24. Mai 2017

Into the Water - Paula Hawkins

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei Blanvalet
Seiten: 480
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Die Autorin:

Paula Hawkins wuchs in Simbabwe auf und zog 1989 nach Großbritannien, wo sie heimisch blieb. Sie arbeitete zunächst als Journalistin, ehe ihr mit ihrem ersten Spannungsroman "Girl on the Train" gleich der Durchbruch als Autorin gelang. Der Roman wurde ein internationaler Bestseller inklusive Verfilmung.

Inhalt:

Die Schwestern Julia "Jules" Abbott und Danielle "Nel" Abbott sind seit seit Langem entzweit, Jules hat den Kontakt abgebrochen. Fünfzehn Jahre lang haben sie sich nicht mehr gesehen. Dann erreicht Jules eine verzweifelte Mailboxnachricht von Nel mit dringender Bitte um Rückruf. Jules ignoriert die Nachricht - und wenige Tage später ist Nel tot.

Den ersten Ermittlungen nach soll Nel unter Alkoholeinfluss in den Fluss gestürzt oder gesprungen sein, der direkt an ihrem Haus in Beckford vorbeifließt. Nel arbeitete gerade als Journalistin an einem Buch über die zahlreichen Mädchen und Frauen, die seit Jahrhunderten in dem Fluss ertrinken. Zuletzt starb vor ein paar Monaten die jugendliche Katie.

Als Jules anreist, trifft sie zum ersten Mal auf Nels fünfzehnjährige Tochter Lena, die sich abweisend verhält. Während Lena an einen Suizid ihrer Mutter glaubt, ist Jules davon nicht überzeugt. Sie will herausfinden, was Nel kurz vor ihrem Tod so geängstigt hat. Die Nachforschungen konfrontieren sie auch schmerzhaft mit ihren eigenen schlechten Erinnerungen an ihren Heimatort ...

Bewertung:

Nach ihrem Erfolgsdebüt "Girl on the Train" legt Paula Hawkins mit "Into the Water" erneut einen gelungenen Thriller vor.

Dabei ist die Struktur des Romans zu Beginn gewöhnungsbedürftig, denn sie setzt sich aus einer Vielzahl an Erzählperspektiven zusammen. Viele Kapitel werden natürlich aus Jules' Sicht erzählt, allerdings richtet sich der Fokus auch auf Nels Tochter Lena, auf Lenas Lehrer Mark, auf Louise - die Mutter der verstorbenen Katie -, auf Katies Bruder Josh, auf die Ermittler Sean und Erin, auf Seans Vater Patrick sowie Seans Ehefrau Helen und auf die esoterische Nickie. All diese Personen bilden ein buntes Kaleidoskop aus Dorfbewohnern, die alle in irgendeiner Form mit Nel und dem Fluss verbunden sind. Zudem gibt es noch vereinzelt Auszüge aus Nels unveröffentlichtem Buchprojekt "Der Drowning Pool", und manche Kapitel spielen gut zwanzig Jahre in der Vergangenheit. Es braucht eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hat, dass alle paar Seiten eine andere Figur im Zentrum steht, manchmal als Ich-Erzähler, manchmal durch einen personalen Erzähler beleuchtet.

Hat man den Einstieg bewältigt, taucht man ein in eine spannende und komplexe Handlung. Im Mittelpunkt stehen zunächst die Fragen, was es mit Nels Tod und ihrer letzten Nachricht an Jules auf sich hat. Suizid, Unfall oder gar Mord, alles scheint möglich. Im weiteren Verlauf kommt zunehmend auch die Vergangenheit der Schwestern ins Spiel. Es gibt interessante und bewegende Enthüllungen dazu, warum sich die beiden entzweit haben und was Jules so Schreckliches in ihrem Heimatort widerfahren ist. Man fühlt mit Jules, die damit leben muss, Nels Hilferuf ignoriert zu haben, mal wieder an eine ihrer typischen Übertreibungen glaubte - und die jetzt mit dem Tod der Schwester konfrontiert wird. Dazu kommt das schwierige Verhältnis zwischen Jules und ihrer Nichte, die sie bislang nicht persönlich kannte. Niemand weiß, wer Lenas Vater ist, sodass Jules als Tante die Verantwortung für den klapperdürren, zornigen Teenager übernimmt, der seiner verstorbenen Mutter so ähnlich ist.

Spannend ist auch zu verfolgen, welche Geheimnisse die anderen Dorfbewohner verbergen, in welchem Verhältnis sie zu Nel standen und wem letztlich zu trauen ist. Louise beispielsweise ist nicht traurig über Nels Tod. Sie gibt ihr die Schuld dafür, dass sich ihre Tochter Katie - Lenas beste Freundin - im Fluss das Leben nahm. Ihrer Meinung nach hat Nels intensive öffentliche Auseinandersetzung mit der Flussgeschichte und ihre Verklärung und Mythifizierung der verstorbenen Frauen dazu beigetragen, dass Katie sich in seine Fluten stürzte.

Über der Handlung liegt eine melancholische Atmosphäre; "Into the Water" legt vor allem im ersten Drittel kein rasantes Tempo vor, sondern zieht den Leser eher behutsam immer tiefer hinein in einen düsteren Strudel der Ereignisse und Enthüllungen. Auf seine Kosten kommen vor allem diejenigen, die gern dunkle Geheimnisse hinter scheinbar glatten Fassaden aufspüren. Die Stärken des Romans liegen in seiner unterschwelligen Spannung, dem ganz allmählichen Zusammensetzen der vielen Puzzleteile, die um Nels Tod verstreut liegen. Und immer wieder kommt der Fluss ins Spiel, ob in wörtlichem oder übertragenem Sinn. Louise glaubt in Schuldgefühlen zu ertrinken, Mark fühlt sich, als greife er nach Schlingpflanzen, Erin nimmt das Wasserglucksen als Lachen wahr. Und was hat es mit all den Frauen auf sich, die im Laufe der Jahrhunderte hier ertranken? Das Ende ist zufriedenstellend, beantwortet alle wichtigen Fragen und bringt die intensive und bewegende Handlung zu einem würdigen Abschluss.

Schwieriger wird es für Leser, die gern den Fokus auf einer Figur haben, mit der sie sich von Anfang an identifizieren können. Es braucht seine Zeit, bis man Jules nahegekommen ist und genug über sie weiß, um sich mit ihr zu solidarisieren.

Fazit:

"Into the Water" von Paula Hawkins ist ein reizvoller Thriller der langsamen Art, der auf behutsame Weise eine Spannung und dichte Atmosphäre aufbaut, die den Leser immer stärker in den Bann zieht. Gewöhnungsbedürftig sind allerdings die zahlreichen unterschiedlichen Perspektiven.

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