24. August 2017

Die Verlassene - Mary Torjussen

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei Blanvalet
Seiten: 416
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Die Autorin:

Mary Torjussen aus Großbritannien hat Creative Writing studiert und als Lehrerin gearbeitet. "Die Verlassene" ist ihr erster Roman.

Inhalt:

Für die Liverpoolerin Hannah läuft das Leben gerade wunderbar: Sie ist seit vier Jahren glücklich mit ihrem Lebensgefährten Matt, sie liebt ihren Job als Senior Managerin einer Wirtschaftsprüfungskanzlei und hat gerade gute Aussichten auf eine Beförderung erhalten. Doch als sie nach einem langen Arbeitstag nach Hause kommt, ist Matt nicht zuhause. Mehr noch - alle seine Sachen sind mit ihm verschwunden.

Matts Kleidung, seine Fotos, sämtliche Gegenstände, die an ihn erinnern, sind weg - und auch auf Hannas Smartphone und Computer sind alle Spuren von ihm gelöscht, seine Handynummer existiert nicht mehr, ebenso seine Profile in sozialen Netzwerken. Kurz darauf muss Hannah erfahren, dass er auch seinen Job gekündigt hat.

Hannah ist fassungslos, denn nichts deutete ihrer Meinung nach auf eine Trennung hin. Sie vernachlässigt ihre Arbeit und stellt Tag und Nacht Nachforschungen über Matts Verbleib an. Parallel erhält sie seltsame anonyme Botschaften in Form von Briefen und SMS. Veränderungen in ihrer Wohnung deuten darauf hin, dass sich irgendjemand in ihrer Abwesenheit Zutritt verschafft. Ist es etwa matt? Hannah ist überzeugt davon, ihr Umfeld zweifelt allerdings mehr und mehr an ihrem Verstand ...

Bewertung:


Mary Torjussens Debütwerk ist ein über weite Strecken fesselnder Thriller, der mit einer überraschenden Wendung aufwartet, die allerdings auch etwas gewöhnungsbedürftig ist.

Die Ausgangslage ist sehr reizvoll, da man zunächst überhaupt nicht ahnt, was hinter Matts plötzlichem Verschwinden steckt. Zugleich ist Hannas Verzweiflung sehr nachvollziehbar, man fühlt mit ihr und möchte erfahren, warum Matt verschwunden ist und ob sie ihn wiederfinden wird. Matts Verschwinden ist nicht nur deshalb so seltsam, weil es offenbar keine Anzeichen gab, sondern auch, weil es scheint, als wollte er jede Erinnerung an seine Existenz vernichten. Hannah hat keine Handhabe, ihn zu kontaktieren, hat keine engen gemeinsamen Freunde, die sie fragen könnte, und auch seine Familie ist unerreichbar. Noch spannender wird es, als die eigenartigen Vorkommnisse beginnen. Hannah fühlt sich verfolgt und beobachtet, sie erhält dubiose Nachrichten und ist überzeugt davon, dass jemand heimlich ihre Wohnung betritt und beispielsweise Blumen hinterlässt. Auch hier darf der Leser rätseln, wer mit welchem Motiv hinter diesen Dingen steckt.

Mit Ich-Erzählerin Hannah leidet man zunächst sehr mit. Man erlebt, wie aus der toughen Karrierefrau in kürzester Zeit ein labiles Wrack wird. Hannah kann sich kaum noch auf ihren Job konzentrieren, schläft schlecht, isst wenig, grübelt unentwegt über Matt nach, stellt während ihrer Arbeitszeit Recherchen an und gerät ernsthaft in Gefahr, ihren früher so geliebten Arbeitsplatz zu verlieren. Auch ihre beste Freundin Katie wird immer ungeduldiger mit ihr, Hannah fühlt sich zunehmend im Stich gelassen. Dazu kommt noch Hannahs sehr schwieriges Verhältnis zu ihrem dominanten Vater, das später noch eine wichtige Rolle spielt. Der Roman hat zwar aufgrund der mysteriösen Stalkingvorgänge seine Thrillerelemente, ist aber auch und vielleicht sogar vorwiegend ein Psychodrama, das detailgenau eine psychische Ausnahmesituation nachzeichnet.

Allerdings kommt auch irgendwann der Punkt, an dem der Leser ein wenig die Geduld mit Hannah verliert. Bei allem Kummer handelt sie manchmal sehr irrational, verlässt beispielsweise spontan ihren Arbeitsplatz, obwohl ihr Job ohnehin am seidenen Faden hängt. Des Weiteren ist ihre beste Freundin Katie keine besonders sympathische Gestalt. Immer wieder gibt es seitens Katie Sticheleien, genervte Reaktionen und Ungeduld; es fällt schwer zu verstehen, warum die beiden überhaupt seit so vielen Jahren enge Freundinnen sind.

Am Ende gibt es einen durchaus überraschenden Twist, der einige Dinge aufklärt und zugleich in ein etwas anderes Licht rückt. Diese Wendung hat ihren Reiz, kann aber auch Enttäuschung auslösen, da sie der Handlung eine ganz andere Richtung zuweist. Sie ist gewagt, aber gewöhnungsbedürftig und daher polarisierend - die einen werden begeistert sein, wie sich die Dinge drehen, die anderen werden sich eventuell etwas betrogen fühlen.

Fazit:

"Die Verlassene" von Mary Torjussen ist eine unterhaltsame Mischung aus Thriller und Psychodrama mit einer überraschenden Auflösung, die allerdings nicht hundertprozentig überzeugt.

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