Produktinfos:
Ausgabe: 2015
Seiten: 224
Amazon
* * * * *
Die Autorin:
Ingrid Noll wurde 1935 als Tochter eines Arztes in Shanghai geboren. Mit 14 Jahren siedelte ihre Familie nach Deutschland über, wo sie in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren begann. Erst im Alter von 55 Jahren veröffentlichte sie mit "Der Hahn ist tot" ihren ersten Roman, der sofort die Bestsellerlisten stürmte. Es folgten weitere erfolgreiche Werke, u.a.: "Die Apothekerin", "Die Häupter meiner Lieben", "Selige Witwen" und "Röslein rot". Mehrere ihrer Bücher wurden verfilmt.
Inhalt:
Nelly ist Mitte dreißig, Mutter des neunjährigen Simon und der sechsjährigen Caroline und alleinerziehend, seit der Vater der Kinder zurück in seine amerikanische Heimat gegangen ist. Um die knappen Finanzen etwas aufzubessern, eröffnet sie einen Mittagstisch. Die Gäste sind überwiegend Bekannte aus der Umgebung, die statt Kantinenessen oder Fast Food lieber gemütliche Mahlzeiten im kleinen Kreis bevorzugen.
Die Gäste sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Da ist beispielsweise Nellys alte Freundin Regine, eine Lehrerin mit Vorliebe für altmodische Ausdrucksweisen, der braun gebrannte Sportlehrer und der gemütliche alte Kreuzfahrtsteward, der von allen "Kapitän" genannt wird und der Nellys Kindern bald ein Opa-Ersatz wird.
Schließlich stößt auch der attraktive Elektroinstallateur Markus in die Runde hinzu, auf den Nelly ein Auge geworfen hat. Leider hat er stets seine Freundin Gretel dabei, die Nelly ein Dorn im Auge ist. Doch dagegen könnte man etwas machen - schließlich weiß Nelly von Gretels Erdnuss-Allergie ...
Bewertung:
Zu ihrem achtzigsten Geburtstag 2015 veröffentlichte Ingrid Noll ihre mittlerweile dreizehnten Roman. Grundsätzlich ist "Der Mittagstisch" in vielerlei Hinsicht ein typischer Noll-Krimi: Die Protagonistin ist eine Frau, die es im Leben nicht immer leicht und glücklich gehabt hat, es werden Mordpläne geschmiedet, es kommt sowohl zu beabsichtigten als auch zu unbeabsichtigten Todesfällen, und das alles wird in einem nonchalanten Plauderton erzählt.
Die Handlung ist recht spannend: Man weiß zwar, dass Nelly gerne ihre Rivalin Gretel aus dem Weg räumen würde. Doch es ist ungewiss, ob sie ihren Plan durchsetzt, ob sie dabei unbehelligt davon kommt und ob es ein Happy End mit Markus geben wird. Zudem steht brisanterweise auf einmal der verschollene Ex Matthew vor der Tür und möchte seine Kinder mit auf die Farm nach North Dakota nehmen. Unter den Nebenfiguren sticht vor allem der "Kapitän" hervor, bei dem anfangs nicht ganz klar ist, ob er aus Spaß am Familienleben in die Opa-Rolle schlüpft oder ob er vielleicht doch ein Auge auf Nelly geworfen hat. Nellys aufgeweckte, aber auch manchmal anstrengende Kinder Simon und Caroline sorgen für den einen oder anderen amüsanten Zwischenfall, und auch die Sticheleien und Lästereien zwischen den Gästen am Mittagstisch sind für den Leser amüsant. Abseits der Krimihandlung erzählt die Handlung auch den komplizierten Alltag einer alleinerziehenden Mutter, die keinen Unterhalt bekommt; viele Mütter werden sich in diversen Szenen in Nelly hineinversetzen können.
Trotzdem gelingt es den Roman allenfalls stellenweise, an die Klasse ihrer älteren Werke heranzureichen. Nelly ist zwar keine unsympathische Figur, bleibt im Vergleich zu anderen Noll-Protagonistinnen sehr blass. Vor allem die Protagonistinnen der ersten Krimis waren sehr einprägsame Charaktere, die einem noch lange nach der Lektüre im Gedächtnis blieben: Man denke an die resolute alte Jungfer Rosemarie Hirte, die auf Biegen und Brechen einmal das Liebesglück erleben möchte, die unglückliche Apothekerin Hella, die direkt an der Quelle für raffinierte Giftmorde sitzt oder die diebischen Freundinnen Maja und Cora, die so manchen Mann aus dem Weg geräumt haben, der sich ihrer Freundschaft in den Weg stellte.
