22. September 2017

Monteperdido - Agustín Martínez

Poduktinfos:

Ausgabe: 2017 bei FISCHER
Seiten: 496
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Der Autor:

Agustín Martínez, Jahrgang 1975, studierte in Madrid audiovisuelle Kommunikation und gehört zu Spaniens erfolgreichsten Drehbuchautoren. Ein Kriminalfall zu einem vermissten Mädchen inspirierte ihn auf einer Fahrt durch die Pyrenäen zu seinem ersten Roman.

Inhalt:

Im abgelegenen Pyrenäendorf Monteperdido verschwinden die beiden elfjährigen Freundinnen Ana und Lucia. Trotz aller Suchmaßnahmen und Ermittlungen gibt es keine Spur von ihnen. Der Verdacht fällt zeitweise auf Anas Vater, erhärtet sich jedoch nicht. Die Ermittlungen geraten ins Stocken; die meisten Einwohner gehen davon aus, dass die Mädchen tot sind.

Fünf Jahre später verunglückt ein Auto, der Fahrer ist sofort tot, die sechzehnjährige Beifahrerin wird verletzt geborgen. Zur Überraschung aller handelt es sich um die vermisste Ana. Sie leidet allerdings unter Erinnerungslücken und kann keine detaillierten Aussagen zu ihrem Entführer oder dem Ort der Gefangenschaft geben.

Kommissarin Sara Campos von der Bundespolizei unterstützt die einheimischen Ermittler. Es beginnt eine verzweifelte Suche nach Lucia, in der Hoffnung, sie noch lebend zu finden. Sara Campos stößt bei den Dorfbewohnern auf Misstrauen und Schweigen. Es verdichten sich jedoch die Hinweise, dass der Täter aus ihrer Gemeinschaft kommt ...

Bewertung:

Wie ein Debütroman wirkt der atmosphärische und spannende Roman "Monteperdido" gewiss nicht, und man merkt, dass Autor Agustín Martínez zumindest im Drehbuchschreiben sehr erfahren ist.

Das Buch entführt seine Leser in ein einsam gelegenes Pyrenäendorf, das einige düstere Geheimnisse in sich birgt. Gemeinsam mit den Ermittlern darf man rätseln, wer die beiden Mädchen damals entführt hat, warum er sie am Leben gelassen hat, was es mit Anas Flucht auf sich hat - und wo sich Lucia befindet. Ana ist nur bedingt eine Hilfe, zu unspezifisch sind ihre Angaben. Sie behauptet, ihr Entführer habe stets einen Helm getragen, zudem habe sie das Gefängnis nie verlassen. Allmählich keimt bei den Ermittlern aber der Verdacht auf, dass Ana womöglich jemanden deckt - kann oder will sie sich nicht genau erinnern? Im Verlauf der Handlung ergeben sich Verdachtsmomente, doch wer tatsächlich hinter der Entführung steckt, wird erst sehr spät verraten.

Interessant ist überdies das Zusammenspiel zwischen den Ermittlern. Der einheimische Polizist Victor Gamero und die Bundeskommissarin Sara Campos haben anfangs Mühe, harmonisch zusammenzuarbeiten. Zudem steht Victor zwischen den Stühlen, will einerseits natürlich den Fall aufklären, sich von der Bundespolizei aber auch nicht belehren lassen und seine bekannten und Freunde im Dorf nicht verärgern.

"Monteperdido" bedient sich eines langsamen Tempos. Zwar geht es natürlich um die Suche nach dem Täter, aber mindestens ebenso viel Raum wie die Ermittlungsarbeit nimmt das Schicksal der betroffenen Familien ein. Eindringlich bekommt man vor Augen geführt, wie sehr Anas und Lucias Angehörige seit Jahren leiden. Die Ehe von Anas Eltern Raquel und Álvaro ist gescheitert; Álvaro war zudem der einzige Verdächtige bisher, und viele Dorfbewohner sind nach wie vor von seiner Schuld überzeugt. Zu den vehementesten Vertretern dieser Theorie gehört ausgerechnet Lucias Vater Joaquín. Er ist besessen vom Gedanken, seine Tochter zu rächen, und vernachlässigt darüber seinen Sohn Quim. Lucias Mutter Montserrat wiederum sehnt sich nach einem Baby und möchte trotz des Verlustes ihrer Tochter wieder glücklich sein. Trauer, Verzweiflung und Wut hüllen die beiden Familien ein. Anas plötzliche Rückkehr löst bei aller Freude auch gewisse Probleme aus - Raquel ist unsicher, wie sie mit ihrer Tochter umgehen soll, die sie noch als Kind in Erinnerung hat. Zudem bemühen sich Anas Eltern, ihre Trennung vor ihrer Tochter zu verheimlichen. Beständig liegt eine melancholische Stimmung über dem Geschehen

