wird und wie die Geschichte für den armen Terence ausgeht.

Zu Beginn der Handlung liegt der Fokus auf Sylvia und ihrem Zwiespalt, später steht zunehmend Terence im Mittelpunkt. Seine Wandlung vom Unbeteiligten Geliebten hin zum Hobbydetektiv geschieht behutsam und ist für den Leser nachvollziehbar. Auch wenn er mit seiner anfangs leicht oberflächlichen Art vielleicht nicht die Herzen der Leser im Sturm erobert, ist er doch grundsätzlich sympathisch und man wünscht ihm Erfolg bei seiner Mörderjagd auf eigene Faust. Zusätzlich interessant ist die Änderung im Verhältnis zwischen dem heimlichen Paar. Sylvia reagiert entgeistert auf Terences Einmischung, sein zunehmender Fanatismus nervt sie und sie entzieht sich ihm immer mehr. Ihr Familienleben gerät ins Wanken, vor allem eine ihrer Töchter macht Probleme; sie schwänzt nicht nur die Schule, sondern scheint auch etwas von der Affäre ihrer Mutter zu ahnen. Je mehr Terence Sylvia als Vertraute braucht, denn schließlich ist sie die Einzige, mit der er über den Fall reden kann, desto mehr zieht sich Sylvia zurück.

Schwächen gibt es zwar nicht viele, aber ein paar Kleinigkeiten fallen störend auf. Zum einen ist das Ende sehr plötzlich, durchaus ein effektvoller Paukenschlag, aber für manche Leser sicher etwas unbefriedigend. Der Teil der Gerichtsverhandlung wird zudem etwas lieblos abgehandelt, obwohl eine wichtige Stelle im Buch. Leicht störend ist auch, wie spontan sich Terence zu seiner Zeugenaussage hinreißen lässt, ohne sich zuvor ein genaues Konzept zu überlegen.

Fazit:

Ein unterhaltsamer Thriller mit spannender Thematik, der bis zum Schluss den Leser fesselt. Immer wieder gibt es neue Wendungen und Überraschungen, sodass Lesevergnügen garantiert ist. Ein paar kleine Mankos trüben den Gesamteindruck, für Freunde des Genres aber definitiv empfehlenswert.

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