8. Januar 2019

Nicht ein Wort - Brad Parks

Produktinfos:

Ausgabe: 2018
Seiten: 496
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Der Autor:

Brad Parks aus den USA hat jahrelang als Journalist bei der "Washington Post" gearbeitet, ehe er sich ganz dem Schreiben widmete. 2018 erschien sein Thriller "Ich vernichte dich".

Inhalt:

Bundesrichter Scott Sampson führt ein glückliches Leben mit seiner Frau Alison und den beiden sechsjährigen Zwillingen Sam und Emma. An einem Mittwochnachmittag will er mit den Kindern zum Schwimmen fahren. Doch er erhält er eine SMS seiner Frau, dass sie die beiden von der Schule abhole, und denkt sich nichts weiter dabei. Als Alison aber abends nach Hause kommt, ist sie allein - und weiß nichts von der Nachricht.

Kurz darauf klingelt das Telefon. Eine fremde Stimme informiert Scott, dass Sam und Emma in seiner Gewalt sind. Statt Lösegeld fordert der Entführer aber, dass Scott in der anstehenden Verhandlung zu einem Drogenfall genau die Instruktionen befolgt, die er am nächsten Tag erhalten wird. Keine Polizei, sonst sterben die Kinder - und auch sonst zu niemandem ein Wort.

Scott ist trotz seiner moralischen Grundsätze sofort bereit, die Anweisungen zu befolgen und den Fall nach Belieben der Entführer zu entscheiden, wenn er nur seine Kinder wiederbekommt. Doch er ahnt noch nicht, dass diese erste Forderung nur der Anfang sein wird. Schon bald steckt er in noch größerer Bedrängnis - und fragt sich, wem in seinem privaten und beruflichen Umfeld er überhaupt noch trauen kann ...

Bewertung:

Eine Kindesentführung, die sich mal nicht um Lösegeld dreht, ist das Thema von Brad Parks Thriller "Nicht ein Wort". Das Ergebnis ist unterhaltsam und sehr solide, wenngleich auch nicht in allen Punkten rundum überzeugend. Der Roman präsentiert eine interessante Idee, viele potenzielle Täter, ein paar Wendungen und einen so weit sympathischen Protagonisten.

Scotts Gedanken und Entscheidungen sind meist gut nachvollziehbar. Natürlich ist klar, dass das Leben seiner Kinder über allem steht, aber es ist trotzdem nicht so einfach, den Forderungen nachzukommen. Es erweist sich als sehr kompliziert, die Anweisungen der Entführer zu befolgen, ohne dass jemand Wind von den Hintergründen bekommt. Trotz seiner hohen Position muss auch Scott sich für gewisse Entscheidungen rechtfertigen und läuft dabei Gefahr, dass die Entführung auffliegt, bevor seine Kinder in Sicherheit sind. Der Leser darf somit gespannt sein, was sich Scott alles einfallen lässt, um den Forderungen nachzukommen. Spannung bezieht der Roman auch aus der Frage, wer hinter dem Komplott steckt. Scott ahnt bald, dass jemand aus seinem engen Umfeld in die Entführung verwickelt sein muss. Ist es ein Freund, ein Kollege, ein Angestellter oder gar ein Angehöriger, der an dem schlimmsten Alptraum seines Lebens beteiligt ist? Die Handlung präsentiert mehrere Wendungen und einige für Scott überraschende und schockierende Offenbarungen. Langweilig wird es an keiner Stelle, auch wenn der Roman phasenweise ein ruhigeres Tempo einschlägt.

Richter Sampson ist keine sonderlich markante, aber doch so weit sympathische Hauptfigur. Ihm bleibt kaum Zeit zum Durchatmen, er fühlt sich ununterbrochen beobachtet und misstraut beinah jedem in seiner Umgebung. Scotts Gedanken kreisen um seine Kinder und um die Identität der Täter; gleichzeitig muss er aber nach außen hin souverän wie immer wirken, damit niemand misstrauisch wird. Seine Verzweiflung ist gut nachvollziehbar, seine Gedanken und Handlungen meist plausibel. Eine Situation gibt es allerdings, in der er sich ziemlich naiv verhält und bei der ihm gewisse Folgen schon vorher hätten deutlich werden sollen. Zudem ist die Auflösung vergleichsweise unspektakulär. Verglichen mit den zuvor angedeuteten Möglichkeiten, was hinter der Entführung steckt, ist die Enthüllung etwas enttäuschend.

