Produktinfos:
Ausgabe: 2016
Seiten: 304
Buchhandel.de
* * * * *
Die Autorin:
Mary Kubica studierte amerikanische Geschichte und Literatur und erlangte gleich mit ihrem Debütroman "Good Girl" den Durchbruch als Thrillerautorin. "Pretty Baby" ist ihr zweiter Roman, 2016 erschien "Don't you cry".
Inhalt:
Heidi Wood hat eine ausgeprägte soziale Ader, weshalb sie auch in einer gemeinnützigen Organisation arbeitet, wo sie sich vor allem um Immigranten kümmert. Eines Morgens fällt ihr im Zug ein offenbar obdachloses junges Mädchen mit einem Baby auf. Der Anblick lässt sie nicht los, und als sie das Mädchen wiedertrifft, lädt sie es spontan zum Essen ein.
Zögernd nimmt das Mädchen namens Willow an. Sie ist verdreckt und abgemagert und kaum in der Lage, für das Baby Ruby zu sorgen. Obwohl Willow fast nichts über sich preisgeben will, lässt Heidi nicht locker. Spontan nimmt sie Willow und Ruby zu sich nach Hause - sehr zum Missfallen ihres Ehemanns Chris und ihrer zwölfjährigen Tochter Zoe.
Um Willow nicht zu verschrecken, verständigt Heidi weder die Polizei noch das Jugendamt. Willow und das Baby können sich waschen und bekommen neue Kleidung, Ruby erhält zudem Medikamente. Heidi hofft, in den nächsten Tagen Willows Vertrauen zu gewinnen, um ihr noch besser helfen zu können. Nur widerwillig geht Chris auf seine Geschäftsreisen, immer in Sorge, was Willow vor ihnen verbergen mag und wer dieses fremde Mädchen überhaupt ist. Während er sich fragt, ob Willow möglicherweise gefährlich ist, entfremdet er sich zunehmend von seiner Frau, die sich ganz auf Willow und Ruby fixiert ...
Bewertung:
Mary Kubicas "Pretty Baby" präsentiert dem Leser eine grundsätzlich simple Handlung, in der einige Dinge anders sind, als sie scheinen, ein undurchsichtiges Netz aus Wahrheit und Lüge, das zum Rätseln einlädt, wie sich die angespannte Dreieckskonstellation aus Heidi, Chris und Ruby entwickeln wird.
Erzählt wird die Handlung abwechslend aus drei Perspektiven, wobei der Fokus auf Heidi liegt. Sie und Chris erzählen über die Zeit, in der Willow bei ihnen unterkommt. Willows Strang dagegen spielt kurze Zeit danach. Kleine Andeutungen aus Willows Bericht machen früh klar, dass zwischen ihrer Aufnahme bei den Woods und der Gegenwartshandlung etwas Dramatisches passiert ist, doch was genau vorgefallen ist und wer Täter und wer Opfer ist, offenbart sich erst spät.
Alle drei Hauptcharaktere sind durchaus komplex. Willow ist der undurchschaubare Teenager, laut eigener Aussage achtzehn, was sie aber ganz offensichtlich nur vorgibt, um dem Jugendamt zu entkommen. Während sie gegenüber Heidi und Chris überwiegend schweigt, erfährt der Leser ihr grausames Schicksal: Tod der Eltern, Trennung von der Schwester, Missbrauch und Gewalt in der neuen Familie sind die Kernpunkte, die Willows letzte Jahre bestimmt haben. Und doch wird lange Zeit geheim gehalten, was es mit Baby Ruby auf sich hat, wie Willow auf die Straße geraten ist und wie sie wirklich zu Heidi steht. Heidi ist zu Beginn vor allem sympathisch, kümmert sie sich doch aufopfernd um die beiden Obdachlosen. Willow und das Baby gehen ihr bereits nicht mehr aus dem Kopf, bevor sie auch nur ein Wort mit dem Mädchen gewechselt hat. Sie überlässt Willow zunächst ihr Jacke, lädt sie dann zum Essen ein, gibt ihr Geld, ehe sie sie schließlich mit nach Hause nimmt. Hier wird allerdings auch klar, dass Heidi zunehmend rücksichtslos ihr Helfersyndrom durchsetzt; Einwände ihres Mannes und ihrer Tochter werden abgewiegelt. Zudem erfährt der Leser nach und nach nicht nur aus Willows, sondern auch aus Heides Vergangenheit prekäre Details, die Heides Verhalten in ein etwas anderes Licht stellen.
