23. Januar 2016

Fenster zum Tod - Linwood Barclay

Produktinfos:

Ausgabe: 2012
Seiten: 592
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Der Autor:

Linwood Barclay studierte zunächst LIteratur und arbeitete als Journalist in Kanada. Er begann eine Krimireihe, die bislang nicht auf Deutsch veröffentlicht wurde. 2007 erschien sein Thriller "Ohne ein Wort", der ihn sofort zum Bestsellerautor machte. Weitere Werke sind "Dem Tode nah" und "In Todesangst".

Inhalt:


Der fünfunddreißigjährige Thomas Kilbride ist schizophren und wird von seinem Vater betreut; nach dessen Tod übernimmt zunächst Thomas' Bruder Ray diese Aufgabe. Thomas verlässt so gut wie nie das Haus und tut sich schwer mit sozialer Interaktion. Stattdessen befasst er sich fast rund um die Uhr mit Kartografie und kennt nahezu alle Stadtpläne der Welt auswendig.

Eines Tages entdeckt Thomas bei einem virtuellen Spaziergang durch New York mit dem Computerprogramm Whirl360 ein Fenster in einer Wohnung, an dem sich etwas Seltsames abspielt - das verschwommene Bild scheint zu zeigen, wie eine Person gerade mit einer Plastiktüte erstickt wird. Thomas ist überzeugt davon, dass hier zufällig ein Mord aufgenommen wurde. Auf sein Drängen hin fährt Ray zu der Wohnung und erfährt, dass die beiden ehemaligen Bewohnerinnen seit Monaten ausgezogen sind.

Merkwürdigerweise wird die Wohnung inzwischen zwar anderweitig vermietet, aber nicht bewohnt. Zudem stellt sich heraus, dass eine der Bewohnerinnen, die Kellnerin Allison Fitch, tatsächlich verschollen zu sein scheint - und wenig später ist die Wohnungsansicht bei Whirl360 bearbeitet worden, und die Person am Fenster wurde herausretuschiert. Ray ahnt allmählich, dass sein Bruder Recht hatte und hier tatsächlich ein Mord vertuscht wurde. Die Polizei schenkt ihnen keinen Glauben, sondern hält alles für Hirngespinste aufgrund von Thomas' Krankheit. Rays Recherche blieb jedoch anderweitig nicht unbemerkt - bald darauf schweben er und Thomas in tödlicher Gefahr ...

Bewertung:

Wenn Linwood Barclays Roman als Variante des 21. Jahrhunderts von Hitchcocks "Fenster zum Hof" beworben wird, trifft das durchaus den Kern. Verschärft wird diese Variante dadurch, dass der Mordzeuge unter Schizophrenie leidet und von der Polizei bereits durch andere Aktionen als unglaubwürdig eingestuft wurde. Das Buch ist in erster Linie ein hochspannender Thriller, beleuchtet aber auch eine komplizierter Brüder-Beziehung und den Alltag eines psychisch kranken Menschen.

Ray und Thomas sind sympathische Protagonisten, die zum Mitfiebern einladen. Ihr Schicksal ist dem Leser nicht gleichgültig, vielmehr hofft er, dass beide aus dem Schlamassel heil herauskommen werden. Bei Ray darf man davon ausgehen, da er als Ich-Erzähler auftritt, bei Thomas kann man dagegen nicht sicher sein. Die Hauptspannung dreht sich natürlich um die Frage, was es mit dem Mord auf sich hat, wer dahintersteckt und wie die Brüder sich den Verfolgern entziehen können.

Aufgrund der unterschiedlichen Erzählperspektiven weiß der Leser mehr als die Hauptfiguren Ray und Thomas. Der Großteil des Geschehens wird zwar von Ray berichtet, aber es gibt auch einige Kapitel, in denen personale Erzähler die Ereignisse um die verschwundene Allison und die Täter rund um den Mordkomplott beleuchten. Allison Fitch ist eine Kellnerin, die chronisch pleite ist und es sich durch ihre schlechte Zahlungsmoral inzwischen mit allen Freunden verdorben hat. Sie spielt in den Ereignissen um den Fenstermord eine zentrale Rolle, allerdings entwickelt sich hier einiges anders, als es der Leser zunächst vermutet. Im Gegensatz zu Ray und Thomas ist die egoistische Allison keine Sympathieträgerin, aber das macht es nur interessanter und ein bisschen realitätsnäher - warum sollten es immer die liebenswerten Menschen sein, die in Thrillern eine tragende Rolle spielen.

Für den Leser gibt es somit zwar kein Rätselraten, ob Thomas mit seinem Verdacht richtig liegt, aber der Spannung tut dies keinen Abbruch: Man weiß umso deutlicher um die Gefahr, in der Thomas und Ray schweben und dass Rays scheinbar harmlose Recherche schwerwiegende Folgen haben wird. Parallel gibt es in dem Strang um Allison einige unerwartete Wendungen, die den Rezipienten in Atem halten. Verstärkt wird die Spannung noch durch zwei Zusatzelemente: Zum einen bekommt Ray Zweifel, was den Unfalltod seines Vaters angeht, zum anderen erfährt er, dass Thomas mit dreizehn Jahren irgendetwas Schlimmes erlebt hat, über das er bisher nicht mit ihm sprechen wollte. Langeweile kommt trotz des Umfangs nicht auf; Linwood Barclay versteht es einfach, die Schlinge um seine Figuren immer enger zu ziehen und an den passenden Stellen wirkungsvolle Überraschungsmomente zu platzieren.

Bei aller Dramatik gibt es auch humorvolle Szenen, die sich aus Thomas' Krankheit ergeben, ohne dass sich darüber lustig gemacht wird. Thomas ist überzeugt davon, für den CIA zu arbeiten und schickt regelmäßig Mailberichte über seine kartografischen Tätigkeiten. Seiner Überzeugung nach werden irgendwann sämtliche Stadt- und Landkarten durch eine Katastrophe verschwinden, sodass der CIA auf Thomas' Fähigkeiten zurückgreifen muss. Das bei Schizophrenie typische Stimmenhören wird bei Thomas durch Tabletten eingedämmt; nur die Stimme des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton spricht noch regelmäßig zu ihm und lobt ihn für seinen Einsatz. Ray steht Thomas' Überzeugungen ein ums andere Mal ratlos gegenüber, und für den Leser sind Thomas' naiv-offene Sichtweisen und Äußerungen amüsant.

Sicherlich ist das Werk nicht dazu geeignet, umfassende Einblicke in die Schizophrenie zu schenken; bisweilen wirkt Thomas auch mehr wie ein autistischer Inselbegabter, nicht umsonst wird er an einer Stelle spöttisch "Rain Man" genannt. Illustriert wird weniger speziell die Krankheit Schizophrenie als eher die Schwierigkeit, psychisch kranken Menschen angemessen zu begegnen und sie zu verstehen.

Schwächen gibt es so gut wie gar keine zu verzeichnen. Unter Umständen ist das dramatische Finale ein bisschen konstruiert, es geschieht das eine oder andere passende Ereignis zur passenden Zeit, aber das ist verzeihlich. Wer Spaß am hochspannenden Thrillern hat, wird hier sicherlich nicht enttäuscht werden.

Fazit:


Sehr spannender Thriller mit interessantem Grundthema, der von Anfang bis Ende fesselt und bestens unterhält.

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