18. Mai 2013

Michaela kommt ins Großstadtinternat - Marie Louise Fischer

Produktinfos:

Ausgabe: 1973
Seiten: 119
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Die Autorin:

Marie-Louise Fischer, 1922-2005, zählt zu den bekanntesten Autorinnen Deutschlands. Sie studierte zunächst Germanistik, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften, ehe sie als Dramaturgin in Prag arbeitete. Mit 29 Jahren erschien ihr erster Roman. Seitdem verfasste sie mehr als hundert Bücher, vorwiegend Gesellschafts- und Frauenromane. Vor allem ihre meist mehrbändigen Mädchenromane wurden zu Klassikern innerhalb der Jugendbuchliteratur, z.B. die Reihen "Ulrike", "Klaudia" und "Michaela".

Inhalt:

Die dreizehnjährige Michaela lebt zwar gerne im ländlichen Törwang, hat aber einen weiten Schulweg, seit sie von der Hauptschule aufs Rosenheimer Gymnasium gewechselt ist. Da alle Schulkameradinnen weit weg wohnen, ergeben sich keine richtigen Freundschaften und auch von ihrer alten Dorffreundin Nannei entfremdet sie sich. Seit ihre Zwillingsbrüder geboren sind, fühlt sie sich zudem von ihren Eltern zurückgesetzt und verfällt immer mehr in Schludrigkeit.

Zu Michaelas Entsetzen kommt sie auf ein Münchner Internatsstift, wo sie endlich Anschluss finden soll. Das Mädchen kann sich mit den ungewohnt primitiven Umständen zunächst gar nicht anfreunden. Es gibt nur einen riesigen Schlafsaal und ein einfaches Wohnzimmer für die ganze Gruppe, allein sein ist fast unmöglich. Plötzlich sehnt sich Michaela sehr nach ihrer Familie zurück.

Die anderen Mädchen nehmen sie trotz ihrer abweisenden Art schnell in ihre Gruppe auf. Zu ihren neuen Kameradinnen gehören vor allem die tatkräftige Babsi, die gemütliche pummelige Ruth, die kleine, rothaarige Edeltraud, wegen ihrer hohen Stimme "Pieps" genannt und die schöne, etwas arrogante Yvonne, deren Mutter Schauspielerin ist. Dennoch leidet Michaela heftig unter Heimweh. Trost findet sie aber in dem niedlichen Welpen Purzel, den sie vom Bauernhof ihrer Freundin Nannei mitnehmen darf. Hunde sind natürlich im Stift verboten, aber Michaela schmuggelt ihn ein ...

Bewertung:

Wie in den vielen anderen Internatsromanen von Marie Louise Fischer geht es auch hier um ein recht trotziges Mädchen, das sich zunächst überhaupt nicht mit dem neuen Leben abfinden will. Ähnlich wie die anderen Heldinnen Ulrike oder Leona ist Michaela eine Einzelgängerin, die dringend Kontakt zu Gleichaltrigen braucht. Zusätzlich ist Michaela recht schludrig und verpasst regelmäßig den einzigen Morgenbus zur Schule. Natürlich leidet sie anfangs stark unter Heimweh und ist böse auf ihre Eltern für deren Entscheidung - aber allmählich fügt sie sich ins Internatsleben ein. Die Episode mit Purzel ist recht spannend, denn als Leser fiebert man mit der spektakulären Aktion der Mädchen mit. Sie verstecken das Hündchen im Toilettenraum und teilen sich das Füttern und Gassigehen und auch wenn das natürlich nicht ewig funktioniert, wird für den Hund eine gute Lösung gefunden.

Durch das Gemeinschaftsleben wird Michaela gezwungen, ihre Trotzigkeit abzulegen und sich für die Sorgen anderer zu interessieren. Zudem erlebt sie seit langem wieder einmal, wie schön es sein kann, Dinge mit Freundinnen zu unternehmen statt sich immer zu abzukapseln. Schon bei ihrem ersten Heimfahrwochenende bemerkt ihre Mutter, dass Michaela ein ein ganzes Stück erwachsener benimmt und erst jetzt, wo sie lange Zeit von zuhause fort ist, beginnt sie echte Zuneigung zu ihren kleinen Zwillingsbrüder zu entwickeln und sie zu vermissen. Junge Leserinnen erleben hier die Bedeutung von Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft, ebenso wie die Tatsache, dass man neue Situationen nicht gleich verurteilen soll.

Insgesamt ist der erste Michaela-Band aber ein wenig schwächer als vergleichbare Bücher der Autorin und auch schwächer als der Folgeband. Vor allem die Zustände im Stift sind reizloser als man es aus den anderen Romanen kennt. Ein Schlafsaal mit Dutzenden von Betten ist schon sehr spartanisch und sogar das Waschbecken muss sich Michaela mit Ruth teilen, auch tägliches Duschen ist von der Kapazität her nicht möglich. Es ist erstaunlich, wie problemlos die anderen Mädchen damit umgehen. Nebenbei wird erwähnt, dass bald ein neuer Anbau entsteht, in dem nur wenige Mädchen zusammen ein Zimmer teilen sollen, aber das finden Michaelas Kameradinnen sogar eher unnötig. Nicht einmal die verwöhnte Yvonne beklagt sich, obwohl sie auf der anderen Seite aus reichem Hause stammt und immer von ihrem Luxus schwärmt, weshalb es nicht gerade realistisch ist, dass sie die Zustände im Stift so leicht hinnimmt.

Etwas schade ist auch, dass Michaelas neue Freundinnen im ersten Band teilweise noch recht blass bleiben. Von Babsi bekommt der Leser ein recht gutes Bild, auch von der charismatischen Yvonne, wegen ihres zierlichen Aussehens mit den seidigen schwarzen Haaren meist "Puppe" genannt, die bei jeder Gelegenheit von ihrer erfolgreichen Mutter schwärmt. Von Ruth dagegen erfährt man kaum mehr, als dass sie recht gemütlich ist und nichts gegen ihren treffenden Spitznamen "Dicke" hat. Das allerdings ist nicht besonders günstig, schließlich verharmlost man den Spitznamen damit und die wenigstens Mädchen dürften in der Realität so gelassen wie Ruth damit umgehen. Auch über die kleine Edeltraud alias "Pieps" erfährt man kaum etwas, nur ihre roten Haare und die helle Stimme werden immer wieder erwähnt. Unscheinbarer als in anderen Büchern wirken auch die Erzieherinnen, über die Lehrer erfährt man so gut wie gar nichts - man denke im Gegensatz etwa an die junge Erzieherin Tina Wegener aus den Leona-Bänden oder an Fräulein Faust alias "Gretchen" aus der Ulrike-Reike, die beide deutlich facettenreicher sind als die Lehrerinnen und Erzieherinnen hier.

Fazit:

Der erste Band der Michaela-Trilogie, der solide unterhält und recht lehrreich für junge Mädchen ist. Allerdings bleiben die Nebenfiguren teilweise zu blass und das Internat ist nicht so reizvoll wie die aus anderen Reihen der Autorin. Lesenswert, wenn man allgemein Internatsliteratur mag, ansonsten aber gibt es bessere Bände mit dieser Thematik, die vorzuziehen sind, so u.a. auch der zweite Band der Reihe.

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