28. September 2012

Die versunkene Stadt Z: Expedition ohne Wiederkehr - das Geheimnis des Amazonas - David Grann

Produktfakten:

Ausgabe: 2011
Seiten: 416
Amazon
* * * * *

Der Autor:

David Grann, Jahrgang 1967, studierte Politologie und Kreatives Schreiben und arbeitet als Journalist beim "New Yorker". "Die versunkene Stadt Z" war sein erstes Buch und landete sofort auf der amerikanischen Bestsellerliste. http://www.davidgrann.com/

Inhalt:


1925: Der britische Forscher Percy Fawcett gilt als einer der größten Experten für Südamerika. Schon mehrfach hat er große Expeditionen im Dschungel geleitet und erstaunliche Entdeckungen gemacht. Jetzt will er sich der größten Herausforderung stellen und im tiefsten Amazonasgebiet nach einer versunkenen Stadt zu suchen, der Fawcett selbst den kryptischen Namen Z gegeben hat.

Seit Jahrhunderten stoßen Forscher immer wieder auf Relikte, die auf eine mögliche untergegangene Hochkultur im Amazonasgebiet hindeuten. Andere Forscher dagegen halten diese Gerüchte für Irrsinn - aufgrund der unwirtschaftlichen Bedingungen in dem Gebiet könne sich niemals eine solche Hochkultur entwickelt haben. Fawcett ist überzeugt davon, dass diese versunkene Stadt wirklich existiert - und dass ihr Fund der Wissenschaft bahnbrechende Erkenntnisse bringen würde.

Gemeinsam mit seinem 22-jährigen Sohn Jack und dessen bestem Freund Raleigh Rimmel macht er sich auf die gefahrenvolle Reise, die international großes Interesse erregt. In den ersten Wochen erhalten Fawcetts und Rimmels Familien noch ein paar optimistische Nachrichten - und danach nichts mehr. Sie kehren niemals zurück und ihr Schicksal ist bis heute ungeklärt. Immer wieder machen sich Abenteurer auf die Suche nach ihnen und hoffen, das Rätsel um Fawcett und die versunkene Stadt zu klären ...

Bewertung:

Biographie, Sachbuch, Thriller und Mystery - David Granns Werk ist von allem ein bisschen etwas und diese Mischung ergibt ein äußerst fesselndes und faszinierendes Ergebnis. Das ungeklärte Schicksal von Percy Harrison Fawcett, einem der größten Forscher seiner Zeit, bewegt die Menschen auch noch fast hundert Jahre nach seinem spurlosen Verschwinden. Offiziell sind dreizehn Expeditionen mit hundert Todesopfern verzeichnet, die sich vergeblich aufmachten, um Fawcetts Schicksal eindeutig zu klären. Der Autor David Grann ist eigentlich Journalist beim New Yorker. Aus einem Artikel heraus entwickelte sich dieses Buch, für das sich Grann selbst auf die Pfade von Fawcett und dessen Begleiter begab. Grann sprach mit anderen Fawcett-Experten, Hinterbliebenen und Einwohnern im Amazonasgebiet und fügt detailgenau die Fakten rund um die mysteriösen Ereignisse zusammen. Das Rätsel um Fawcetts Verschwinden lösen kann er nicht, so viel sei vorweggenommen - doch zum Schluss ergibt sich nicht nur das facettenreiche Bild eines großen Geistes mit all seinen Stärken und Schwächen, sondern auch eine Reihe plausibler Theorien, was auf der Expedition geschah.

~ Ein Mann und seine Obsession ~

Percy Fawcett fasziniert nicht nur wegen seiner eindrucksvollen Leistungen auf den Gebieten der Ethnologie und der Geographie. Etwa seit 1900 widmete Fawcett sein Leben den Forschungsreisen unter schwierigsten Bedingungen. Im Gegensatz zu manch einem seiner Konkurrenten war Fawcett alles andere als wohlhabend, gegen Ende hin sogar verarmt. Die Gelder, die er für seine Reisen gestellt bekam, flossen fast gänzlich in Ausrüstung und Mitarbeiter, sodass er und seine Familie in größter Bescheidenheit leben mussten. In seiner Frau Nora hatte Fawcett eine Gleichgesinnte gefunden, die seine Arbeit unterstützte, sein älterer Sohn sollte ihm später auf jene verhängnisvolle achte und letzte Expedition folgen. Während die Familie in den Monaten und Jahren seiner Abwesenheit stets am Existenzminimum lebte, stellte sich Fawcett den Herausforderungen der "Grünen Hölle".