Nelly erscheint sehr zahm im Vergleich zu diesen Figuren, und so wirken ihre Mordpläne recht aufgesetzt, längst nicht so selbstverständlich wie bei den anderen Damen, bei denen der Leser bei aller Schlechtigkeit des Vorhabens gut nachvollziehen konnte, wie sie auf ihre Ideen kamen. Von den Nebenfiguren ist eigentlich nur der Kapitän reizvoll, der den Kindern unterhaltsames Seemannsgarn präsentiert, Nelly zur Hand geht und ein Auge auf ihre Männerbekanntschaften hält. Der Rest des Mittagstischs ist unspektakulär, auch wenn die Malicen untereinander unterhaltsam zu lesen sind.
Neben den zu belanglos gestalteten Figuren enttäuscht insbesondere der Schluss. Die Auflösung ist an sich nicht unpassend, aber viel zu rasch herbeigeführt, als habe man das Ende unter großem Zeitdruck fertiggestellt. In dieser Unmittelbarkeit wirkt es nicht glaubwürdig, sondern eher wie eine Notlösung, die man nicht richtig ausgearbeitet hat. Der Stil ist, wie immer bei Ingrid Noll, sehr flüssig, und für Fans der Autorin ist die Lektüre keine Zeitverschwendung. Für Einsteiger gibt es aber wesentlich besser geeignete Werke, und grundsätzlich ist es angeraten, auf die Taschenbuchausgabe zu warten, statt 22 Euro für das dünne Hardcover auszugeben.
Fazit:
Ein schwächerer Ingrid-Noll-Roman, der sich nur für ihre Fans empfiehlt. Die Geschichte ist zwar recht unterhaltsam und lässt sich flott lesen, die Charaktere sind aber längst nicht so originell und interessant wie in ihren früheren Werken, und das Ende kommt zu abrupt.
Ausgabe: 2015
Seiten: 224
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Die Autorin:
Ingrid Noll wurde 1935 als Tochter eines Arztes in Shanghai geboren. Mit 14 Jahren siedelte ihre Familie nach Deutschland über, wo sie in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren begann. Erst im Alter von 55 Jahren veröffentlichte sie mit "Der Hahn ist tot" ihren ersten Roman, der sofort die Bestsellerlisten stürmte. Es folgten weitere erfolgreiche Werke, u.a.: "Die Apothekerin", "Die Häupter meiner Lieben", "Selige Witwen" und "Röslein rot". Mehrere ihrer Bücher wurden verfilmt.
Inhalt:
Nelly ist Mitte dreißig, Mutter des neunjährigen Simon und der sechsjährigen Caroline und alleinerziehend, seit der Vater der Kinder zurück in seine amerikanische Heimat gegangen ist. Um die knappen Finanzen etwas aufzubessern, eröffnet sie einen Mittagstisch. Die Gäste sind überwiegend Bekannte aus der Umgebung, die statt Kantinenessen oder Fast Food lieber gemütliche Mahlzeiten im kleinen Kreis bevorzugen.
Die Gäste sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Da ist beispielsweise Nellys alte Freundin Regine, eine Lehrerin mit Vorliebe für altmodische Ausdrucksweisen, der braun gebrannte Sportlehrer und der gemütliche alte Kreuzfahrtsteward, der von allen "Kapitän" genannt wird und der Nellys Kindern bald ein Opa-Ersatz wird.
Schließlich stößt auch der attraktive Elektroinstallateur Markus in die Runde hinzu, auf den Nelly ein Auge geworfen hat. Leider hat er stets seine Freundin Gretel dabei, die Nelly ein Dorn im Auge ist. Doch dagegen könnte man etwas machen - schließlich weiß Nelly von Gretels Erdnuss-Allergie ...
