26. April 2016

Der Keller - Minette Walters

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Goldmann
Seiten: 220
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Die Autorin:

Minette Walters, geboren 1949 in Hertfortshire, machte zunächst einen Abschluss in Französisch, ehe 1992 ihren Debütroman "Im Eishaus" veröffentlichte, der gleich ein Erfolg wurde, ebenso wie ihre weiteren Krimis wie z. B. "Die Bildhauerin", "Die Schandmaske" und "Dunkle Kammern".

Inhalt:

Seit sechs Jahren geht die vierzehnjährige Muna durch die Hölle. Mit acht Jahren wurde sie von ihrer angeblichen Tante Yetunde Songoli aus einem afrikanischen Waisenhaus geholt und nach England gebracht; tatsächlich suchte Yetunde nur eine billige Sklavin für sich und ihre Familie.

Tagsüber verrichtet Muna unermüdlich alle Hausarbeiten für die Songolis, nachts schläft sie im Keller. Sie muss Yetunde mit "Prinzessin" ansprechen, Ebuka mit "Master". Yetunde schlägt Muna regelmäßig, ihr Ehemann Ebuka vergewaltigt sie, und selbst die zehn- und dreizehnjährigen Söhne Abiola und Olubayo verachten und schlagen das Mädchen.

Munas Leben ändert sich urplötzlich, als Abiola eines Tages spurlos verschwindet. Seine Eltern erstatten eine Vermisstenanzeige. Da die Polizei routinemäßig auch ihr Haus durchsuchen wird, muss Munas Sklavenlager im Keller verschwinden. Die Songolis geben sie als ihre geistig behinderte Tochter aus und schärfen Muna ein, kein Wort zu der Dolmetscherin zu verlieren. Sie ahnen nicht, dass die kluge Muna über die Jahre hinweg etwas Englisch gelernt hat. Und sie ahnen auch nicht, dass Muna einen Plan entwickelt, wie sie sich aus ihrem Sklavendasein befreien kann ...

Bewertung:

Nur 220 Seiten umfasst dieses Büchlein, und nicht allein die Kürze, sondern vor allem der äußerst mitreißende und fesselnde Inhalt sorgt dafür, dass man das Werk durchaus in einem Zug verschlingen kann.

Minette Walters ist ein ungewöhnlicher, kammerspielartiger Thriller geglückt, der eine bemerkenswerte Protagonistin in den Mittelpunkt stellt. Es geht nicht um eine Tätersuche, denn die Rollen sind von Beginn an klar verteilt: Muna wurde unter falschen Angaben adoptiert und führt bei den Songolis ein unwürdiges Sklavenleben. Von der ersten Seite an ist der Leser folglich mit Muna verbündet und hofft inständig, dass sie sich aus diesem Leben retten kann.

Da Minette Walters eine ausgewiesene Krimi- und Thrillerexpertin ist, geht es nicht "nur" darum, dass sich Muna von ihren Peinigern befreit, indem sie flüchtet. Stattdessen entwickelt Muna einen perfiden mehrteiligen Plan, der sie nach und nach immer mehr Macht über die Songolis gewinnen lässt. Es beginnt damit, dass Ebuka Songoli einen schweren Unfall erleidet und fortan gepflegt werden muss. Bereitwillig übernimmt Muna diese Aufgabe und wird dadurch für ihn unentbehrlich. Yetunde wiederum erträgt es zwar kaum, dass ihre "Sklavin" einen anderen Status genießt, will allerdings ihren Ehemann - mit dem sie nur eine Zweckehe verbindet - auch nicht selbst pflegen, und Geld für eine Krankenschwester ist nicht da. Wohl oder übel muss Yetunde also akzeptieren, dass sie auf Muna angewiesen ist, zumal sie ohnehin immer mit den unregelmäßigen Besuchen der Polizei wegen Abiolas Verschwinden rechnen muss und Muna daher nicht in den Keller zurückkehren kann. Muna beobachtet ihre Umwelt ausgesprochen geschickt und zieht kluge Schlüsse aus allem, was sie hört und sieht, sodass sie die Familienmitglieder raffiniert gegeneinander ausspielen kann.

Ein besonderer Reiz dieses Buches liegt darin, dass Muna bei ihrem Plan eben auch zu drastischen Mitteln greift. Der Leser wird unwillkürlich zu einem Voyeur, der kaum anders kann, als Munas Taten zu bejahen, auch wenn diese gewisse Grenzen überschreiten. Die Unschuld und Naivität, die von Muna ausgeht, lässt ihre Befreiungsschläge auf verstörende Weise gutheißen. Sie ist das, was die Songolis aus ihr gemacht haben, wie sie einmal treffend formuliert, und die Familie bekommt dies zu spüren. Ein wiederkehrendes Motiv ist das Lachen des Teufels, das Muna immer wieder zu hören glaubt, wenn den Songolis etwas Schlimmes bevorsteht. Der Teufel ist ihr Verbündeter, er hilft ihr, ihr Elend weiter zu ertragen, während sie nach und nach immer mehr Vorteile für sich herausschlägt.

Das Werk ist spannend, auch wenn man nach einer Weile durchschaut, wie Munas Plan aufgebaut ist und welche Schritte sie wohl als nächstes machen wird. Wie die Geschichte endet, ist dennoch nicht vorherzusehen - ob Muna beispielsweise die freundliche Nachbarin einweiht oder sich doch an die Polizei wendet oder ob sie eines Tages aus dem Haus flieht.

Zu den geringen Schwächen gehört, dass der ältere Sohn eines Tages an Epilepsie erkrankt, was Muna langfristig in die Karten spielt - das kann man durchaus als etwas konstruiert empfinden. Zudem gibt es etwas im Haus, von dem nur Muna und nicht die Songolis wissen, was ihr gleichfalls einen großen Vorteil bringt - es ist aber etwas fraglich, wie diese gewisse Sache im eigenen Haus den Songolis über all die Jahre verborgen bleiben konnte. Des Weiteren muss man damit leben, dass der Schluss etwas abrupt kommt und nicht und man keine endgültige Klarheit über das Schicksal der Figuren bekommt.

Fazit:

Ein kurzer, aber intensiver Thriller mit nur geringen Schwächen. Sehr atmosphärisch und fesselnd, ideal geeignet für alle Leser, die düstere Kammerspiele schätzen.

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