13. April 2015

Der Stümper - Patricia Highsmith

Produktinfos:

Ausgabe: 2005
Seiten: 416
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Die Autorin:

Patricia Highsmith (USA), 1921-1995, studierte zunächst Literatur und Zoologie, ehe sie als Comic-Autorin arbeitete. 1950 gelang ihr gleich mit ihrem Debütroman "Zwei Fremde im Zug" der Durchbruch als Schriftstellerin, zumal das Werk kurz darauf von Alfred Hitchcock verfilmt wurde. In der Folge entwickelte sie sich zu einer der populärsten Krimi-Autorinnen, wobei ihr Fokus vor allem auf psychologischen Aspekten liegt. Weitere bekannte Werke sind Der Schrei der Eule, Der süße Wahn und die Ripley-Reihe.

Inhalt:

Der Buchhändler Melchior Kimmel ermordet seine untreue Frau Helen, die ihn für einen anderen Mann verlassen will. Damit kein Verdacht auf ihn fällt, besucht er offiziell eine Kinovorstellung. Er schleicht sich aus dem Saal und ersticht seine Frau, die er während einer Rast auf ihrer Busreise nach Albany abfängt. Da Mrs. Kimmel nicht ausgeraubt wurde, ihr Ehemann aber als Täter auszuscheiden scheint, tappt die Polizei im Dunkeln.

Auch der Anwalt Walter Stackhouse führt eine unglückliche Ehe. Seine Frau Clara neigt zur Hysterie und ist sehr eifersüchtig; Walter leidet unter ihren ständigen Unterstellungen. Zufällig liest er den Zeitungsartikel über den unaufgeklärten Mord an Mrs. Kimmel. Walter spekuliert, ob der Ehemann der Täter sein könnte und erwägt, Clara auf ähnlich Weise umzubringen.

Kurz darauf fährt Clara mit dem Bus zu ihrer todkranken Mutter. Walter sieht seine Chance, sie unterwegs abzupassen und zu töten, doch er trifft sie nicht an und bläst seinen Plan somit ab. Wenig später wird ihre Leiche gefunden - Clara ist einen Abhang hinunter gestürzt. Zunächst sieht alles nach Selbstmord aus. Doch dann gerät Walter in Verdacht ...

Bewertung:

Patricia Highsmith war bekannt für ihre psychologischen Krimis, die sich nicht um die Frage nach dem Täter, sondern nach dem Motiv für die Tat drehen. Paradebeispiele dafür sind mit "Zwei Fremde im Zug" sowie ihrer Ripley-Reihe einige ihrer populärsten Werke. Doch auch dieser verhältnismäßig unbekannte Roman gehört zu diesem Genre.

Im Mittelpunkt stehen zwei Männer, die den gleichen Plan haben und deren Wege sich schicksalhaft dadurch kreuzen, dass der eine seinen Plan umsetzt und der andere dabei gehindert wird. Melchior Kimmel begeht einen kaltblütigen Mord, fädelt geschickt ein solides Alibi ein und gerät so nicht in die Schusslinie der Ermittler. Walter Stackhouse hingegen spielt zwar mit dem Gedanken an einen Mord, begeht ihn letztlich aber nicht - doch das Schicksal will es, dass er sich trotzdem höchst verdächtig macht. Walter hat kein Alibi für die Tat, zu allem Überfluss hat ein Zeuge ihn in der Nähe des Tatortes gesehen. Auch die unglückliche Ehe, die kurz vor der Scheidung steht, lässt sich nicht verheimlichen und bietet ein ideales Motiv, um Clara zu ermorden. Anfangs macht sich Walter keine großen Sorgen, seine Freunde und Bekannte halten zu ihm und finden die Unterstellungen des ermittelnden Polizeibeamten Corby recht unverschämt. Corby allerdings erweist sich als äußerst hartnäckig. Er verdächtigt sowohl Kimmel als auch Walter und will beiden ihre Tat nachweisen.

Für den Leser ergibt sich aus dieser originellen Situation eine gewisse Spannung; besonders reizvoll ist der Gedanke, dass womöglich Walter für einen Mord verhaftet wird, den er nicht begangen hat, während Kimmel im Gegenzug davonkommen könnte. Der Roman wirft die Frage nach der moralischen Schuld auf. Rein juristisch ist Walter kein Mörder, allerdings verhinderte dies nicht sein Gewissen, sondern der Zufall. Man darf darüber philosophieren, inwieweit ihn das zu einem besseren Menschen als Kimmel macht und ob man Walter ein gutes oder schlechtes Ende wünscht. Die Handlung schlägt keinen vorhersehbaren Weg ein. Kimmel erscheint zunächst nicht zu belangen, ehe sein Kino-Alibi allmählich an Überzeugungskraft verliert. Aus dem Zusammentreffen der beiden Männer entwickelt sich eine eigentümliche Dynamik; sie mögen einander nicht wirklich, Kimmel fühlt sich durch Walter gar belästigt, doch sitzen sie andererseits im selben Boot und können die Gedanken des anderen nachempfinden.

"Der Stümper" ist sicherlich in vielerlei Hinsicht ein typisches Werk für Patricia Highsmith. Ihr Metier waren nicht die strahlenden Helden, sondern Durchschnittsmenschen mit seelischen Abgründen. Kimmel ist rundweg unsympathisch, ein kühler Intellektueller, der nur auf seine eigenen Interessen bedacht ist. Walter Stackhouse ist da die etwas zwiespältigere Figur; phasenweise kann der Leser durchaus Mitleid mit ihm verspüren, zumal er emotionale Regungen zeigt. Trotzdem ist es gewöhnungsbedürftig, als Leser keine Figur zu haben, mit der es wirklich mitfiebern lässt. Dazu kommt, dass auch Nebenfiguren wie Walters Geliebte Ellie blass bleiben.

Eine große Schwäche des Romans liegt aber eindeutig in der Gestalt des Ermittlers Corby. Anfangs scheint seine Rolle noch Potential zu besitzen, ahnt er doch die Wahrheit hinter Kimmels und Walters Geschichten. Jedoch entpuppt sich Corby zunehmend als Besessener, dem für den Beweis seiner Theorien nahezu jedes Mittel recht ist. Corby handelt überzogen und unrealistisch, indem er beispielsweise Kimmel und Walter gegeneinander ausspielt und zu körperlicher Gewalt greift; mehr und mehr stellt er ein Ärgernis in der Handlung dar. Letztlich kann auch das Ende nicht wirklich überzeugen, sondern wirkt hastig inszeniert.

Fazit:

Ein solider Krimi, der auf einer originellen Grundidee fußt, der allerdings nicht zu den besten Werken von Patricia Highsmith zählt. Die Handlung ist recht spannend, bis auf eine Figur sind die Charaktere jedoch eher reizlos oder überzogen.

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