"Monteperdido" ist ein ergreifender und berührender Spannungsroman für sensible Leser, die eine gewisse Geduld mitbringen. Bei Sara Campos dauert es ein wenig, bis man ein klares Bild von ihr hat und mit ihr warmgeworden ist. Abgesehen davon und von der etwas gemächlichen Gangart des Romans ist das Werk aber rundum gelungen bis zum bittersüßen Ende.

Fazit:

"Monteperdido" von Agustín Martínez ist ein sehr atmosphärischer Thriller, dazu auch nicht zu vorhersehbar und bis zum Ende grundsätzlich spannend. Die Handlung verläuft aber gemächlich und erfordert eine gewisse Geduld.

18. September 2017

The Girl Before - JP Delaney

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei Penguin
Seiten: 400
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Der Autor:

JP Delaney veröffentlichte unter anderem Namen bereits Bestseller. "The Girl Before" ist sein erster Psychothriller.

Inhalt:

Nach einem schweren Schicksalsschlag will die alleinstehende Jane ein neues Leben beginnen. Sie wechselt ihre Arbeitsstelle und zieht in ein hochmodernes Mietshaus in der Londoner Folgate Street, das der exzentrische Vermieter Edward Monkford selbst entworfen hat. Die Wohnung bietet allerlei technischen Luxus, allerdings muss Jane als Gegenleistung strenge Regeln einhalten und vor allem strengste Ordnung halten.

Schon bei ihrer ersten Begegnung ist Jane fasziniert von dem mysteriösen und attraktiven Edward, und bald beginnen sie eine Affäre. Jane ist anfangs glücklich, bis sie von ihrer verstorbenen Vormieterin erfährt. Emma starb angeblich bei einem häuslichen Unfall, es gibt aber Ungereimtheiten.

Zudem sah Emma Jane sehr ähnlich, und auch sie hatte eine Affäre mit Edward. Jane kann sich dennoch nicht vorstellen, dass Edward etwas mit Emmas Tod zu tun hat. Trotzdem forscht sie weiter, denn Emmas seltsamer Tod lässt sie nicht los. Gleichzeitig fühlt sie sich immer unwohler in ihrer Wohnung ...

Bewertung:

JP Delaneys Romandebüt "The Girl Before" eroberte im Sturm die Bestsellerlisten, Thrillerautor Lee Child schwärmte, es sei "wie nichts, was Sie je gelesen haben". So ganz trifft das Zitat nicht zu, denn während der Lektüre kommen doch gewisse Assoziationen zu anderen bekannten Werken auf. Deutlich sind die Parallelen zu Ira Levins "Sliver" (1993 verfilmt mit Sharon Stone), in dem eine junge Frau eine stylische Wohnung bezieht, deren Vormieterin auf mysteriöse Weise darin starb; auch einen voyeuristischen und charismatischen Hausbesitzer, der mit der Protagonistin eine Affäre beginnt, gibt es hier. Der dominante und penible Edward Monkford erinnert ein wenig an Christian aus "Fifty Shades Of Grey", inklusive der - wenn auch nicht detailliert geschilderten - BDSM-Elemente, auch das Hörigkeitsverhältnis zwischen Jane und Edward ist durchaus ähnlich. Das ultramoderne Haus, das allmählich zur Bedrohung wird, lässt an Dean Koontz' "Des Teufels Saat" denken.

