22. August 2014

Mystic River - Dennis Lehane

Produktinfos:

Ausgabe: 2005
Seiten: 656
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Der Autor:

Dennis Lehane (USA), geboren 1965, arbeitete in diversen Jobs, ehe er einen Kurs im Kreativen Schreiben besuchte und daraufhin seinen ersten Roman verfasste. Seit den neunziger Jahren widmet er sich hauptberuflich dem Schreiben von Krimis und Thrillern, die teilweise auch erfolgreich verfilmt wurden. Bekannte Werke sind u. a. Absender unbekannt, Kein Kinderspiel und Shutter Island.

Inhalt:

Jimmy Marcus, Sean Divine und Dave Boyle sind als Kinder befreundet, ihre Väter sind Arbeitskollegen. Gemeinsam wachsen sie in einem rauen Bostoner Arbeiterviertel auf. Als sie elf Jahre alt sind und gerade mal wieder zusammen spielen, entführen zwei Männer mit einem Autor Dave und missbrauchen ihn mehrere Tage lang, ehe er fliehen kann. Nichts ist mehr wie vorher: Dave ist verstört, seine Mutter schirmt ihn ab, Jimmy und Sean haben Gewissensprobleme.

25 Jahre später: Jimmy, Sean und Dave leben immer noch in Boston, haben aber kaum noch Kontakt zueinander. Jimmy führt nach einer Verbrecherkarriere einen Laden und ist glücklich in zweiter Ehe und mit seinen drei Töchtern. Sean ist Polizist geworden, Dave ist verheiratet und hat einen Sohn. Eines Nachts kehrt Daves neunzehnjährige Tochter Katie nicht vom Feiern nach Hause. Am nächsten Tag findet die Polizei ihre Leiche im Park - Katie wurde erschossen.

Sean übernimmt die Ermittlungen und wird dadurch wieder mit seinen alten Freunden konfrontiert. Jimmy verliert vor Verzweiflung fast den Verstand und will um jeden Preis den Mörder seiner Tochter finden. Zur gleichen Zeit verhält sich Dave auffallend seltsam, zudem besuchte er in der Tatnacht die gleiche Bar wie Katie und hat seitdem eine Handverletzung. Allmählich wächst in Jimmy der Verdacht, dass sein einstiger Freund etwas mit ihrem Tod zu tun haben könnte ...

Der Junge, der den Wölfen entkam


"Mystic River" war der Roman, der Thrillerexperte Dennis Lehane 2001 zum internationalen Durchbruch verhalf, unterstützt durch Clint Eastwoods nicht minder erfolgreiche Verfilmung, in der Sean Penn, Kevin Bacon und Tim Robbins in den Rollen der drei Freunde brillieren.

Fraglos ist Lehanes Werk einerseits ein spannender Thriller, zugleich aber auch ein bewegendes Melodram, das Themen wie Freundschaft, Schicksal, Verlust und die Frage nach richtigen und falschen Entscheidungen und ihren Konsequenzen in den Fokus rückt. Im Mittelpunkt stehen die drei ehemaligen Freunde Jimmy, Sean und Dave, die in vielerlei Hinsicht grundverschieden sind. Jimmy ist der Exgangster, der schon mit achtzehn raffinierte Beutezüge in Boston durchführte, der allerdings der Verbrechenskarriere abgeschworen hat und sesshaft geworden ist. Nach dem frühen Krebstod seiner Frau oblag ihm die Verantwortung für seine Tochter Katie, die für den Ex-Häftling eine nahezu fremde Person darstellte. Aus dem anfänglich etwas befangenen Verhältnis entwickelte sich eine intensive Vater-Tochter-Beziehung und Jimmy Marcus ist mit Mitte dreißig ein glücklicher Mann: Glücklich mit seinem Laden, glücklich mit seinen drei Töchtern, glücklich mit seiner zweiten Frau, der toughen Annabeth. Der Mord an Katie bringt alles ins Wanken und für Jimmy ist es keine Frage, dass er bereit ist, den Mörder seiner Tochter zu töten, wenn er ihn vor der Polizei findet. Jimmy ist hart und sensibel zugleich und für den Leser wie für die Romanfiguren ein unberechenbarer Charakter, der zu vielen Dingen fähig ist.

