21. April 2017

Das Gesicht meines Mörders - Sophie Kendrick

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Rowohlt
Seiten: 320
* * * * *
Die Autorin:

Sophie Kendrick studierte englische Literatur und arbeitete als Ghostwriterin und in einer Buchagentur. "Das Gesicht meines Mörders" ist ihr erster eigener Roman.

Inhalt:

Als Clara Winter im Krankenhaus aus dem Koma erwacht, bemerkt sie mit Entsetzen, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat. Sie weiß nicht, wer sie ist oder was geschehen ist - und sie erkennt auch ihren besorgten Ehemann Roland nicht wieder. Sie erfährt, dass offenbar ein Einbrecher sie niederschlug und anschließend das Haus in Brand setzte. Die Ärzte können ihr nicht sagen, wann sie ihr Gedächtnis zurückerlangen wird.

Bald darauf wird Clara mitgeteilt, dass sie kurz vor dem Angriff Anzeige wegen Stalking gegen unbekannt gestellt hat. Immer wieder fühlte sich Clara in den vergangenen Wochen verfolgt und belästigt, sodass die Polizei in Betracht zieht, dass kein Einbrecher, sondern ihr anonymer Stalker sie niederschlug.

Schließlich erfährt Clara aber noch beunruhigende Dinge von ihrem Ehemann: Anscheinend litt sie schon seit Längerem unter Wahnvorstellungen und war daher auch nicht arbeitsfähig. Hat sie sich auch das Stalking möglicherweise nur eingebildet? Zudem ertappt sie Roland mehrmals beim Lügen. Clara weiß nicht, wem sie trauen kann. Und schließlich fühlt sie sich erneut verfolgt und bedroht ...

Bewertung:

Mit "Das Gesicht meines Mörders" ist Sophie Kendrick gleich mit ihrem ersten Roman ein sehr überzeugender Thriller geglückt, der den Leser von Anfang bis Ende in Atem hält.

Freilich begegnet man der Ausgangslage öfter in diesem Genre: Ein Protagonist mit Amnesie bietet sich natürlich von vornherein an, um Spannung zu erzeugen. So auch in diesem Fall, wo man nicht mehr weiß als Clara Winter. Im Laufe der Handlung ergeben sich viele Fragen, die man unbedingt beantwortet sehen möchte: Zentral ist vor allem natürlich die Frage, wer Clara niedergeschlagen hat - war sie ein Zufallsopfer oder hat es tatsächlich jemand gezielt auf ihr Leben abgesehen? Wie viel stimmt von dem, was ihr Mann Roland ihr erzählt: Sie leide unter Wahnvorstellungen, sie sei eine Einzelgängerin ohne Freunde, ihre Familie sei tot. Durch den Brand sind auch alle weiteren potenziellen Informationsquellen wie Fotos, Tagebücher oder Briefe vernichtet. Clara hat im Grunde nur Roland, um mehr über ihr Leben zu erfahren - doch kann sie ihm wirklich trauen? Ist er tatsächlich der liebende Ehemann, für den er sich ausgibt - obwohl ihm als attraktiven Bestsellerautor die Frauen nachlaufen und obwohl Clara doch anscheinend so viele psychische Probleme hat? Auch fühlt sich Clara bald schon eingeengt und überwacht von Roland; doch es ist unklar, ob er einfach sehr besorgt ist oder ob er andere Gründe dafür hat.

Clara weiß nicht einmal, ob sie sich selbst und ihren bisweilen aufblitzenden Erinnerungsfetzen trauen darf. Ab und zu meint sie, sich an etwas zu erinnern, und sie träumt von dem Angriff auf sie. Doch sie kann nicht einschätzen, ob Phantasie oder Wirklichkeit dahintersteckt. Claras Hilflosigkeit, ihre Unsicherheit, wem sie trauen kann und wer sie überhaupt ist, wird sehr überzeugend eingefangen. Man sympathisiert und leidet mit ihr, kann ihre Gedanken und Ängste nachvollziehen, und man hofft auf ein gutes Ende. Claras Nachforschungen ergeben einige interessante Anhaltspunkte, die für neue Spannung sorgen. So findet sie auf ihrem Handy eine Nachricht mit der Bitte um ein Treffen von einer "Isabel". Aber ist "Isabel" nun eine Freundin oder ist sie ihre Feindin? Des Weiteren stößt Clara auf brisante Familienereignisse in ihre Vergangenheit; auch hier darf man lange miträtseln, inwiefern sie eine Bedeutung für die aktuellen Geschehnisse haben.

Längen kommen bei all diesen Anknüpfungspunkten nicht auf; vielmehr gelingt es der Autorin, den Leser durchgängig bei der Stange zu halten. "Das Gesicht meines Mörders" ist einer jener Thriller, die man möglichst ohne Unterbrechungen verschlingen möchte. Man fiebert dem Ende entgegen und wird nicht enttäuscht. Die Auflösung ist nicht zu vorhersehbar und wird überzeugend präsentiert. Schwächen gibt es im Grunde kaum. Sicher sind die Charaktere nicht außergewöhnlich einprägsam, was aber dank der unterhaltsamen Handlung nicht weiter ins Gewicht fällt. Nicht wirklich realistisch ist die Darstellung, wie Clara an eine bestimmte Waffe kommt - das wirkt doch recht konstruiert. Und generell haben die meisten Thriller mit Amnesiethematik den kleinen Haken, dass der Zeitpunkt, an dem das Gedächtnis zurückkommt, natürlich an einer besonders passenden Stelle eintrifft, um die Spannung nicht vorzeitig abzubrechen. Das ist auch hier der Fall, aber zumindest wird der Moment der Gedächtnisrückkehr nicht zu plakativ in Szene gesetzt.

Fazit:

"Das Gesicht meines Mörders" von Sophie Kendrick ist ein sehr überzeugender Debütroman und ein fesselnder und kurzweiliger Thriller. Wer Spannungsromame mag, die sich um einen Gedächtnisverlust der Protagonistin drehen, der darf beherzt zugreifen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.