Sieht man von der also eher nicht gegebenen Originalität ab, ist "The Girl Before" durchaus ein sehr unterhaltsames Werk mit Spannung und Atmosphäre. Die Kapitel sind abwechselnd mit "Damals: Emma" und "Heute: Jane" betitelt. Schnell zeichnen sich die Parallelen zwischen den Frauen ab, auch wenn ihre Ausgangslagen so unterschiedlich sind: Emma zieht mit ihrem Freund Simon in die Folgate Street; Jane lebt allein und hat gerade eine Totgeburt erlitten, unter der sie sehr leidet. Aber beide Frauen sind sofort von Edward Monkford fasziniert, sie lassen sich auf eine Affäre ein und akzeptieren Edwards außergewöhnliche Regeln, ja finden sein dominantes Auftreten gerade besonders reizvoll. Der Leser weiß zwar durch die Kapitel über Emma zunächst mehr als Jane, erfährt aber ebenfalls erst zum Schluss, was es mit ihrem Tod auf sich hat. Nach und nach entwickelt sich eine beklemmende Stimmung; die Vorteile des hochtechnisierten Hauses erweisen sich als tückisch, Janes klaustrophobisches Empfinden ist gut nachvollziehbar. Der Roman lädt durch den glatten Stil und die kurzen Kapitel zu einer schnellen Lektüre ein.

Es ist allerdings schwer nachzuvollziehen, weshalb sich Jane auf den umfangreichen Regelkatalog einlässt, statt abgeschreckt zu werden. Bei Emma ist es noch einigermaßen verständlich, da sie kurz zuvor in ihrer Wohnung überfallen wurde und die Vorkehrungen in der Folgate Street Nummer 1 ihr endlich eine gewisse Sicherheit vermitteln. Ansonsten ist es aber nicht sehr realistisch, dass sich jemand auf den Vertrag mit über zweihundert Regeln einlässt. Es darf beispielsweise niemals etwas auf dem Boden herumliegen, regelmäßige Kontrollen müssen akzeptiert werden. Teppiche, Bilder, Zimmerpflanzen, Vorhänge und Bücher sind verboten; grundsätzlich muss jede Veränderung vorher genehmigt werden. Auch Dekoobjekte, Wäscheleinen, Papierkörbe oder Sofakissen sind tabu, ebenso wie weitere Lampen. Natürlich darf zudem nicht geraucht werden. Auch wenn die Wohnung extrem günstig für ihren Komfort ist, wiegt das wohl kaum die enormen Einschränkungen auf.

Des Weiteren teilt der Leser kaum die Begeisterung der Protagonistinnen für Edward Monkford, auch wenn eine gewisse Faszination verständlich ist. Doch spätestens, wenn seine dominante Art und seine Bevormundungen deutlich werden, geht man auf Distanz. Die Auflösung mag zudem zwar nicht unbedingt jeder Leser zuvor erahnen, aber ganz überraschend kommt sie auch nicht.

Fazit:

"The Girl Before" von JP Delaney ist ein unterhaltsamer und recht atmosphärischer Thriller, der allerdings nicht ganz so innovativ oder überraschend ist, wie es die Vermarktung behauptet. Wenn man darauf keinen Anspruch erhebt, erwartet einen kurzweilige Lektüre.

7. September 2017

Mein ist die Stunde der Nacht - Mary Higgins Clark

Produktinfos:

Ausgabe: 2005 bei Heyne
Seiten: 432
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Die Autorin:

Mary Higgins Clark, Jahrgang 1929, zählt zu den erfolgreichsten Thrillerautorinnen der Welt. 1975 erschien ihr erster Thriller "Wintersturm", der zum Bestseller avancierte. Seitdem verfasste sie Dutzende von Krimi- und Thrillerromanen, die regelmäßig die Spitzenplätze der Bestsellerlisten belegen. Mehrere ihrer Romane wurden für das TV verfilmt. Weitere Romane von ihr sind u. a.: "Das fremde Gesicht", "Schlangen im Paradies", "Schlaf wohl, mein süßes Kind", "Schwesterlein, komm tanz mit mir", "Vergiss die Toten nicht" und "Das Haus auf der Klippe".