Fazit:

"Nicht ein Wort" von Brad Parks ist ein unterhaltsamer Thriller, der das Thema Kindesentführung mal von einer etwas anderen Warte aus beleuchtet. Er mag nicht in allen Belangen hundertprozentig übezeugen, ist aber insgesamt spannend und lesenswert.

11. Juli 2018

Kalt - Eric Berg

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei ars edition
Seiten: 192
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Der Autor:

Eric Berg ist ein Pseudonym des Autors Eric Walz (Jahrgang 1966), der vor allem durch historische Romane wie "Die Herrin der Päpste". "Die Glasmalerin" und "Die Hure von Rom" bekannt wurde. Als Eric Berg verfasst er seit 2018 außerdem Kriminalromane wie "Das Nebelhaus" und "Das Küstengrab".

Inhalt:

Acht Oberstufenschüler eines Internats machen mit zwei Lehrern eine Expeditionsfahrt nach Finnland in den Patvinsuo-Nationalpark. Hier in der kalten, abgelegenen Gegend sollen sie unter Anleitung des jungen Betreuers Nooa die Moorlandschaft erforschen. Schon gleich zu Beginn klärt Nooa sie über die Gefahren des Moores auf und warnt sie inständig davor, die markierten Wege zu verlassen.

Von Anfang an herrschen Spannungen in der Gruppe, es gibt Zickereien zwischen den Mädchen und einige Jungs sorgen für Ärger. Dramatisch wird es aber erst, als ihr Biologielehrer Dr. Brecht nach einem Ausflug in die Wälder nicht zurückkehrt. Auch Suchaktionen bleiben erfolglos, zudem gibt es keinen Handyempfang.

Schließlich macht sich die Lehrerin Mrs. Greenwood mit dem Jeep auf den weiten Weg in den nächsten Ort, um Hilfe zu holen - und bleibt ebenfalls verschwunden. Langsam dämmert es der Gruppe, dass dies kein Zufall ist - und bald darauf gibt es einen Toten ...

Bewertung:

"Kalt" von Eric Berg hat eigentlich sehr gute Voraussetzungen für einen sehr spannenden Jugendthriller: Die finnische Einöde bietet ein reizvolles Setting, das fortlaufende spurlose Verschwinden von Personen ist ein altbewährter Grundplot, und als Täter kommen einige Figuren in Frage, die Identität bleibt bis kurz vor Schluss offen. Anfangs geht das Konzept auch noch auf, eine gewisse Spannung entsteht - wer wird alles verschwinden oder umgebracht werden, wie verhält sich die Gruppe, während die Lage sich immer bedrohlicher entwickelt, und was könnte das Motiv des Täters sein?

Diese vielversprechenden Ansätze verpuffen jedoch alsbald. Sämtliche Charaktere sind entweder unsympathisch oder maximal durchschnittlich interessant. Im Fokus steht die achtzehnjährige Franzi, die zu den Vernünftigsten der Gruppe gehört und nebenbei ein Auge auf den smarten Nooa geworfen hat. Man wünscht ihr zwar nichts Schlechtes, sie ist aber auch kein Protagonist, der zum Mitfiebern einlädt. Ihr Schicksal berührt nur wenig, das der anderen Figuren auch nicht. Zudem irritiert teilweise das Verhalten einiger Schüler. Sie reagieren viel zu unbedarft auf das Verschwinden ihres Lehrers; auch als er am nächsten Tag nicht von seinem Spaziergang zurückkehrt, ist das für manche kein Grund zur Besorgnis. Überhaupt dauert es lange, bis den meisten Jugendlichen der Ernst der Lage klar wird. Auch wenn man den Teenagern eine gewisse Unbedarftheit zugesteht, wird ihr Verhalten oft unpassend und nicht sehr realistisch.

Zu guter Letzt ist das Ende nicht sehr überzeugend. Zwar werden einige Fragen beantwortet, aber vor allem das Motiv bleibt sehr schwammig, daher ist auch der Abschluss nicht befriedigend.

Fazit:

"Kalt" von Eric Berg ist trotz des sehr reizvollen Sujets ein nur mäßig umgesetzter Jugendthriller ab etwa vierzehn Jahren. Er lässt sich zwar recht flott lesen und ist keine völlige Zeitverschwendung, bleibt aber doch deutlich hinter seinem Potenzial zurück; vom Autor kennt man deutlich bessere Werke.