Bewertung:
Zu ihrem achtzigsten Geburtstag 2015 veröffentlichte Ingrid Noll ihre mittlerweile dreizehnten Roman. Grundsätzlich ist "Der Mittagstisch" in vielerlei Hinsicht ein typischer Noll-Krimi: Die Protagonistin ist eine Frau, die es im Leben nicht immer leicht und glücklich gehabt hat, es werden Mordpläne geschmiedet, es kommt sowohl zu beabsichtigten als auch zu unbeabsichtigten Todesfällen, und das alles wird in einem nonchalanten Plauderton erzählt.
Die Handlung ist recht spannend: Man weiß zwar, dass Nelly gerne ihre Rivalin Gretel aus dem Weg räumen würde. Doch es ist ungewiss, ob sie ihren Plan durchsetzt, ob sie dabei unbehelligt davon kommt und ob es ein Happy End mit Markus geben wird. Zudem steht brisanterweise auf einmal der verschollene Ex Matthew vor der Tür und möchte seine Kinder mit auf die Farm nach North Dakota nehmen. Unter den Nebenfiguren sticht vor allem der "Kapitän" hervor, bei dem anfangs nicht ganz klar ist, ob er aus Spaß am Familienleben in die Opa-Rolle schlüpft oder ob er vielleicht doch ein Auge auf Nelly geworfen hat. Nellys aufgeweckte, aber auch manchmal anstrengende Kinder Simon und Caroline sorgen für den einen oder anderen amüsanten Zwischenfall, und auch die Sticheleien und Lästereien zwischen den Gästen am Mittagstisch sind für den Leser amüsant. Abseits der Krimihandlung erzählt die Handlung auch den komplizierten Alltag einer alleinerziehenden Mutter, die keinen Unterhalt bekommt; viele Mütter werden sich in diversen Szenen in Nelly hineinversetzen können.
Trotzdem gelingt es den Roman allenfalls stellenweise, an die Klasse ihrer älteren Werke heranzureichen. Nelly ist zwar keine unsympathische Figur, bleibt im Vergleich zu anderen Noll-Protagonistinnen sehr blass. Vor allem die Protagonistinnen der ersten Krimis waren sehr einprägsame Charaktere, die einem noch lange nach der Lektüre im Gedächtnis blieben: Man denke an die resolute alte Jungfer Rosemarie Hirte, die auf Biegen und Brechen einmal das Liebesglück erleben möchte, die unglückliche Apothekerin Hella, die direkt an der Quelle für raffinierte Giftmorde sitzt oder die diebischen Freundinnen Maja und Cora, die so manchen Mann aus dem Weg geräumt haben, der sich ihrer Freundschaft in den Weg stellte.
Nelly erscheint sehr zahm im Vergleich zu diesen Figuren, und so wirken ihre Mordpläne recht aufgesetzt, längst nicht so selbstverständlich wie bei den anderen Damen, bei denen der Leser bei aller Schlechtigkeit des Vorhabens gut nachvollziehen konnte, wie sie auf ihre Ideen kamen. Von den Nebenfiguren ist eigentlich nur der Kapitän reizvoll, der den Kindern unterhaltsames Seemannsgarn präsentiert, Nelly zur Hand geht und ein Auge auf ihre Männerbekanntschaften hält. Der Rest des Mittagstischs ist unspektakulär, auch wenn die Malicen untereinander unterhaltsam zu lesen sind.
Neben den zu belanglos gestalteten Figuren enttäuscht insbesondere der Schluss. Die Auflösung ist an sich nicht unpassend, aber viel zu rasch herbeigeführt, als habe man das Ende unter großem Zeitdruck fertiggestellt. In dieser Unmittelbarkeit wirkt es nicht glaubwürdig, sondern eher wie eine Notlösung, die man nicht richtig ausgearbeitet hat. Der Stil ist, wie immer bei Ingrid Noll, sehr flüssig, und für Fans der Autorin ist die Lektüre keine Zeitverschwendung. Für Einsteiger gibt es aber wesentlich besser geeignete Werke, und grundsätzlich ist es angeraten, auf die Taschenbuchausgabe zu warten, statt 22 Euro für das dünne Hardcover auszugeben.
Fazit:
Ein schwächerer Ingrid-Noll-Roman, der sich nur für ihre Fans empfiehlt. Die Geschichte ist zwar recht unterhaltsam und lässt sich flott lesen, die Charaktere sind aber längst nicht so originell und interessant wie in ihren früheren Werken, und das Ende kommt zu abrupt.
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