Inhalt:

Dr. Jean Sheridan, eine erfolgreiche Historikerin Ende dreißig, kehrt zu ihrem zwanzigjährigen Abschlussjubiläum an der Stonecroft Academy in ihre Heimatstadt zurück. Bei einem groß angelegten Klassentreffen soll sie mit sechs anderen Absolventen für herausragende berufliche Leistungen geehrt werden. Doch das Treffen wird überschattet: Fünf ihrer Schulfreundinnen sind in den letzten Jahren ums Leben gekommen.

Für Jean birgt das Treffen noch weitere düstere Erinnerungen: Kurz vor ihrem Abschluss starb ihr damaliger Freund bei einem Autounfall, Jean trug das gemeinsame Kind in aller Heimlichkeit aus und gab es zur Adoption frei. Auch heute noch trauert sie ihrer Tochter hinterher. Umso erschreckender sind die Faxmeldungen, die Jean in letzter Zeit erhält. Alle enthalten Drohungen gegen ihre Adoptivtochter. Jean hofft, dass es sich bloß um einen bösen Scherz handelt, und versucht, sich auf dem Treffen abzulenken.

Sie ahnt nicht, dass die Todesfälle kein Zufall waren. Einer ihrer ehemaligen Mitschüler ist ein skrupelloser Mörder, der sich nach und nach an allen rächt, die ihn seinerzeit zurückgewiesen haben. Er nennt sich „die Eule“, nach seinem Spitznamen aus der Kindheit. Wie ein Raubvogel schlüpft er nachts in die Rolle des Jägers und überwältigt seine Opfer. Nicht nur Jean, auch ihre Tochter schweben in höchster Gefahr ...

Bewertung:

Der Name Mary Higgins Clark steht gewöhnlich für solide, wenn auch nicht außergewöhnliche Thrillerkost. Es sind auch hier wieder einmal bewährte Zutaten, auf die die Autorin zurückgreift und die sie in einen unterhaltsamen, allerdings nicht mehr als durchschnittlichen Roman umsetzt.

Solide Sympathiefiguren


Wie so oft dreht sich die Handlung um eine sympathische junge Frau, die ohne eigenes Verschulden in eine gefährliche Lage gerät. Auch Jean Sheridan hebt sich nicht weiter von dem Strickmuster anderer Higgins-Clark-Heldinnen ab. Die Protagonistin macht es dem Leser leicht, sich mit ihr zu identifizieren. Jean ist erfolgreich und ehrgeizig, dabei aber frei von Arroganz, sondern angenehm bodenständig. Obwohl zwanzig Jahre ins Land gegangen sind, trauert sie immer noch um ihre verstorbene Jugendliebe Reed und die zur Adoption freigegebenen Tochter, die sie bei sich zärtlich „Lily“ nennt. Voller Zärtlichkeit denkt sie an ihre unbekannte Tochter, von der sie nicht einmal weiß, welchen Namen ihr ihre neuen Eltern gegeben haben. Der Roman ist somit nicht nur Thriller, sondern enthält auch einige melodramatische Komponenten, und es kommt zumindest so viel Mitgefühl für die Hauptfigur auf, dass man ihr eine versöhnliche Begegnung mit ihrer verlorenen Tochter wünscht.

Die zweite Sympathiefigur ist der väterliche Detective Sam Deegan, zu dem Jean sofort Vertrauen fasst. Deegan ist mehr als ein unermüdlicher Ermittler; er steckt auch darüber hinaus viel persönliches Interesse in die mysteriöse Mordserie; nicht zuletzt deshalb, weil die Todesfälle offenbar in Zusammenhang mit einem ungeklärten Mord stehen, der ihm seit zwanzig Jahren keine Ruhe lässt …

Für Humor sorgt vor allem der junge Schülerzeitungsreporter Jake Perkins, der in seinen hartnäckigen Recherchemethoden seinen älteren Kollegen in nichts nachsteht. Mit viel Witz und Genuss durchschaut er die arroganten Teilnehmer des Klassentreffens und bringt mit seinen forschen Fragen so manchen Interviewpartner in Verlegenheit. Übertrieben wird dieses freche Auftreten nur am Schluss, als sich Jake selbst angesichts eines Wettlaufs auf Leben und Tod noch detailliert in seinen brisanten Informationen ergehen will.