27. Juni 2018

The Woman in the Window - A. J. Finn

Produktinfos:

Ausgabe: 2018 bei Blanvalet
Seiten: 544
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Der Autor:

A. J. Finn aus den USA hat bereits für zahlreiche amerikanische und britische Zeitungen und Zeitschriften geschrieben. Sein erster Roman "The Woman in the Window" wurde direkt ein Bestseller.

Inhalt:

Nach einem sehr traumatischen Erlebnis leidet die ehemalige Kinderpsychologin Dr. Anna Fox an Agoraphobie - sie hat panische Angst, ihr Haus zu verlassen. Ihre Kontakte beschränken sich hauptsächlich auf Telefonate mit ihrem Therapeuten, Besuche von ihrer Physiotherapeutin und kurze Gespräche mit ihrem jungen Mieter David.

Ihre Zeit verbringt Anna mit dem Schauen alter Filme, Chatten mit Gleichgesinnten, Online-Schachspielen, Alkoholkonsum - und mit dem Beobachten ihrer Nachbarn. Vor allem die frisch zugezogene Familie Russell - Vater, Mutter, fast erwachsener Sohn - interessiert sie. Kurz darauf bekommt sie sogar Besuch von Mutter und Sohn und freundet sich ein wenig mit der sehr sympathischen Jane Russell an.

Doch kurz darauf beobachtet Anna von ihrem Fenster aus, wie Jane in ihrem Haus von jemandem niedergestochen wird. Sie will ihr zu Hilfe eilen, verliert aber vor der Tür das Bewusstsein. Als sie wieder zu sich kommt, glaubt ihr die Polizei ihre Beobachtung nicht. Und schließlich präsentiert Mr. Russell zum Beweis seine lebendige Ehefrau - die allerdings völlig anders aussieht als die Jane Russell, die Anna kennengelernt hat ...

Bewertung:

Mit "The Woman in the Window" legt A. J. Finn ein gelungenes Thrillerdebüt hin.

Dabei ist es zugegeben grundlegend kein sehr origineller Plot; schließlich ist es ein gern gewähltes Genremotiv, dass der Protagonist scheinbar einen Mord beobachtet, es dafür jedoch keine Beweise gibt. Dieses Szenario wird spannend inszeniert, und man darf munter miträtseln, wie die Sache ausgeht.

Anna ist eine unzuverlässige Erzählerin, der Leser weiß nicht, wie sehr ihren Aussagen zu trauen ist. Sie leidet nicht nur unter ausgeprägten Agoraphobie, sondern nimmt auch ihre Medikamente sehr unregelmäßig und konsumiert fleißig Alkohol - möglich, dass sie tatsächlich einen Mord gesehen hat, aber auch Halluzinationen sind gut vorstellbar. Sollte Anna wirklich einen Mord beobachtet haben, stellen sich einige Fragen: Wer war das Opfer und Annas neue Freundin, wenn "Jane Russell" anscheinend quicklebendig ist? Was hat Familie Russell mit der Sache zu tun? Wie kann Anna ihre Sichtung beweisen - und was wird sich der Täter für sie einfallen lassen? Zudem ist Annas attraktiver, aber sehr schweigsamer Mieter David eine recht mysteriöse und schwer durchschaubare Gestalt.

Dr. Anna Fox ist natürlich die denkbar ungünstigste Zeugin, psychisch äußerst instabil und ein körperliches Wrack; dass die Polizei ihr nicht glaubt, kann man kaum verübeln. Etwa in der Mitte erfährt man nähere Details zu dem Trauma, das ihre Agoraphobie auslöste; routinierte Leser erahnen diesen Twist durchaus schon früher. Es ist nicht immer leicht, Annas Handlungen nachzuvollziehen. Vor allem ihr extrem laxer Umgang mit der Kombination Alkohol + Medikamente irritiert; manchmal ärgert man sich darüber, dass sie ihre ohnehin schon problematische Lage noch mutwillig verschlimmert. Sie ist keine Figur, mit der man sich sofort identifiziert; allerdings ist sie auf ihre eigenwillige Art durchaus interessant.

