29. Januar 2017

Saving Grace - B. A. Paris

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Blanvalet
Seiten: 349
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Die Autorin:

B. A. Paris stammt aus England, hat aber die meiste Zeit ihres Lebens in Frankreich verbracht. Sie arbeitete im Finanzbereich und als Lehrerin, ehe sie mit "Saving Grace" ihren ersten Roman veröffentlichte, der gleich ein großer Erfolg wurde.

Inhalt:

Grace und Jack Angel scheinen das perfekte Paar zu sein. Jack ist überaus attraktiv, charmant und engagiert sich als Anwalt für Opfer von häuslicher Gewalt. Grace ist elegant und bildschön und kümmert sich liebevoll um ihre jüngere Schwester Millie, die am Downsyndrom leidet. Sobald Millie achtzehn ist, soll sie zu Grace und Angel in deren eindrucksvolles Anwesen in einem Londoner Vorort ziehen; die beiden haben ihre Vormundschaft übernommen.

Bei genauerer Betrachtung fallen Grace' Bekannte mit der Zeit ein paar seltsame Dinge auf: Grace kommt nie allein zu Treffen, sondern wird immer von Jack begleitet; häufig sagt sie Verabredungen ganz ab. Sie hat weder ein Handy noch eine eigene E-Mail-Adresse und hat mit der Heirat ihre Arbeitsstelle aufgeben. Sie geht ein paar Hobbys nach, aber trotzdem ist nicht ganz klar, was sie den ganzen Tag zuhause macht, ohne sich zu langweilen. Das schöne Haus ist wie eine Festung gesichert. Doch für all diese Kleinigkeiten haben sie und Jack stets eine harmlose Erklärung parat, sodass sich niemand weiter wundert.

Tatsächlich trügt der Schein, und hinter der perfekten Fassade liegt ein Alptraum. Jack Angel ist nicht der, für den die anderen ihn halten - und er sorgt dafür, dass Grace es niemandem sagen kann. Sein wichtigstes Druckmittel ist Millie, über die er als Vormund bestimmen kann. Grace weiß, dass sie irgendetwas unternehmen muss, bevor Millie zu ihnen zieht und auch sie ihm ausgeliefert ist ...

Bewertung:

Mit "Saving Grace" legt B. A. Paris ein wirklich ausgesprochen gelungenes Thrillerdebüt vor, das in fast allen Belangen sehr überzeugt. Der Roman zeichnet das beklemmende Porträt einer jungen Frau, deren Leben in den Händen eines Psychopathen liegt. Am Anfang ist es etwas schwer nachzuvollziehen, weshalb Grace nicht aus dieser Ehehölle ausbricht, doch mit der Zeit fügen sich alle Gründe zusammen - und ergeben ein erschreckendes Gesamtbild.

Als Leser fiebert man mit Grace mit und sucht nach Lösungen, nur um immer wieder eines Besseren belehrt zu werden: Jack genießt einen hervorragenden Ruf, er ist als bekannter und bewunderter Anwalt misshandelter Frauen über jeden Verdacht erhaben. Sein Charme und seine Einflussmöglichkeiten bei Polizei und Ärzten machen es möglich, dass er Grace' als labil, hysterisch und unzurechnungsfähig hinstellt. Grace' Eltern leben in Neuseeland, von ihren engen Freunden hat er sie systematisch isoliert, sodass Grace keine Vertrauensperson hat. Sie lebt im Haus als Gefangene, hat keine Chance, unbemerkt die Außenwelt zu informieren. Jack kontrolliert akribisch ihre Taschen und Kleidung und sorgt dafür, dass sie keine Zettelbotschaften aus dem Haus schmuggeln kann - davon abgesehen, dass sie ohnehin keinen Zugang zu Stiften hat.

In der ersten Zeit ihrer Gefangenschaft unternimmt Grace dennoch ein paar Fluchtversuche, aber wie befürchtet schenkt niemand ihren scheinbar wirren Schilderungen Glauben. Zudem verfügt Jack mit Millie über ein perfektes Druckmittel: Für jeden Widerstand sagt er die obligatorischen Wochenendfahrten zu Millies Internat ab; zudem weiß Grace, dass er als Vormund die kleine Schwester in eine psychiatrische Anstalt abschieben könnte. Jack ist so intelligent wie grausam, er spielt mit Grace, ermutigt sie teilweise sogar zu Fluchtversuchen, da ihn ihr Scheitern amüsiert.

Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen. Im Vergangenheitsstrang erzählt Grace, wie sie Jack vor rund einem Jahr kennenlernte und gemeinsam mit Millie eine enge Bindung zu ihm aufbaute, ehe sie nach der Hochzeit schlagartig sein wahres Gesicht erkannte. Im Gegenwartsstrang rückt der Tag, an dem Millie aus dem Internat zu Grace und Jack ziehen soll, immer näher - und Grace will um jeden Preis verhindern, dass es soweit kommt. Daraus ergibt sich ein höchst spannendes Duell, man bangt mit Grace, hofft auf ihre Rettung, die doch schier aussichtslos zu sein scheint. Grace' Handlungen und Gedanken sind nachvollziehbar, es gibt kaum Situationen, in denen sie nicht stimmig wirken. Die siebzehnjährige Millie, liebenswert und offen, ist eine gelungene Nebenfigur. Das Verhältnis der Eltern zu ihren Töchtern war immer distanziert, sodass dass die sechzehn Jahre ältere Grace schon früh eine Art Mutterrolle für Millie übernahm. Grace kann den Gedanken nicht ertragen, dass die unbefangen-fröhliche Millie in Jacks Hände fallen könnte, und auch für den Leser wird diese Vorstellung bald unerträglich.

Insgesamt bleiben nur sehr kleine Kritikpunkte. Zum einen dauert es vielleicht ein paar Seiten zu lang, ehe man von Jacks Motivation und seinen umfassenden Maßnahmen erfährt. Es kann ein wenig ungeduldig machen, dass man zunächst immer nur liest, wie Jack seine Frau kontrolliert und wie angespannt sie ist, ohne dass man durchschaut, warum genau er das macht und was Grace davon abhält, in der Öffentlichkeit zu flüchten oder um Hilfe zu bitten. Zum anderen bleibt am Schluss ein kleines Fragezeichen, ob eine bestimmte Inszenierung wirklich so überzeugend auf objektive Betrachter wirken wird wie suggeriert. Unterm Strich fallen diese Punkte allerdings kaum störend ins Gewicht.

Fazit:

"Saving Grace" von B. A. Paris ist ein sehr fesselnder Psychothriller, der den Leser bis zum Schluss in Atem hält. Von Kleinigkeiten abgesehen, liegt hier ein hervorragendes Debüt vor, das sich allen Freunden spannender Romane empfiehlt.

27. Januar 2017

Und draußen stirbt ein Vogel - Sabine Thiesler

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Heyne
Seiten: 448
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Die Autorin:

Sabine Thiesler studierte Germanistik und Theaterwisenschaften und arbeitete als Bühnenschauspielerin, ehe sie Schriftstellerin wurde. Neben "Der Kindersammler" verfasste sie auch einige Theaterstücke und schrieb Drehbücher für Fernsehserien wie "Tatort" und "Polizeiruf 110". Andere Werke sind "Hexenkind", "Die Totengräberin" und "Der Menschenräuber".

Inhalt:

Die deutsche Autorin Rina Kramer lebt zurückgezogen in der Toskana, wo sie ihre erfolgreichen Bücher schreibt. Ihr Ehemann Eckart reist die meiste Zeit des Jahres als Regisseur durch die Welt, der kleine Sohn Fabian wohnt in einem deutschen Internat und verbringt nur die Ferien in Italien.

Rina weiß nicht, dass sie einen fanatischen Stalker hat, der sie bei ihren Lesungen beobachtet und ihr Leben auskundschaftet. Manuel Gelting ist davon überzeugt, dass Rina ihm seine Buchideen gestohlen hat und er nur ihretwegen kein Autor geworden ist. Als sich Rina nach einer Lesung in Deutschland wieder in die Toskana zurückzieht, folgt er ihr mit seinem Wohnwagen.

Es trifft sich perfekt für ihn, dass Rina die kleine Gästevilla bei ihrem Haus an Urlauber vermietet. Er mietet sich bei ihr ein und plant seine Rache, während Rina und ihr kleiner Sohn ihn für einen etwas verschrobenen, aber harmlosen Gast halten ...