Sean Divine ist der zuständige Ermittler, der mit gemischten Gefühlen in seine Vergangenheit eintaucht. Der Tod von Jimmys Tochter berührt ihn schmerzlich, ebenso unangenehm ist die Erinnerung an Daves Entführungsschicksal. Während Seans Kollege nüchtern Daves als Verdächtigen ins Visier nimmt, schwankt Sean zwischen seinen freundschaftlichen Gefühlen, Mitleid und dem Bemühen, objektiv zu bleiben. Zu seinen eigenen Dämonen zählt die Trennung von seiner Frau, die ihn seit acht Monaten regelmäßig anruft, ohne ein Wort zu sagen und von der er immer noch hofft, dass sie eines Tages zu ihm zurückkehrt.

Dave Boyle ist auf seine Art nicht weniger komplex gestaltet als Jimmy Marcus. Nach außen hin scheint sich sein Schicksal ins Positive gewendet zu haben, schließlich geht er einem Job nach, ist seit acht Jahren glücklich verheiratet und hat einen kleinen Sohn, den er innig liebt. Und doch haben die "Wölfe im Auto" ihre Spuren hinterlassen. Dave hat seine düsteren Seiten, seine Frau ertappt ihn immer wieder bei kleinen Lügen und für den Leser ist offensichtlich, dass seine Version von der Tatnacht nicht stimmt: Dave hat zweifellos in der Nacht von Katies Tod irgendetwas Dramatisches erlebt, das er vor seiner Frau und der Polizei verbergen will - doch um was es sich dabei genau handelt, bleibt lange Zeit unklar.

Katie Marcus darf der Leser nur kurz vor ihrem Ableben kennenlernen. Doch diese Eindrücke genügen, um das Bild eines lebenshungrigen neunzehnjährigen Teenagers an der Schwelle zur Frau zu zeichnen, der einen letzten glücklichen Abend mit Freundinnen verbringt und bei aller Liebe zu ihrem Vater, ihrer Stiefmutter und ihren kleinen Schwestern auch Geheimnisse birgt. Nicht ganz überzeugen kann unter den Charakteren nur Jimmys zweite Frau Annabeth. Porträtiert wird sie grundsätzlich als starke Frau, die Jimmy in jeder Hinsicht unterstützt und dabei auch ungesetzliche Handlungsweisen in Kauf nimmt. Ihre Souveränität, die sie vor allem gegen Ende präsentiert, wirkt jedoch nicht mehr realistisch; überhaupt bleibt Annabeth eine recht kühle, unnahbare Figur, der der Leser nicht wirklich nah kommt.

Zu den besonderen Stärken des Romans gehört die sich ganz allmählich anbahnenden Auflösung, die sorgfältig vorbereitet wird. Eine Handvoll Verdächtige kommen für den Mord an Katie in Frage, aus den unterschiedlichsten Motivationen heraus. Das Risiko ist gering, dass der Leser frühzeitig mit Sicherheit den Täter und sein Motiv nennen kann, doch ebensowenig wird die Lösung überraschend aus dem Hut gezaubert. Es passt zum Tenor des Romans, dass die Tat selbst ebenfalls von Verzweiflung geprägt ist und dahinter weder eine Zufallstat noch ein Sexualverbrechen stehen. Freilich darf der Leser hier keinen besonders temporeichen Roman erwarten, in dem sich ständig neue Wendungen ergeben und in dem Cliffhanger eingesetzt werden. Trotz der gegebenen Grundspannung nimmt sich das Werk seine Zeit, um die Handlung zu entwickeln und rückt die Emotionen der Charaktere in den Vordergrund.

Fazit:

Gelungene Mischung aus Thriller und Psychodrama mit fast ausnahmslos überzeugenden Charakteren.

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