Wer ist die Eule?

Um die Spannung zu erhöhen, greift Mary Higgins Clark tief in die Trickkiste: In fast jedem zweiten Kapitel wechselt der personale Erzähler von der Protagonistin Jean Sheridan zum Mörder hinüber, allerdings ohne dabei seine Identität preiszugeben. Der Killer ist nur "die Eule", sein richtiger Name fällt nie. Dem Leser ist es kaum möglich, den Täter hinter diesem Decknamen vorzeitig zu erraten. Jeder aus dem engeren Kreis ist aus diversen Gründen verdächtig. Weder der Leser noch Jean Sheridan können mit Gewissheit sagen, wem von ihnen zu trauen ist. Die Hinweise auf die Täterschaft sind dünn gesät und so allgemein gehalten, dass sie auf jeden Verdächtigen zutreffen könnten. Nahezu alle von ihnen haben sich im Erwachsenenleben um 180 Grad gewandelt, haben eine schwere Kindheit hinter sich und machen sich durch gewisse Bemerkungen oder Handlungen verdächtig.

Leider steckt in diesem Punkt auch ein erhebliches Manko des Buches: Die Autorin ist so sehr darauf bedacht, den Leser aufs Glatteis zu führen und den Täter geheim zu halten, dass sie es mit der Informationsverweigerung auf die Spitze treibt. Selbst als die entführte Laura ihren Peiniger erkennt und der Leser Einblick in ihre Gedanken bekommt, fällt nicht sein wahrer Name; selbst in ihren Gedanken nennt ihn Laura nur "die Eule". Und wenn sie denn mal trotz seines Verbots seinen wahren Namen ausspricht, so erfährt der Leser natürlich nur, dass sie "immer wieder seinen Namen flüsterte". Das Bemühen der Autorin um Spannung in allen Ehren, aber dass selbst sein Opfer seinen Namen nicht in Gedanken nennt, lässt die Handlung an diesen Stellen zu unrealistisch und konstruiert erscheinen.

Konstruiert sind auch die zahlreichen Scheinbar-Hinweise und falschen Fährten, die allzu offensichtlich dazu dienen, jeden der Verdächtigen mal kurz ins Licht zu rücken. Im Laufe der Handlung fällt bei jedem von ihnen mindestens ein Satz oder ein Gedanke, der ihn mit dem Täter in Verbindung bringt, meist als Cliffhanger formuliert, um dem Leser besonders nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Gerade diese Ausgewogenheit der Verdachtsmomente sorgt dafür, dass die Auflösung, wer sich tatsächlich hinter der "Eule" verbirgt, längst nicht so spektakulär ist wie die eigentliche Mörderjagd selbst. Keiner der infrage kommenden Personen drängt sich dem Leser als Täter-Kandidat auf. Allenfalls einen von ihnen wünscht man sich nicht als Mörder, beim Rest spielt es keine große Rolle, ob er sich als Schuldiger entpuppt oder nicht. Zwar ergibt seine Identität letztlich Sinn, alle offenen Fragen werden zufriedenstellend geklärt, aber es fehlt ein letztes Aha-Erlebnis, eine finale Wendung oder Überraschung als abschließende Krönung.

Fazit:

Ein solider Thriller mit sympathischer Protagonistin, der bis zum Schluss die Spannung und die Frage nach dem Mörder bewahrt. Abzüge gibt es für die konstruierte Handlung und das konventionelle Strickmuster, das insbesondere an viele weitere Romane der Autorin erinnert. Als leichte Unterhaltung ein lesenswerter Roman, jedoch insgesamt zu unspektakulär, um weiter im Gedächtnis zu bleiben.

4. September 2017

Ich will brav sein - Clara Weiss

Produktinfos:

Ausgabe: 2017 bei Goldmann
Seiten: 416
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Die Autorin:

Clara Weiss, Jahrgang 1976, studierte Literaturwissenschaften und arbeitet im Verlagswesen. 2015 erschien ihr erster Roman "Milchsblut", der für den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte "Debüt" nominiert wurde.