Bewertung:

Mit ihrem Roman "Und draußen stirbt ein Vogel" bleibt Sabine Thiesler ihrem Schema treu und legt den achten Thriller vor, der in der Toskana spielt. Die Werke sind in sich abgeschlossen, doch wie immer spielt auch hier Commissario Donato Neri eine kleine Rolle. Der bemühte Polizist, der nach wie vor seiner einstigen Stelle in Rom nachtrauert und bei Ermittlungen immer wieder die falschen Schlüsse zieht oder haarscharf an der Aufklärung vorbeischlittert, kommt hier allerdings nur am Rande vor.

Die Handlung um die Bestsellerautorin Rina Kramer ist teilweise spannend, und grundsätzlich liest sich das Werk schnell und flüssig. Lange Zeit ist unklar, wie weit Manuel mit seiner Rache gehen wird, ob es vielleicht Tote geben wird. Gerade wenn man bereits andere Thriller aus Sabine Thieslers Feder kennt, weiß man, dass am Ende nicht zwangsläufig ein glücklicher Ausgang stehen muss, dass nicht immer der moralischen oder gesetzlichen Gerechtigkeit (vollständig) Genüge getan wird. Das Setting ist reizvoll, auch wenn man es so oder so ähnlich schon aus Thieslers anderen Romanen kennt: eine wild-romantische Gegend abseits der Städte, viel ursprüngliche Natur, eine einsame Lage des Hauses über vierzehn Serpentinen, keine Nachbarn. Für Rina Kramer sind diese idyllischen Bedingungen ideal, um sich ganz in Ruhe ihrer Arbeit widmen zu können; ironischerweise ist auch ihr Stalker dafür dankbar, dass sein Opfer es ihm so leicht macht. Es ist auch keine schlechte Idee, das Stalkerthema hier etwas zu variieren: Manuel Gelting ist kein Fan der Autorin, der von ihr Beachtung wünscht oder eine besondere Bindung zu ihr fühlt wie beispielsweise Annie Wilkes aus Stephen Kings "Misery". Stattdessen hasst er sie und macht sie für sein deprimierendes Leben und seine Erfolglosigkeit verantwortlich.

Der kriminalistische Teil wird durch kleine Nebenstränge ergänzt. Da ist einmal Rinas und Eckarts erkaltete Ehe, die quasi nur noch auf dem Papier besteht. Rina akzeptiert stillschweigend Eckarts Daueraffäre mit seiner Regieassistentin, die meiste Zeit des Jahres ist er ohnehin in anderen Ländern unterwegs. Der kleine Fabian entdeckt auf einer Vatikanreise seine Begeisterung für den Petersdom und knüpft ein vertrauliches Band mit Pater Johannes, der wiederum eine Gemeinde in der Toskana übernimmt. Fabians plötzlich erwachter Religionseifer ist Eckart allerdings ein Dorn im Auge; und bei Pater Johannes ist zunächst uneindeutig, inwieweit er wirklich vertrauenswürdig ist.

Aber im Gegensatz zu früheren Werken, vor allem die ersten Romane "Der Kindersammler", "Hexenkind", "Die Totengräberin" und "Der Menschenräuber", ist die Figur des Täters hier blass geraten. Manuel Gelting bleibt eine diffuse Figur, zwar bedrohlich, aber nicht faszinierend. Seine Gedankenwelt wird nie wirklich nachvollziehbar; die Erklärung, warum er Rina für eine Plagiatorin hält, ist nicht sehr überzeugend, sondern weit hergeholt. Es gibt zwar einen nicht uninteressanten Rückblick in Manuels Jugend mit einem einschneidenden Erlebnis; dennoch ist er, trotz seiner finsteren Pläne und Gedanken, ein unspektakulärer Bösewicht. Rina Kramer ist eine soweit sympathische Protagonistin, aber auch kein Charakter, der sich ins Lesergedächtnis einpflanzt. Schade ist zudem, dass Commissario Neris Mitwirken sehr spärlich ausfällt. Insgesamt erscheint das Buch eher wie ein Abklatsch vergangener Werke ohne eigene Stärke; es funktioniert als solide Lektüre, wenn man keine besonderen Erwartungen hat, bleibt aber unter Sabine Thieslers üblichem Niveau.