Chris ist im Gegensatz zu Heidi der vernünftige Part, der zwar ein gewisses Mitgefühl für Willow besitzt, aber in erster Linie seine Familie schützen will. Er recherchiert heimlich über Willows Identität und versucht parallel, Heidi ein wenig aufzurütteln. Seine Bedenken sind sehr nachvollziehbar, allerdings spürt man auch, dass seine Beziehung zu Heidi schon vor Willows Eintreffen instabil war. Chris muss immer wieder auf Geschäftsreise, begleitet von seiner jungen und höchst attraktiven Kollegin Cassidy Knudsen, die ihn in Versuchung bringt. Ob Chris dieser Versuchung nachgibt und wie sich seine Beziehung zu Heidi unter den Belastungen entwickelt, ist zwar nicht so sehr im Fokus wie die Frage nach Willow, ist aber auch Teil der Handlung.
Über der gesamten Handlung liegt eine melancholisch-bedrohliche Atmosphäre, die den Leser zu fesseln versteht. Die (scheinbare oder tatsächliche) Bedrohung, die von Willow ausgeht, ist allerdings sehr subtil und entwickelt sich nur langsam. Auch die Wendung im hinteren Teil des Buches geschieht nicht plötzlich, sondern allmählich und lässt sich Schritt für Schritt mitverfolgen. Wer auf rasante Wendungen hofft, wird enttäuscht werden, ebenso, wer einen temporeichen Plot erwartet. Es ist kein typischer Psychothriller, der an den Nerven zerrt und den Leser beinah atemlos macht, "psychologischer Spannungsroman" gibt den Tenor eher wieder. Gewöhnungsbedürftig ist dazu, dass sich die vermeintliche Identifikationsfigur Heidi zunehmend schwierig verhält und man nicht mehr so sehr auf ihrer Linie liegt wie noch zu Anfang.
Fazit:
"Pretty Baby - Das unbekannte Mädchen" von Mary Kubica ist ein sehr reizvoller Roman, der den Leser geschickt in den Bann zieht und sehr unterhaltsame Lesestunden beschert. Die Grundhandlung ist simpel, entwickelt aber zunehmend eine fesselnde Atmosphäre. Allerdings muss sich der Leser auch auf ein gemächliches Voranschreiten einstellen, auch plötzliche Wendungen, wie sonst gerne in Psychothriller genutzt, bleiben hier aus.
Ausgabe: 2016
Seiten: 304
Buchhandel.de
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Die Autorin:
Mary Kubica studierte amerikanische Geschichte und Literatur und erlangte gleich mit ihrem Debütroman "Good Girl" den Durchbruch als Thrillerautorin. "Pretty Baby" ist ihr zweiter Roman, 2016 erschien "Don't you cry".
Inhalt:
Heidi Wood hat eine ausgeprägte soziale Ader, weshalb sie auch in einer gemeinnützigen Organisation arbeitet, wo sie sich vor allem um Immigranten kümmert. Eines Morgens fällt ihr im Zug ein offenbar obdachloses junges Mädchen mit einem Baby auf. Der Anblick lässt sie nicht los, und als sie das Mädchen wiedertrifft, lädt sie es spontan zum Essen ein.
Zögernd nimmt das Mädchen namens Willow an. Sie ist verdreckt und abgemagert und kaum in der Lage, für das Baby Ruby zu sorgen. Obwohl Willow fast nichts über sich preisgeben will, lässt Heidi nicht locker. Spontan nimmt sie Willow und Ruby zu sich nach Hause - sehr zum Missfallen ihres Ehemanns Chris und ihrer zwölfjährigen Tochter Zoe.
Um Willow nicht zu verschrecken, verständigt Heidi weder die Polizei noch das Jugendamt. Willow und das Baby können sich waschen und bekommen neue Kleidung, Ruby erhält zudem Medikamente. Heidi hofft, in den nächsten Tagen Willows Vertrauen zu gewinnen, um ihr noch besser helfen zu können. Nur widerwillig geht Chris auf seine Geschäftsreisen, immer in Sorge, was Willow vor ihnen verbergen mag und wer dieses fremde Mädchen überhaupt ist. Während er sich fragt, ob Willow möglicherweise gefährlich ist, entfremdet er sich zunehmend von seiner Frau, die sich ganz auf Willow und Ruby fixiert ...
Bewertung:
Mary Kubicas "Pretty Baby" präsentiert dem Leser eine grundsätzlich simple Handlung, in der einige Dinge anders sind, als sie scheinen, ein undurchsichtiges Netz aus Wahrheit und Lüge, das zum Rätseln einlädt, wie sich die angespannte Dreieckskonstellation aus Heidi, Chris und Ruby entwickeln wird.
