14. Mai 2016

Die Nacht gehört den Wölfen - Wulf Dorn

Produktinfos:

Ausgabe: 2015
Seiten: 464
Buchhandel.de
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Der Autor:

Wulf Dorn, Jahrgang 1969, arbeitete zwanzig Jahre lang in einer psychiatrischen Klinik, ehe er sich dem Schrieben widmete. Gleich sein erster Roman "Trigger" aus dem Jahr 2009 war ein großer Erfolg. Weitere Werke sind u. a. "Phobia" und "Mein böses Herz".

Inhalt:

Das Leben des fünfzehnjährigen Simon ändert sich schlagartig, als seine Eltern bei einem Autounfall sterben. Simon überlebt den Unfall und verbringt nach einem Suizidversuch einige Monate in der Psychiatrie. Nachdem er sich stabilisiert hat, kommt er zu seiner Tante Tilia, bei der auch Simons älterer Bruder Mike lebt.

Tante Tilia bemüht sich um Simon, und der Junge ist froh, wieder mit seinem großen Bruder zusammen zu sein. Trotzdem leidet er sehr unter dem Verlust seiner Eltern und kann sich in der neuen Umgebung nicht eingewöhnen. Einziger Trost ist seine neue Freundin Caro, die ihn gut versteht und aufzumuntern weiß. Ihr vertraut er auch die beängstigenden Alpträume an, die ihn verfolgen: Seine toten Eltern bedrohen ihn, weil er den Unfall überlebt hat, und ein wolfartiges Wesen jagt ihm Angst ein.

Immer wieder gerät Simon zudem in Situationen, in denen seine Träume Wirklichkeit zu werden scheinen - so auch in dem verlassenen Hotel, in dem jemand ihn und Caro offenbar beobachtet. Schließlich verschwindet in der Gegend ein Mädchen, und Simon glaubt, dem Täter auf der Spur zu sein ...

Bewertung:


Als Jugendthriller ab vierzehn Jahren ist dieses Werk von Wulf Dorn ausgeschrieben, und jünger sollten die Leser auch wirklich nicht sein, denn es ist an manchen Stellen ausgesprochen gruselig und daher auch von Erwachsenen gut zu lesen. Der Autor hat viele Jahre Psychiatriepatienten betreut und thematisiert daher gerne psychologische Phänomene und nutzt die Psychiatrie als Schauplatz, so auch hier.

"Die Nacht gehört den Wölfen" ist einerseits ein Horrorthriller, in dem lange Zeit offenbleibt, inwieweit übernatürliche Ereignisse hier stattfinden oder nicht, da die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Phantasie zunehmend verschwimmen. Andererseits ist es auch ein Buch, das sich intensiv mit den Themen Schuld und Verlust auseinandersetzt. Es wird deutlich vor Augen geführt, wie sehr Simon unter dem Tod seiner Eltern leidet. Er hadert damit, dass er den Unfall überlebt hat und fragt sich, was das Unglück überhaupt ausgelöst hat, denn ihm fehlen Erinnerungen zu den entscheidenden Momenten. Erschwert wird die Verarbeitung durch seine autistischen Züge. Simon ist in seiner Schule ein typischer Außenseiter gewesen, ein sehr guter Schüler, aber ein schlechter Sportler, ein Ordnungsfanatiker, den alles außerhalb seiner Routine nervös macht und der sich am liebsten in die klar geordnete Welt der Mathematik flüchtet. Seine Tante bemüht sich um ihn, doch sie kennt ihn längst nicht so gut, wie ihn seine Eltern kannten, die mit seinen speziellen Angewohnheiten umzugehen wussten. So ekelt sich Simon beispielsweise vor vermischtem Essen und braucht einzelne Teller für die jeweiligen Beilagen. Tante Tilia bringt dafür zwar Verständnis auf, aber es ist für beide Seiten mühsam, sich an diesen neuen Alltag zu gewöhnen - für Tilia, weil sie plötzlich einen traumatisierten Teenager versorgen muss, und für Simon, weil ihm seine Eltern und seine vertraute Umgebung fehlen.

Der Roman ist über weite Strecken spannend. Dafür sorgen die wiederkehrenden und sich steigernden Alpträume, das unheimliche Erlebnis im verlassenen Hotel, die verschwundene Leonie, die womöglich entführt wurde, und ein weiteres schlimmes Ereignis, bei dem der Verdacht gar auf Simons Bruder Mike fällt. Simon und Caro geraten immer wieder in bedrohliche Situationen, und man weiß bei manchen Charakteren zunächst nicht, ob ihnen zu trauen ist.

Problematisch ist allerdings einmal, dass das Ende verfrüht erahnt wird, wenn man bereits Werke mit ähnlicher Pointe gelesen hat. Der wohl beabsichtigte Wow-Effekt stellt sich nur ein, wenn es der erste Roman dieser Art ist, ansonsten zeichnet er sich schon bald in der zweiten Hälfte ab. Zum anderen stört, dass der Ton des Werkes uneinheitlich ist. Viele Passagen lesen sind eher wie ein Kinderbuch; etwa sind Simons Gedanken, vor allem bezüglich seiner neuen Freundin Caro, recht klischeehaft, für ältere Jugendliche kann dies leicht uninteressant wirken. Die gruseligen Passagen wiederum erfordern starke Nerven und können vierzehnjährige Leser durchaus schon etwas überfordern, auch mit dem Schluss kann nicht jeder in dieser Altersgruppe gut umgehen, weil er eher untypisch für ein Jugendbuch ist. Stilistisch ist der Roman altersgemäß, inhaltlich werden vierzehn- und fünfzehnjährige Leser aber schnell mal über- und unterfordert.

Fazit:

Ein solider, weitgehend spannender und teils sehr schön atmosphärischer, aber nicht übermäßig guter Jugendthriller, der auch für Erwachsene ordentliche Unterhaltung bietet. Das Ende überrascht nur, wenn man noch keine ähnliche Pointe erlebt hat, und es stört etwas, dass das Buch manchmal recht kindlich auf der einen Seite und manchmal sehr unheimlich auf der anderen Seite ist.

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