18. Juli 2014

William Wymark Jacobs - Die Affenpfote

Produktinfos:

Ausgabe: 2014
Länge: 47 Minuten
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Der Autor:

Der Brite William Wymark Jacobs, 1863-1943, ist vor allem für die Kurzgeschichte "Die Affenpfote" bekannt. Daneben veröffentlichte er noch eine Reihe weiterer Erzählungen und Romane, die häufig unheimlicher und makabrer Natur sind und im maritimen Milieu spielen.

Inhalt:

England 1901: Das ältere Ehepaar James und Maggie White und ihr Sohn Herbert erwarten an einem stürmischen und verregneten Abend den Besuch von Sergeant-Major Morris, einem alten Freund von James White, der viele Jahre in Indien verbracht hat. Der alte Morris erzählt ihnen viele spannende Geschichten aus Indien.

Eine der Geschichten dreht sich um eine mumifizierte Affenpfote mit angeblich magischen Kräften. Drei Wünsche soll sie ihrem jeweiligen Besitzer erfüllen, doch der Major sagt, dass sie ihm nur Unglück brachten. Morris wirft die Pfote ins Feuer, damit sie niemandem mehr Schaden anrichtet. Vater und Sohn retten sie jedoch aus den Flammen und ignorieren die Warnungen des Majors.

Am nächsten Tag halten die Whites die Geschichte mittlerweile für Humbug. Mehr aus Spaß spricht James White dennoch einen Wunsch aus: 200 Pfund, die das Haus schuldenfrei machen sollen. Am Nachmittag geht dieser Wunsch tatsächlich in Erfüllung - jedoch auf eine ungeahnt grauenvolle Weise. Aus Verzweiflung sprechen die Whites den nächsten Wunsch aus, der alles noch schlimmer macht ...

Bewertung:


Der Name William Wymark Jacobs ist heute nicht mehr vielen Lesern ein Begriff, der Mythos um die Affenpfote ist dagegen populärer als ihr Autor. Titania Medien hat sich hier wieder einmal eines wunderbaren Gruselklassikers angenommen, der zu den besten und beklemmendsten britischen Geschichten des Genres gehört. Das Hörspiel hält sich ausgesprochen eng an die Vorlage und vermag es, die intensive Atmosphäre der Geschichte gut einzufangen.

Die Charaktere werden indes in der Hörspielversion sogar ausführlicher dargestellt. Die Harmonie innerhalb der kleinen Familie ist deutlich spürbar. Herbert ist der einzige Sohn des älteren Ehepaars, alle anderen Kinder starben früh. Umso glücklicher waren die Whites, als ihnen unverhofft doch noch ein Sohn geschenkt wurde. Vor allem Maggie White bemuttert den erwachsenen Herbert intensiv - sie achtet darauf, dass er morgens genug zum Frühstück isst, reicht ihm zum Abschied Jacke, Schal und Mütze und hat immer rechtzeitig bei seiner Rückkehr das Abendbrot auf dem Tisch stehen. James und Maggie White machen innerhalb der Handlung jeweils eine kleine Verhaltenswandlung durch: Zunächst ist James derjenige, der von der Affenpfote fasziniert ist und der sie unbedingt behalten möchte, unterstützt durch Herbert. Maggie dagegen ist die Pfote unheimlich, und sie möchte sie nicht im Haus sehen. Nachdem der erste Wunsch so verhängnisvoll eingelöst wurde, sind die Rollen nunmehr vertauscht: James White möchte die Pfote am liebsten wegwerfen, seine vor Kummer fast wahnsinnige Frau dagegen drängt ihn zum zweiten Wunsch. Die Verzweiflung wird überzeugend eingefangen und macht das Hörspiel zu einem der bewegendsten der Reihe.

Der Grusel setzt spät ein, ist aber dennoch effektiv. Es ist zugeben keine der unheimlichsten Folgen, dafür gehört sie zu den emotional anrührendsten. Sowohl die Reaktionen von James White als auch von seiner Frau sind nachvollziehbar, was nicht nur am Drehbuch, sondern natürlich auch an den exzellenten Sprechern liegt. Die markante, volltönende Stimme von Regina Lemnitz, mit der sie sonst Whoopie Goldberg oder Kathy Bates synchronisiert, passt zwar eigentlich eher zu resoluten Figuren statt zur häuslichen Maggie White. Lemnitz gelingt es jedoch bis auf eine Szene gut, sich auf diese Rolle einzustellen und sich in den entscheidenden Momenten zurückzunehmen. Harald Dietl überzeugt gleichfalls in der Rolle des Ehemanns, der den besonneneren Part des Paares darstellt. Hasso Zorns raue, bedächtige Stimme kam schon in anderen Gruselkabinett-Folgen als Erzähler zum Einsatz und passt wieder einmal gut in die ruhige Stimmung, die auf Action verzichtet.

Schwächen birgt das Hörspiel nur wenige. Der Anfang ist etwas zu langatmig gestaltet, auch wenn die Absicht dahinter klar ist - der Hörer soll sich einfühlen in die heimelige Atmosphäre der Whites und lauscht dem Gespräch von Vater und Sohn, die sich während eines Schachspiels liebevoll necken. Dabei wird jedoch ein bisschen zu weit ausgeholt, der Besuch des Majors könnte ruhig früher eintreffen. Als der Major seine Geschichte beginnt und die Affenpfote erwähnt, gibt Mrs. White einen irritierten Laut von sich, der etwas übertrieben klingt. Ebenfalls übertrieben ist ihr heftiges Erschaudern während der Geschichte; der Versuch, die unheilvolle Stimmung zu unterstützen, wird hier ein wenig zu künstlich inszeniert. Eine kleine Schwachstelle ist bereits in der Vorlage verankert: Es ist nicht ganz klar, weshalb der Major überhaupt die Affenpfote präsentiert, wenn er doch nicht möchte, dass sie jemals wieder zum Einsatz kommt. Es ist schließlich alles andere als überraschend, dass sich James und Herbert White für die magische Pfote interessieren. In der Vorlage existiert nur ein wirklicher Gruselmoment, so folglich auch hier in der Adaption - der ist allerdings in der Kurzgeschichte intensiver dargestellt und hätte hier noch effektiver in Szene gesetzt werden.

Fazit:

Ein atmosphärisch dichtes Hörspiel, das die Vorlage insgesamt überzeugend umsetzt. Die Handlung verläuft ruhig und setzt vor allem auf Melancholie und Beklemmung. Die Sprecher sind gut besetzt, die Mängel fallen gering aus. Nicht die beste Folge der Reihe, aber unterm Strich sehr hörenswert.

Sprechernamen:


Harald Dietl: James White
Regina Lemnitz: Maggie White
Max Felder: Herbert White
Erich Ludwig: Sergeant-Major Morris
Johannes Steck: Bote von Herberts Arbeitgeber
Hasso Zorn: Erzähler

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