Inhalt:

Mit knapp dreißig Jahren kann sich Juli endlich ihren Traum vom Psychologiestudium erfüllen. Überraschend schnell findet sie eine passende Unterkunft in München - sie zieht zu der gleichaltrigen Schauspielerin Greta ins Dachgeschoss eines charmanten, alten Mietshauses.

Die temperamentvolle und extravertierte Greta ist anfangs eine fröhliche und liebenswerte Mitbewohnerin, mit der sich Juli gut versteht. Doch im Verlauf des extrem heißen Sommers verändert sich das Verhältnis und wird immer angespannter. Immer häufiger wird Juli von Greta kritisiert, sie fühlt sich immer unwohler in Gretas Gegenwart.

Schließlich passieren auch noch unheimliche Dinge: Auf dem Dachboden wird die Leiche einer Nachbarin gefunden, ein Freund von Greta wird ermordet, und Julis beste Freundin verschwindet. Julis Ängste werden immer größer, ebenso wie ihr Verdacht gegen Greta, doch für die Polizei hat sie nicht genug Beweise. Auch in der Wohnung passieren seltsame Dinge. Schließlich zweifelt Juli sogar an ihrem Verstand - oder will jemand sie in den Wahnsinn treiben ...?

Bewertung:


Nach ihrem erfolgreichen Debütroman "Milchsblut" legt Clara Weiss mit "Ich will brav sein" ihren zweiten Spannungsroman vor. Insgesamt ist ihr damit ein sehr solider Thriller gelungen, der routiniert und unterhaltsam eine zwar nicht originelle, aber doch reizvolle Geschichte erzählt.

Die Handlung fokussiert sich auf Juli, man verfolgt genau ihre Gedanken, Gefühle und vor allem ihre Sorgen, die sich nach und nach drastisch steigern. Überzeugend erzählt wird der allmähliche Übergang von der ersten glücklichen Zeit in der Wohngemeinschaft zu den ersten seltsamen Vorkommnissen bis hin zu den wachsenden Zweifeln und Ängsten. Gut nachvollziehbar ist Julis zunehmende Unsicherheit und ihre Hilflosigkeit. Außer der später verschwundenen Elli hat sie keine Freunde in München, ihr Geld ist knapp, sodass ein Auszug nicht so schnell infrage kommt. Dazu kommt die außergewöhnliche Hitzewelle, die sich wie eine Glocke über das Land legt und für eine immer beklemmendere Atmosphäre sorgt. Juli findet kaum noch Wege, um sich zu erfrischen; nach wochenlanger Dauerhitze kommt das Wasser nur noch warm aus der Leitung, ihre Kleidung klebt an ihr wie eine zweite Haut, sie fühlt sich wie gelähmt. Vor allem der extrem stickige Dachboden, der immer wieder zum Schauplatz wird, löst heftiges Unwohlsein bei ihr aus.

Der Roman überzeugt weitgehend durch seine dichte Atmosphäre und seine spannende Handlung, die frei von Längen ist. Die unheimlichen Vorgänge fangen recht harmlos an und steigern sich ganz allmählich; den Leser erwartet hier ein Verwirrspiel, in dem offen gehalten wird, wem zu trauen ist und wer Böses im Schilde führt. Am Ende gibt es eine vielleicht nicht absolut überraschende, aber passende Auflösung. Einige scheinbar nebensächliche Dinge aus der Handlung ergeben hier auf einmal neuen Sinn, sodass am Ende ein geschickt konstruiertes Gesamtgerüst steht. Gelungen sind auch die kurzen Rückblenden in die Vergangenheit, die verstörende Szenen aus einem Kinderleben zeigen, ohne zu viel zu verraten.

Am Ende wird ein bisschen viel erklärt, was etwas statisch wirkt im Vergleich zum vorherigen Handlungsverlauf; zudem erscheinen die Ereignisse auf den letzten Seiten etwas übertrieben. Das sind aber nur kleine Schwächen,die nicht großartig ins Gewicht fallen.

Fazit:

"Ich will brav sein" von Clara Weiss ist ein atmosphärischer und spannender Psychothriller mit überzeugender Auflösung.