Die Handlung präsentiert zwei markante Wendungen, von denen eine allerdings recht früh erahnt werden kann - und auch ein bisschen übertrieben wirken mag. Die Auflösung wiederum ist überzeugender, der Abschluss ist insgesamt zufriedenstellend. Das Finale ist auch recht temporeich, wohingegen die Geschichte bis dahin oft in ruhigeren Bahnen verläuft; das ist allerdings auch notwendig, um sich in Annas Lage einzufühlen.

Fazit:

"The Woman in the Window" von A. J. Finn ist ein lesenswerter Thriller, der gute Unterhaltung bietet. Mit der unkonventionellen Protagonistin muss man erst einmal warm werden, und man muss sich auf ruhigere Passagen einlassen, in denen Annas Gedankenwelt im Vordergrund steht.

23. Mai 2018

Woman in Cabin 10 - Ruth Ware

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei dtv
Seiten: 384
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Die Autorin:

Ruth Ware aus Großbritannien in Manchester, lebte eine Weile in Paris und arbeitete bereits als Kellnerin, Buchhändlerin, Englischlehrerin und Pressereferentin für einen Verlag. Gleich ihr Romandebüt "Im dunklen, dunklen Wald" wurde ein großer Erfolg.

Inhalt:

Die Reisejournalistin Lo Blacklock darf für ihr Magazin an der Jungfernfahrt des kleinen, aber luxuriösen Kreuzfahrtschiffes "Aurora Borealis" teilnehmen. Nur rund ein Dutzend ausgewählter Passagiere dürfen an Bord, darunter andere Journalisten und einige betuchte Damen und Herren der höheren Gesellschaft.

Am ersten Abend kommt Lo kurz ins Gespräch mit ihrer Kabinennachbarin. Beim Dinner ist diese junge Frau nicht dabei, aber Lo denkt sich zunächst nicht viel dabei. In der Nacht wird Lo jedoch von einem lauten Geräusch geweckt - und sie beobachtet, wie von der Nachbarkabine augenscheinlich ein lebloser Körper über Bord geworfen wird.

Lo schlägt Alarm, doch zu ihrer grenzenlosen Überraschung scheint niemand außer ihr die Frau in der Nachbarkabine gesehen zu haben, niemand scheint zu wissen, wer sie ist. Mehr noch: Die Kabine scheint seit Langem unbewohnt zu sein, nirgendwo gibt es Hinweise auf die Passagierin. Abgeschnitten von der Außenwelt hat Lo keine Chance, jemanden zu Hilfe zu rufen - und sie ist überzeugt davon, dass mindestens einer an Bord ein Mörder ist ...

Bewertung:

Ruth Wares zweiter Thriller "Woman in Cabin 10" wartet mit einem äußerst reizvollen Grundszenario auf: ein Mord auf hoher See, eine Zeugin, der niemand glaubt, eine kleine Gesellschaft, abgeschnitten von der Außenwelt - ein bisschen Hitchcock und ein bisschen Agatha Christie stecken in der spannenden Handlung.

Protagonistin Lo macht gerade eine harte Zeit durch. Vor einer Weile erlebte sie hautnah einen Einbruch in ihrer Wohnung mit; sie ist psychisch labil und trinkt zu viel Alkohol. Dem Auftrag fühlt sie sich eigentlich gar nicht gewachsen, doch ihr bleibt keine andere Wahl, wenn sie ihren Job behalten will. Ihr Zustand bleibt auf Dauer auch ihren Mitreisenden noch verborgen - somit ist klar, dass Lo keine glaubwürdige Zeugin darstellt. Der Leser wird ebenso lange wie Lo darüber im Dunkeln gelassen, was sie wirklich beobachtet hat - gab es einen Mord, wer sind Opfer und Täter, was sind die Hintergründe, was geschieht mit Lo, das sind die Fragen, die sich stellen und die erst nach und nach beantwortet werden. Die unausweichliche Nähe zu einem oder gar mehreren Mördern sorgt für eine besonders prickelnde Atmosphäre wie in einem bedrohlichen Kammerspiel, und der Roman lädt dazu ein, förmlich in eine Rutsch verschlungen zu werden.

