9. März 2018

Dann schlaf auch du - Leila Slimani

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei Luchterhand
Seiten: 224
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Die Autorin:

Leila Slimani, Jahrgang 1981, geboren und aufgewachsen in Marokko, ist mittlerweile in Frankreich heimisch. Sie studierte Medien und Politik und arbeitete als Journalistin. 2014 erschien ihr erster Roman "Dans le jardin de l’ogre", 2016 folgte "Dann schlaf auch du".

Inhalt:

Myriam und Paul Massé, ein Pariser Ehepaar Mitte dreißig, suchen nach einer Betreuung für ihre beiden Kinder, das Baby Adam und Vorschulkind Mila. Myriam war lange Zeit Hausfrau, doch nun will sie unbedingt wieder in ihren Beruf als Anwältin zurückkehren.

Sie entscheiden sich schließlich für die zarte Louise, die beste Referenzen aufweist und die die Kinder sogleich ins Herz schließen. Louise ist Anfang vierzig, verwitwet, hat eine erwachsene Tochter. Sie versorgt nicht nur die Kinder der Massés, sondern macht auch die schöne Altbauwohnung behaglicher und kocht leckere Gerichte.

Schon nach kurzer Zeit ist Louise für Myriam und Paul unentbehrlich; sie werden von ihren Freunden um die wunderbare Nanny beneidet. Doch das Ehepaar ahnt nichts von der Einsamkeit und Verletzlichkeit des Kindermädchens. Und sie ahnen nicht, dass am Ende eine furchtbare Tragödie mit mehreren Toten stehen wird ...

Bewertung:

Der zweite Roman der französisch-marrokanischen Journalistin und Autorin Leila Slimani, inspiriert durch einen wahren Fall in New York im Jahr 2012, avancierte rasch nach Erscheinen zu einem Bestseller. "Dann schlaf auch du" ist ein sowohl untypischer als auch literarischer Krimi, der sich auch und vor allem an Leser wendet, die sonst diesem Genre nicht so viel abgewinnen können.

Tat, Opfer und Täter stehen schon zu Anfang fest: Die beiden Kinder sind tot, die Nanny hat sie getötet. Adam starb sofort, Mila erliegt im Krankenhaus ihren Verletzungen. Die Nanny überlebt einen Selbstmordversuch und liegt im Koma. In bester Why-dunnit-Manier begibt sich der Roman nun langsam auf Spurensuche: Wie konnte es zu dieser unglaublichen Tat kommen? Der Erzähler beleuchtet dazu verschiedene Perspektiven,konzentriert sich mal auf Louise, mal auf Myriam, bisweilen auch auf Paul oder Myriams Tochter Stéphanie. Die Fassade erscheint lange Zeit glücklich: Paul und Myriam kommen gut mit Louise aus; gerade Myriam bemüht sich öfter auch um kleine Geschenke und Gefälligkeiten für das Kindermädchen, sie nehmen Louise auch mit in den Urlaub.

Unter der glänzenden Fassade jedoch lauern Abgründe. Louise hat eine schmerzvolle Vergangenheit hinter sich; sie ist einsam, und so nah sie den Massés auch zu sein scheint, sie bleibt ihnen und ihrer Welt dennoch fern. Myriam und Paul ahnen nicht, wie erbärmlich und trostlos Louises kleine Wohnung ist, eher eine Absteige, in der sie nicht mehr Zeit als nötig verbringt. Sie wissen nichts von ihren Schulden, ihrer schwierigen Ehe und dem komplizierten Verhältnis zu ihrer Tochter. Die Beziehung zwischen dem Kindermädchen und seinen Arbeitgebern ist geprägt durch gegenseitiges Missverstehen: Myriam und Paul geben sich gern großzügig und laden Louise unwissentlich dazu ein, sich mehr und mehr in ihrem Leben einzunisten.

Bei aller scheinbaren Perfektion blitzen ab und zu Aggressionen und Abgründe auf bei Louise, deren Tragweite aber von allen Beteiligten unterschätzt wird. Der Roman spielt mit elterlichen Ängsten und Schuldgefühlen, beleuchtet die Problematik der Einsamkeit und demonstriert, wie wenig man mitunter über einen Menschen weiß, den man jeden Tag um sich hat. Melancholie, Verzweiflung und eine teils beinah klaustrophobische Spannung liegen über der Handlung. Es gibt keine großen Erklärungen, der Leser soll aus dem Dargestellten seine eigenen Schlüsse und Bewertungen ziehen.

Die klare, meist nüchterne Sprache mit knappen Sätzen und nur wenigen Dialogen harmoniert mit dieser Stimmung. Diese Reduziertheit und Kühle weckt nicht bei jedem Leser Begeisterung; auch hätte man die Charaktere von Myriam und Paul noch etwas plastischer herausarbeiten können, damit sie deutlicher vor Augen erscheinen, sich mehr einprägen.

Fazit:

"Dann schlaf auch du" von Leila Slimani ist ein beklemmender Why-dunnit-Krimi in knappem Stil; kein überragender, aber doch lesenswerter und durchaus berührender Roman.

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