15. Oktober 2014

Das finstere Tal - Thomas Willmann

Produktinfos:

Ausgabe: 2011
Seiten: 320
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Der Autor:

Thomas Willmann, Jahrgang 1968, studierte zunächst Musikwissenschaften und arbeitete im journalistischen Bereich, lehrte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und war als Übersetzer tätig, ehe er 2010 mit "Das finstere Tal" seinen ersten Roman vorlegte. 2014 kam eine gleichnamige Verfilmung in die Kinos.

Inhalt:

Ein abgelegenes Dorf in den Alpen, Ende des 19. Jahrhunderts: Ein paar Dutzend Seelen leben hier in bescheidenen Verhältnissen und pflegen kaum Kontakt mit der Außenwelt. Eines Tages kommt ein junger Fremder ins Dorf. Greider stellt sich als Maler vor und erklärt, dass er eine Bleibe über den Winter sucht.

Erst reagieren die Männer des Dorfes abweisend, doch schließlich kann Greiders Geld sie überzeugen. Er bekommt ein Zimmer bei der Witwe Gader, die allein mit ihrer Tochter Luzi lebt und eine Hilfe im Winter gebrauchen kann. Während die Witwe und ihre Tochter den Fremden freundlich aufnehmen, bleiben die übrigen Dorfbewohner reserviert. Dennoch gewöhnen sie sich allmählich an den Maler und es kehrt wieder Ruhe ein.

Das ändert sich mit einem Schlag, als es einen unvorhergesehen Todesfall gibt. Bei der Holzarbeit im Wald verunglückt ein junger Mann, der jüngste Sohn vom Brenner, dem sowohl respektierten als auch gefürchteten Großbauern. Kurz darauf stirbt ein weiterer Brenner-Sohn - augenscheinlich wieder ein Unfall. Und es bleibt nicht bei diesen zwei Todesfällen ...

Western meets Heimatroman

Wenn Thomas Willmann in seinem Nachwort Ludwig Ganghofer und Sergio Leone als die beiden Größen nennt, die ihn maßgeblich sei seinem Werk beeinflusst haben, dann trifft er mit dieser Kombination exakt den Kern des Romans. "Das finstere Tal" ist eine düstere, dramatische und melancholische Rache- und Sühnegeschichte vor der malerischen Kulisse eines Heimatromans.

Es ist ein Beginn wie aus einem Italowestern: Ein Fremder reitet auf seinem Maultier in ein abgelegenes Dorf und wird prompt mit Misstrauen und Ablehnung konfrontiert. Dessen ungeachtet richtet er sich dort häuslich ein und der Leser ahnt weit früher als die Einwohner, dass der Fremde eine alte Rechnung zu begleichen hat. Welcher Art diese Rechnung ist, was Greider überhaupt mit dem Dorf verbindet, lässt sich dagegen nur ganz allmählich erschließen. Die Handlung greift dabei zusätzlich zum Hauptstrang auf zwei Stränge in der Vergangenheit zurück: Rückblenden führen einmal immer wieder zurück zu Greider als Jungen mit seiner Mutter auf einer ihn prägenden Reise und einmal in eine Zeit, die noch einige Jahre weiter zurück liegt. Auf eine sehr geschickte Weise offenbart sich dem Leser somit nach und nach ein immer vollständigeres Puzzle. Andeutungen und Ahnungen fügen sich logisch ineinander, vor allem Szenen aus der Vergangenheit ergeben plötzlich einen zuvor nicht bekannten Sinn.

Hervorzuheben sind vor allem die dichte Atmosphäre und das Vermischen von Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Die Dorfbewohner erscheinen auf den ersten Blick als verschworene Gemeinschaft, bis sich unter der Oberfläche kleine Risse und Sprünge zeigen und sich die komplexen Beziehungsgeflechte verdeutlichen. Komplexität findet sich auch in Greiders Charakter. Grundsätzlich erscheint er als sympathische Figur, doch ist er anfangs zu undurchschaubar, um sich als Rezipient vollends auf seine Seite zu stellen. Nur allmählich formt sich aus diesem mysteriösen Fremden ein Bild zusammen, das der Leser einzuschätzen vermag - und auch dann gibt es Momente, in denen sowohl der Leser als auch Greider selbst vor seinen Taten zurückschrecken.

Auch rechtes und unrechtes Handeln verschwimmen ineinander - Traditionswille und der Wunsch nach Veränderung stehen sich konträr gegenüber und der Roman vermeidet es angenehmerweise, den moralischen Zeigefinger hochzuhalten. Zweifellos handelt es sich um ein düsteres Werk, dessen idyllische Szenerie einen reizvollen Gegensatz zu den emotionalen Tiefen der Figuren bildet. Vor allem einer der Handlungsstränge aus der Vergangenheit besticht durch seinen ausgesprochen intensiven und bewegenden Charakter und schafft beim Leser Bilder vor dem geistigen Auge, die er lange nicht vergisst.

Anzukreiden ist dem Roman so gut wie nichts. Freilich sind die Ausflüge in die Dialektsprache in den Dialogen gewöhnungsbedürftig für die Leser, die sonst nur Hochdeutsch konsumieren oder unerfahren mit Dialekten aus der Alpenregion sind - allerdings gibt es grundsätzlich nur wenig direkte Rede im Roman, sodass dies nicht stark ins Gewicht fällt. Generell ist "Das finstere Tal" ein sehr gemächlich anlaufendes Werk, das sich seine Zeit nimmt, um das Setting und die Atmosphäre im Dorf ausgiebig zu entwerfen. Gegen Ende gibt es zwar durchaus dramatische Entwicklungen und einen westernartigen Showdown, aber bis dahin wird Geduld vom Leser gefordert.

Fazit:

Hervorragender Debütroman, der äußerst gelungen die Genres Western und Heimatroman miteinander kombiniert und mit einem Hauch von Thrilleratmosphäre garniert. Eine eindrückliche Atmosphäre, interessante Figurenzeichnung und eine in einem grandiosen Finale mündende Handlung sorgen für ausgesprochenes Lesevergnügen - sofern man sich von der Dialektsprache in der (spärlichen) wörtlichen Rede und dem gemächlichen Einstieg nicht abschrecken lässt.

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