Gut gelungen sind auch die Nebenfiguren, Los Mitreisende, bei denen man nicht weiß, wem zu trauen ist und wer womöglich in einen Mordkomplott verwickelt ist. Schiffseigentümer ist der attraktive Selfmade-Millionär Lord Richard Bullmer, eine interessante und charismatische Gestalt mit beeindruckender Biografie, die auch Lo direkt für sich einzunehmen weiß. Durch Pressepartys kennt Lo bereits ein paar der Kollegen an Bord, etwa die aufgestylte und scharfzüngige Zeitschriftenherausgeberin Tina West, den aalglatten Reisejournalisten Alexander Belhomme und den abenteuerlustigen Extremreise-Spezialisten Archer Fenlan. Zu Los Unbehagen ist auch Ben Howard an Bord, mit dem sie einst eine Affäre hatte. Bezeichnenderweise ist der kumpelhafte Ben aber schon bald das, was einer Vertrauensperson am Nächsten kommt, schließlich ist er der Einzige an Bord, den Lo näher kennt. Aber ob er wirklich auf ihrer Seite steht, muss sich erst noch herausstellen.

Die zentralen Fragen werden am Ende aufgeklärt, die losen Fäden geschickt zusammengeführt. Zwischendrin gibt es immer mal wieder kleinere Wendungen sowie Verdachtsmomente gegen die eine oder andere Person, die zum Miträtseln einladen. Ein kleiner Schwachpunkt liegt ausgerechnet in der Hauptfigur: Lo ist vor allem in der ersten Hälfte ein bisschen zu überzeichnet. Ihre Handlungen sind nicht immer nachvollziehbar, sie trägt teilweise durch ihr Auftreten dazu bei, dass ihre Geschichte unglaubwürdig klingt. Das macht es vor allem anfangs nicht immer leicht, sich mit Lo zu identifizieren; eine Protagonistin mit weniger Macken/psychischen Problemen hätte dem Buch vielleicht gutgetan.

Fazit:

"Woman in Cabin 10" von Ruth Ware ist ein spannender Thriller mit sehr reizvollem Setting, der einige vergnügliche Lesestunden beschert.

18. April 2018

Die Tribute von Panem 2: Gefährliche Liebe - Suzanne Collins

Produktinfos:

Ausgabe: 2010 bei Oetinger
Seiten: 432
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Die Autorin:

Suzanne Collins aus den USA, Jahrgang 1962, veröffentlichte 2003 ihr erstes Kinderbuch "Gregor und die graue Prophezeiung". Insgesamt umfasst die Underland-Reihe fünf Bände und wurde zu internationalen Bestsellern. Ihre Trilogie "Die Tribute von Panem" übertraf diesen Erfolg noch und bescherte ihr überdies zahlreiche Auszeichnungen.

Inhalt:

Nachdem Katniss und Peeta gemeinsam die Hungerspiele überlebt und gewonnen haben, beginnt für sie eine Tour durch die Distrikte, begleitet von den Medien. Die Zuschauer sind begeistert von den scheinbaren Liebespaar, das so knapp dem Tod entronnen ist. Allerdings spürt Katniss auch, dass ihr inszenierter Beinah-Suizid in der Arena, der zum vorzeitigen Abbruch der Spiele führte, noch mehr ausgelöst hat: Katniss wird als Rebellin bewundert, und zunehmend gibt es Anzeichen für Aufstände in einzelnen Distrikten.

Präsident Snow macht Katniss deutlich, dass ihre Angehörigen und Freunde sterben werden, wenn sie nicht ihn und alle Welt davon überzeugt, nur aus verwirrter Liebe zu Peeta so gehandelt zu haben. Die Aufstände sollen unbedingt verhindert werden. Katniss gibt sich Mühe, leidet aber darunter, dass sie sich auch zu ihrem besten Freund Gale hingezogen fühlt.

Doch es kommt noch schlimmer für sie: Die 75. Hungerspiele stehen an, und anlässlich des Jubiläums gibt es eine gravierende Änderung - die Teilnehmer bestehen diesmal aus ehemaligen Siegern der einzelnen Distrikte. Katniss und Peeta müssen somit zurück in die Arena und um ihr Leben kämpfen ...

Bewertung:

Nach dem furiosen ersten "Tribute von Panem"-Teil "Tödliche Spiele" ist es für den zweiten Band der Trilogie "Gefährliche Liebe" natürlich schwer, daran heranzureichen.

