22. März 2017

An jenem dunklen Tag - Lucy Atkins

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Bastei Lübbe
Seiten: 413
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Die Autorin:

Lucy Atkins (Großbritannien) ist eine erfahrene Journalistin, die für Zeitungen wie die Times, den Guardian und den Telegraph sowie für Zeitschriften wie Psychologies oder Grazia schreibt. 2014 erschien ihr erster Roman "Das Flüstern des Meeres".

Inhalt:


Das Leben der neununddreißigjährigen Tess ändert sich von Grund auf, als sie mit ihrem frisch angetrauten Ehemann Greg und ihrem neunjährigen Sohn Joe von London in einen Bostoner Vorort zieht. Greg ist ein gefragter Herzchirurg, der in Boston eine hohe Position antritt und der nur wenig Zeit zuhause verbringt.

Tess ist die meiste Zeit allein mit Joe in dem riesigen neuen Haus, zudem ist sie schwanger. Es fällt ihr schwer, neue Kontakte in Boston zu knüpfen; Joe hat Heimweh und wird in der Schule gehänselt. Obendrein verläuft die Schwangerschaft schwieriger als die erste. Dazu kommt, dass ein zweites Kind nie geplant war; Greg wollte ausdrücklich kein eigenes Kind.

Während Tess versucht, das Beste aus der neuen Situation zu machen, stößt sie immer wieder auf seltsame anonyme Nachrichten, die offenbar an Greg gerichtet sind. Der Schreiber spricht davon, dass er ihn beobachtet und sein Gesicht in seinen Alpträumen sieht. Greg tut die Briefe als harmlose Spinnerei ab. Tess hingegen fühlt sich zunehmend verfolgt, hört Schritte im Haus. Wer ist die Frau, die sie immer wieder aus der Ferne anstarrt und dann davonrennt? Und was verbirgt Greg möglicherweise in seiner Vergangenheit ...?

Bewertung:

Als Psychothriller bezeichnet der Verlag Lucy Atkins' "An jenem dunklen Tag", und unterhaltsam und über weite Streckend spannend ist der Roman gewiss. Ein Psychothriller ist er aber doch weniger als eher ein Familiendrama.

Im Mittelpunkt steht Tess. eine sympathische Frau, deren Leben auf den Kopf gestellt wird und mit der man mitfiebert. Allein schon der Umzug von London in die USA bedeutet eine enorme Umstellung für sie, sie lässt sowohl Freunde als auch ihren geliebten Job als Fotografin zurück. Das Einleben im Bostoner Vorort fällt ihr schwer, sie findet kaum Anschluss an neue Bekanntschaften; zu allem Überfluss begegnet ihr ihre forsche und attraktive Nachbarin Helena distanziert bis feindselig. Allerdings scheint sich Greg dafür umso besser mit Helena zu verstehen, die genau wie er im medizinischen Bereich arbeitet, genau wie er morgens joggen geht und die ihn offenbar sogar noch aus gemeinsamen Studienzeiten kennt.

Tess ist einsam und eifersüchtig, weiß aber nicht, inwieweit sie sich vielleicht in falsche Verdächtigungen hineinsteigert. Für den Leser liegt der Reiz darin, dass auch er zunächst nicht sicher sein kann, ob Tess - geplagt durch eine schwierige Schwangerschaft - überreagiert und die Dinge bedrohlicher und schlimmer sieht, als sie sind. Ebenso ist zunächst unklar, was sich hinter den geheimnisvollen Botschaften verbirgt, die Tess im Haus findet. Greg ist vollauf mit seinem höchst anspruchsvollen Job beschäftigt und zeigt wenig Verständnis für die Sorgen seiner Frau. Und dass Joe unter starkem Heimweh leidet, macht es auch nicht leichter. Nahezu unweigerlich verbündet sich der Leser mit Tess und verfolgt gebannt die Entwicklungen. Die Handlung wird straff erzählt, erlaubt sich keine Abschweifungen und macht es einem leicht, das Buch binnen kurzer Zeit durchzulesen.

Es ist jedoch auch ein bisschen schwierig nachzuvollziehen, dass Tess so bereitwillig die große Lebensumstellung auf sich genommen hat. Sie kennt Greg zu diesem Zeitpunkt erst ein paar Monate, sie liebt ihr Leben in London, arbeitet dort mit Leidenschaft als Fotografin, hat dort ihren Freundeskreis. Gregs positive Seiten, die Tess so verzaubert haben, werden nur knapp und zusammenfassend erwähnt, aber man erlebt kaum live, dass er sich so verhält. Für den Leser bleiben Gregs Attraktivität und Charme folglich eher außen vor, man muss hinnehmen, dass er für Tess ein Traummann ist, kann das aber nicht unbedingt selbst nachvollziehen. Die Handlung setzt erst mit dem Umzug nach Boston ein; der Entscheidungsprozess ist also kein großes Thema, sondern erscheint nur als kurzer Rückblick.

Nach der zuvor sorgsam aufgebauten Spannung ist das Ende dann zudem recht vorhersehbar und zahm. Kein Schock, keine wirkliche Überraschung, kein Knalleffekt, sondern eher eine betuliche Auflösung steht am Schluss. Schon zuvor zeichnet sich ab, dass die Handlung mehr in Richtung familiäres Drama statt Psychothriller abläuft, obwohl anfangs alles nach Letzterem aussieht: Stalking, bedrohliche Botschaften, ein geheimnisvoller Ehemann, eine feindselige Nachbarin, eine verunsicherte und möglicherweise in Gefahr schwebende Protagonistin. Doch letztlich ist alles etwas weniger brisant, als der Thrillerfan erhofft. Das macht den Roman gewiss nicht schlecht, kann aber bei anderen Erwartungen etwas enttäuschen.

Fazit:


Lucy Atkins' "An jenem dunklen Ort" ist mehr ein Familiendrama als ein Psychothriller, nichtsdestotrotz aber unterhaltsam. Man sollte keine allzu überraschende Wendungen erwarten und erst recht keine Schockmomente, dann erhält man eine kurzweilige Lektüre.

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