25. Januar 2015

Gone Girl - Gillian Flynn

Produktinfos:

Ausgabe: 2013
Seiten: 592
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Die Autorin:

Gillian Flynn, Jahrgang 1971, arbeitete nach ihrem Journalismus-Studium als Fernsehkritikerin, ehe sie sich dem Schreiben widmete. Bereits mit ihrem ersten Roman "Cry Baby" gelang ihr 2006 ein beachtlicher Erfolg, den sie 2009 mit "Dark Places" fortsetzte.

Inhalt:

Nick und Amy Dunne erscheinen nach außen hin als glückliches Vorzeigeehepaar: Die hübsche Amy ist die Tochter eines erfolgreichen Autorenpaars und diente seit ihrer Kindheit als Vorlage für deren Buchreihe "Amazing Amy", eine national beliebte Romanfigur. Nick arbeitete in New York als Journalist, ehe er in Missouri mit Amys Geld eine Bar eröffnete.

Als Nick am fünften Hochzeitstag abends nach Hause kommt, ist Amy verschwunden. Das Wohnzimmer ist verwüstet, die Haustür steht offen, Amys Handy ist ausgeschaltet und es gibt keinen Hinweis auf ihren Verbleib. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf; da Amy durch die Bücher ihrer Eltern eine gewisse Popularität besitzt, schalten sich auch schnell die Medien ein.

Nach wenigen Tagen gerät Nick in den Fokus der Ermittlungen. Die Polizei findet Blutspuren in der Küche, Nick hat kein richtiges Alibi, eine Nachbarin hörte abends einen heftigen Streit zwischen den beiden. Zudem hat Nick hohe Kreditkartenschulden und die Ehe war offenbar schon lange nicht mehr so glücklich, wie es den Anschein hat. Nick wehrt sich verzweifelt gegen die Anschuldigungen - ist er Täter oder Opfer? Sowohl seine Schwester als auch Amys Eltern wissen bald nicht mehr, was sie glauben sollen ...

Wo ist Amazing Amy?

Was hat Gillian Flynns dritter Roman nicht für einen Hype ausgelöst - innerhalb kürzester Zeit stürmte er die Bestsellerlisten, es hagelte Auszeichnungen und Nominierungen, 2014 erschien die erfolgreiche Verfilmung mit Rosamund Pike und Ben Affleck in den Hauptrollen, die gleichfalls zumindest etliche Nominierungen bei den wichtigsten Filmpreisen einheimsen konnte; unter anderem darf sich Rosamund Pike zumindest kleine Hoffnungen auf den Oscar als beste Hauptdarstellerin machen.

An gelungenen Thrillern mangelte es der amerikanischen Literaturlandschaft in den vergangenen Jahren freilich nicht - was "Gone Girl" von zahlreichen anderen Werken des Genres abhebt, ist vor allem das Ausmaß an Wendungen und Unwägbarkeiten. Gillian Flynn bedient sich in ihrem Roman eines unzuverlässigen Erzählers und dies gleich auf doppelte Weise: Die Handlung wechselt kapitelweise zwischen Nicks und Amys Perspektive, gibt mal seine und mal ihre Sichtweise wieder - und diese beiden Sichtweisen unterscheiden sich erheblich.

Der Leser lernt zunächst Nick kennen und hat durchaus Gründe, ihn sympathisch zu finden - er erscheint als recht unspektakulärer Mann Mitte dreißig, dessen Leben durch das urplötzliche Verschwinden seiner Frau auf den Kopf gestellt wird. Viele Psychothriller bauen auf dieses Grundszenario und führen es dahingehend fort, dass der Leser mit dem Protagonisten leidet und hofft, dass er seine Unschuld beweisen kann. Hier hingegen erhält das von Nick gezeichnete Bild rasch Risse, nachdem sich herausstellt, dass er gegenüber er Polizei nicht ganz ehrlich war - und schließlich offenbart sich, dass er nicht nur gegenüber den Ermittlern, sondern auch gegenüber den Leser einiges verborgen hat und man darf rätseln, wie viel er möglicherweise noch verheimlicht. Anders als im herkömmlichen Thriller ist Nick nicht der sympathische Ehemann, der dem Leser als Identifikationsfigur dient - stattdessen zeigen sich einige unsympathische Züge, die in Zweifel stellen, ob er tatsächlich unschuldig ist.

Ähnlich verhält es sich auch mit Amy. Eingeführt wird sie als "Amazing Amy", die ersten Eindrücke zeigen eine lebenslustige, humorvolle und strahlende junge Frau, die ihre Mitmenschen nicht nur durch ihre Schönheit, sondern auch durch ihren Charme in den Bann zieht. Aber auch bei "Amazing Amy" ist nicht alles Gold, was glänzt; die Eheprobleme sind gewiss nicht nur auf Nicks Fehler zurückzuführen. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr driften die Schilderungen aus Nicks Gegenwart und Amys Tagebuch auseinander. Da beide Charaktere nicht immer ehrlich sind, ist es lange Zeit schwer, zu entscheiden, wer möglicherweise näher an den Fakten liegt. Doch auch wenn man dahinter kommen sollte, welchen Ausführen eher zu trauen ist, bleibt das Werk fesselnd, da nicht abzusehen ist, ob der Plan tatsächlich aufgeht.

Weiterhin für Spannung sorgt zudem die Frage, wie Nicks und Amys Umfeld mit den Ereignissen umgehen und für welche Sichtweise sie sich entscheiden - Amys Eltern stehen Nick nah, doch immer schwerer fällt es ihnen, vorbehaltlos hinter ihm zu stehen; umgekehrt leidet auch Nicks Zwillingsschwester Margo unter den Enthüllungen, die ihr Vertrauen in den geliebten Bruder ins Wanken bringen. Grundsätzlich zählt es auch den Stärken des Romans, dass er nicht nur ein Thriller ist, sondern auch ein reizvolles Ehedrama, das mit zynischem Blick und schwarzem Humor die kleineren und größeren Gemeinheiten innerhalb einer nach außen hin soliden Beziehung entlarvt.

Wer uneingeschränkt mit dem Protagonisten mitfiebern möchte und eine Identifikationsfigur braucht, wird mit "Gone Girl" möglicherweise seine Schwierigkeiten haben - gewiss ist es gewöhnungsbedürftig, über den Ich-Erzähler nach und nach einige unangenehme Dinge zu erfahren. Des Weiteren darf man dem Roman ankreiden, dass er in der Gesamtschau ein bisschen zu konstruiert verläuft; manche der gesponnenen Intrigen wären in der Realität, bei aller Raffinesse des Planers, so sicher nicht durchführbar.

Fazit:


Ob "Gone Girl" in allen Belangen seinem eindrucksvollen Hype gerecht wird, mag dahingestellt sein - zweifellos ist es ein sehr durchdachter, wendungsreicher und spannungsgeladener Thriller, der sich trotz scheinbar konventioneller Grundidee von der vermissten Ehefrau von zahlreichen Werken des Genres abhebt. Abends begonnen, kann es passieren, dass man die Nacht Nacht sein lässt und bis zum Morgengrauen die knapp 600 Seiten verschlingt - aber "Gone Girl" ist eine schlaflose Nacht durchaus mal wert.

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