Tatsächlich zieht sich das erste Drittel zunächst ein wenig. Die Handlung verläuft ruhiger als im ersten Band, der schnell mit Dramatik aufwartete. Hier geht es zum großen Teil um Katniss' ungewisse Gefühle und ihren Zwiespalt, was ihr Verhältnis zu Peeta und Gale angeht. Um Präsident Snow zu besänftigen, muss Katniss öffentlich ihre Liebe zu Peeta demonstrieren, auch wenn sie sich ihrer eigentlichen Gefühle nicht sicher ist und sie Gale nicht verletzen möchte. Dieses Szenario rührt durchaus an, so richtig in Schwung kommt die Handlung aber erst durch die Andeutungen von Rebellionen und vor allem durch die 75. Spiele.

Bislang waren die ehemaligen Sieger außen vor, was zukünftige Spiele anging. Somit ist die Neuerung natürlich ein Paukenschlag. Sowohl für Katniss als auch für Peeta steht fest, dass sie alles dafür tun wollen, dass der jeweils andere überlebt. Zwar ist natürlich klar, dass Katniss als Ich-Erzählerin irgendwie erneut aus der Arena herauskommen wird, aber hochspannend und dramatisch wird es trotzdem: Wie wird es Peeta ergehen, den Katniss um jeden Preis schützen möchte, der aber selbst umgekehrt sein Leben für Katniss geben will? Wer von den anderen ehemaligen Siegern ist vertrauenswürdig für eine - zumindest vorübergehende - Allianz? Was für ein Setting mit was für Fallen wartet diesmal auf die Tribute? Zudem ist die Konkurrenzsituation noch bedrohlicher für Katniss und Peeta als zuvor; schließlich sind ihre Gegner diesmal nicht gleichaltrige oder jüngere Teenager, sondern teils erfahrene Kämpfer. Sie alle haben bereits ihren Überlebenswillen bewiesen, Töten ist ihnen nicht fremd, das sorgt für eine andere Atmosphäre als im ersten Teil.

Erneut gibt es gelungene Nebenfiguren, die sich dem Leser einprägen. Wieder fungiert Haymitch als Mentor für Katniss und Peeta, wie schon bei ihrer Vorbereitung auf ihre ersten Spiele. Haymitch war vor den beiden der bislang einzige Sieger aus Distrikt 12, was ihm zwar Reichtum einbrachte, den er aber seit Langem hauptsächlich in Alkohol investiert. Dessen ungeachtet ist Haymitch, wenn gerade mal bei klarem Verstand, ein cleverer und nicht zu unterschätzende Ratgeber, dessen trockene Bemerkungen immer wieder für Humor sorgen. Ein neuer Charakter ist der vierundzwanzigjährige Finnick Odair, einer der ehemaligen Sieger, der jetzt erneut in die Arena geht. Der attraktive, lässige Finnick ist ein Frauenschwarm und höchst populär, was die eher spröde Katniss ziemlich befremdet. Finnick wirkt auf den ersten Blick wie ein oberflächlicher Schönling, allerdings zeigt sich bald, dass sich hinter der glatten Fassade weitaus mehr verbirgt. Fest steht auf jeden Fall, dass der durchtrainierte Sportler einer der größten Konkurrenten in der Arena sein wird. Umso spannender ist die Frage, ob und inwieweit er als Verbündeter infrage kommt.

Katniss selbst hat nach wie ihre Ecken und Kanten. Sie ist im Gegensatz zum sanften und eloquenten Peeta kein großer Redner, erscheint oft unnahbar und abweisend und macht es selbst denen, die sie mögen, nicht gerade leicht. Das macht sie aber auch zu einer einprägsamen Figur, und sie ist sympathisch, ohne zugleich everybody's darling zu sein.

Die Zeit in der Arena nimmt diesmal nicht ganz so viel Raum ein wie im ersten Band, erreicht auch nicht völlig deren Intensität, was natürlich auch daran liegt, dass im ersten Band die Spiele noch ganz neu für den Leser waren. Aber auch mit geringerem Überraschungseffekt fesseln diese Spiele; man leidet erneut mit Katniss und erlebt viele dramatische und traurige Momente, aber auch zumindest kleine Augenblicke der Freude, der Freundschaft und des Humors. Trotz der hohen Messlatte ist Suzanne Collins ein sehr würdiger Nachfolgeband geglückt, dessen abruptes Ende sehr neugierig auf den finalen Teil macht.

Fazit:


"Gefährliche Liebe", der zweite Band der Tribute-von-Panem-Reihe, ist abermals ein sehr lesenswertes All-Age-Dystopie-Abenteuer mit einem Hauch Romantik - da ist es auch zu verschmerzen, dass der Anfang sich ein kleines bisschen zieht.