Fawcett unterschied sich vor allen in drei Dingen von vielen seiner Kollegen: Er bevorzugte eine möglichst kleine Truppe von Expeditionsteilnehmern, weil große Gruppen leichter den Argwohn von Eingeborenen auf sich zogen; er war bemüht, unter allen Umständen Waffengewalt zu verhindern und er zeigte eine schier unmenschliche Härte gegenüber sich selbst. Ob wochenlange Märsche ohne Nahrung, tagelange Regenfälle, schlaflose Nächte wegen unzähliger Moskitostiche und Maden unter der Haut, nichts konnte Fawcett von seiner Zielstrebigkeit abbringen. Bis kurz vor seiner letzten Expedition galt er als außergewöhnlich robust - während seine Mitstreiter um ihn herum an Malaria, Elephantiasis, infizierten Wunden oder Hunger und Erschöpfung starben, trieb Fawcett sein unbändiger Wille stets weiter vorwärts. Seine Ausrüstung umfasste lediglich das Notwendigste, kaum mehr als ein Messer und ein Kompass halfen ihm bei seinem Weg durch den Dschungel und führten ihn zu erstaunlichen Entdeckungen. Fawcett erscheint als ein wahrlich Besessener, dessen Mission den Leser bald in eine fiebrige Faszination versetzt - parallel dazu wird allerdings auch sein schwieriger Charakter immer deutlicher und er verlangt nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Expeditionsteilnehmern unmenschliche Leistungen ab.

~ Spannend und bewegend zugleich ~

Seine felsenfeste Überzeugung, dass entgegen aller Zweifler und Spötter die sagenhafte Stadt "Z" existiert, ist erstaunlich und bewegend zugleich. So sehr die Geschichte sich anfangs wie ein spannender Abenteueroman liest - je weiter man vordringt, desto bewusster wird dem Leser, dass es sich hier um das wahre Schicksal dreier Männer dreht, die ihr Leben für einen Traum gaben. Nicht nur Colonel Fawcetts Schicksal rührt an, sondern auch das seiner Begleiter, wenngleich sie weitaus kürzer beleuchtetet werden: Fawcetts Sohn Jack, der zu seinem Vater bewundernd aufsah und von klein auf davon träumte, ihn auf eine seiner Expeditionen zu begleiten und ihm vermutlich bedingungslos in den Tod folgen würde - und Jacks bester Freund Raleigh, der eine ähnliche Bewunderung wiederum Jack schenkte. Während Jack in allen Nachrichten, die seine Familie erreichte, von der Expedition schwärmte, fühlte sich Raleigh offenbar recht schnell desillusioniert und hatte am meisten mit den Strapazen des Dschungels zu kämpfen. Schmerzhaft ist nicht allein der Gedanke daran, dass die drei womöglich recht bald nach der letzten Nachricht ihren Tod gefunden haben - sondern auch die Vorstellung, welche Verzweiflung Fawcett vielleicht in seinen letzten Minuten befiel angesichts der gescheiterten Mission und dem Tod dieser beiden jungen Männer.

David Grann hält sich selbst, obgleich er sich ebenfalls in die Tiefen des Amazonasdschungel begibt, angenehm im Hintergrund. Viel erfährt man nicht über den Autor, allerdings ist es interessant zu wissen, dass er bis dato weder für Sport noch für Camping geschweige denn solch gefährliche Expeditionen einen Sinn hatte - erst das legendäre "Fawcett-Fieber", wie es in jenen Kreisen gerne amüsiert genannt wird, trieb ihn dazu, das heimische Sofa zu verlassen und sich ebenfalls in die Grüne Hölle zu stürzen. Die eigentliche Expedition Fawcetts wird zwar zwischendurch immer wieder angesprochen, dennoch kommt sie im Detail erst recht spät im Werk zur Sprache. Zuvor erhält der Leser stattdessen ausführliche Einblicke in Fawcetts bisheriges Leben, in seine sieben frühere Expeditionen, Informationen zu seinen Konkurrenten und zum Entdeckerwesen des viktorianischen Zeitalters. Das ist auf seine eigene Art ebenso reizvoll wie das Rätsel um sein Verschwinden, aber wer erwartet, dass sich das Buch mehr oder weniger ausschließlich auf diese letzte Expedition bezieht, wird vielleicht ein wenig enttäuscht. Kleiner Schönheitsfehler am Rande: Königin Victoria hat fast 64 Jahre regiert und nicht nur 46, wie es hier irrtümlich heißt, vermutlich einfach ein Zahlenvertipper.

Fazit:


Ein faszinierendes Sachbuch, das sich flüssig und fesselnd wie ein Roman liest. Vor den Augen des Lesers wird die Gestalt eines brillanten Forschers lebendig, dessen Schicksal bis heute für Spekulationen sorgt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.