Erzählt wird die Handlung abwechslend aus drei Perspektiven, wobei der Fokus auf Heidi liegt. Sie und Chris erzählen über die Zeit, in der Willow bei ihnen unterkommt. Willows Strang dagegen spielt kurze Zeit danach. Kleine Andeutungen aus Willows Bericht machen früh klar, dass zwischen ihrer Aufnahme bei den Woods und der Gegenwartshandlung etwas Dramatisches passiert ist, doch was genau vorgefallen ist und wer Täter und wer Opfer ist, offenbart sich erst spät.
Alle drei Hauptcharaktere sind durchaus komplex. Willow ist der undurchschaubare Teenager, laut eigener Aussage achtzehn, was sie aber ganz offensichtlich nur vorgibt, um dem Jugendamt zu entkommen. Während sie gegenüber Heidi und Chris überwiegend schweigt, erfährt der Leser ihr grausames Schicksal: Tod der Eltern, Trennung von der Schwester, Missbrauch und Gewalt in der neuen Familie sind die Kernpunkte, die Willows letzte Jahre bestimmt haben. Und doch wird lange Zeit geheim gehalten, was es mit Baby Ruby auf sich hat, wie Willow auf die Straße geraten ist und wie sie wirklich zu Heidi steht. Heidi ist zu Beginn vor allem sympathisch, kümmert sie sich doch aufopfernd um die beiden Obdachlosen. Willow und das Baby gehen ihr bereits nicht mehr aus dem Kopf, bevor sie auch nur ein Wort mit dem Mädchen gewechselt hat. Sie überlässt Willow zunächst ihr Jacke, lädt sie dann zum Essen ein, gibt ihr Geld, ehe sie sie schließlich mit nach Hause nimmt. Hier wird allerdings auch klar, dass Heidi zunehmend rücksichtslos ihr Helfersyndrom durchsetzt; Einwände ihres Mannes und ihrer Tochter werden abgewiegelt. Zudem erfährt der Leser nach und nach nicht nur aus Willows, sondern auch aus Heides Vergangenheit prekäre Details, die Heides Verhalten in ein etwas anderes Licht stellen.
Chris ist im Gegensatz zu Heidi der vernünftige Part, der zwar ein gewisses Mitgefühl für Willow besitzt, aber in erster Linie seine Familie schützen will. Er recherchiert heimlich über Willows Identität und versucht parallel, Heidi ein wenig aufzurütteln. Seine Bedenken sind sehr nachvollziehbar, allerdings spürt man auch, dass seine Beziehung zu Heidi schon vor Willows Eintreffen instabil war. Chris muss immer wieder auf Geschäftsreise, begleitet von seiner jungen und höchst attraktiven Kollegin Cassidy Knudsen, die ihn in Versuchung bringt. Ob Chris dieser Versuchung nachgibt und wie sich seine Beziehung zu Heidi unter den Belastungen entwickelt, ist zwar nicht so sehr im Fokus wie die Frage nach Willow, ist aber auch Teil der Handlung.
Über der gesamten Handlung liegt eine melancholisch-bedrohliche Atmosphäre, die den Leser zu fesseln versteht. Die (scheinbare oder tatsächliche) Bedrohung, die von Willow ausgeht, ist allerdings sehr subtil und entwickelt sich nur langsam. Auch die Wendung im hinteren Teil des Buches geschieht nicht plötzlich, sondern allmählich und lässt sich Schritt für Schritt mitverfolgen. Wer auf rasante Wendungen hofft, wird enttäuscht werden, ebenso, wer einen temporeichen Plot erwartet. Es ist kein typischer Psychothriller, der an den Nerven zerrt und den Leser beinah atemlos macht, "psychologischer Spannungsroman" gibt den Tenor eher wieder. Gewöhnungsbedürftig ist dazu, dass sich die vermeintliche Identifikationsfigur Heidi zunehmend schwierig verhält und man nicht mehr so sehr auf ihrer Linie liegt wie noch zu Anfang.
Fazit:
"Pretty Baby - Das unbekannte Mädchen" von Mary Kubica ist ein sehr reizvoller Roman, der den Leser geschickt in den Bann zieht und sehr unterhaltsame Lesestunden beschert. Die Grundhandlung ist simpel, entwickelt aber zunehmend eine fesselnde Atmosphäre. Allerdings muss sich der Leser auch auf ein gemächliches Voranschreiten einstellen, auch plötzliche Wendungen, wie sonst gerne in Psychothriller genutzt, bleiben hier aus.
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