Fazit:


"Und draußen stirbt ein Vogel" ist ein durchschnittlicher Thriller, der nicht an Sabine Thieslers beste Werke heranreicht. Der Roman bietet eine solide, halbwegs spannende und kurzweilige Lektüre, ohne sich aber nachhaltig einzuprägen. Vor allem die Täterfigur und ihre Motivation sind wenig überzeugend.

25. Januar 2017

Dark Wood - Thomas Finn

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Knaur
Seiten: 464
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Der Autor:

Thomas Finn wurde 1967 in Chicago geboren und lebt heute in Deutschland. Nach seinem VWL-Studium arbeitete er als Journalist und Autor, vor allem für die Rollenspielreihe "Das Schwarze Auge". Weitere Werke sind u.a. "Weißer Schrecken", "Der Funke des Chronos", Die Chroniken-der-Nebelkriege-Trilogie und Die Wächter-von-Astaria-Trilogie.

Inhalt:

"Survive" ist der Titel der spektakulären Realitysendung, deren Teilnehmer durch die Show die Chance bekommen, ihre Firma zu retten. Eine Handvoll Mitarbeiter muss innerhalb von wenigen Tagen einige Prüfungen irgendwo in der Wildnis meistern - wenn es ihnen gelingt, erhält die Firma 500.000 Euro. Zusätzlich gibt es für den besten Teilnehmer 50.000 Euro extra.

Diesmal sind sechs Mitarbeiter einer Hamburger Werbeagentur die Teilnehmer, und die Show findet in abgelegenen norwegischen Wäldern statt. Während sie an ihre körperlichen und seelischen Grenzen gehen müssen, werden sie rund um die Uhr von Kameras beobachtet, und die Welt kommentiert im Internet das Geschehen.

Zwischen den ungleichen Kollegen Bernd, Lars, Gunnar, Sören, Katja und Dagmar kommt es schnell zu einigen Unstimmigkeiten, die Anstrengungen zehren zusätzlich an den Nerven. Doch alles wird noch viel dramatischer, als einer der Teilnehmer verletzt wird und keine Hilfe kommt. Plötzlich sind die sechs von der Außenwelt abgeschnitten - allein mit etwas, das in den Wäldern lauert ...

Bewertung:

Casting- und Survivalshows haben in den letzten Jahren für mehrere Thriller und Horrorromane den Hintergrund geliefert, man denke etwa an "Survive - Du bist allein" von Alexandra Oliva, "Wonderland" von Christina Stein oder "Schlusstakt" von Arno Strobel. Thomas Finns Horrorthriller "Dark Wood" setzt gleichfalls auf ein Realityshowkonzept, das sich plötzlich in ein Schreckensszenario verwandelt.

"Survive" präsentiert sich als trashinges Unterhaltungsformat, das alle Klischees der gängigen Show mit sich bringt. Moderator Daniel ist ein aalglatter und arroganter Fiesling, der genüsslich die Schwachstellen der Kandidaten aufdeckt. Die Kollegen werden bewusst gegeneinander ausgespielt, etwa indem es zu wenig Essensrationen gibt oder indem angeblich vertrauliche Einzelinterviews mit prekären Aussagen über die anderen unverhofft allen vorgespielt werden. Zudem müssen die Teilnehmer einerseits zusammenhalten, um die Firma zu retten, andererseits sind sie auch Konkurrenten um die 50.000 Euro Extraprämie. Da liegt es nah, dass es schnell zu ersten Konflikten zwischen den Kollegen kommt, die sich teilweise schon im Vorfeld nicht sonderlich grün gewesen sind. Die Kandidaten kämpfen zunächst gegen widrige Bedingungen wie Kälte, Unwetter und Hunger, gegen Anfeindungen untereinander und schließlich gegen eine unheilvolle Bedrohung aus den Wäldern, bei der sich erst spät herauskristallisiert, welcher Natur sie ist.

Für durchgehende Spannung sorgen die Fragen, was genau für die Angriffe verantwortlich ist, wer von den Kandidaten möglicherweise umkommt und wie sich die sechs charakterlich entwickeln. Es gibt keine herausragende Hauptfigur, mal steht der eine, mal der andere Kandidat mehr im Vordergrund. Interessant ist vor allem, dass der erste Eindruck nicht immer von Dauer ist; manch einer der Kollegen hat ein dunkles Geheimnis oder zeigt im späteren Verlauf ungeahntes Verhalten, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Gunnar ist der Buchhalter, der mit dem Agenturchef befreundet ist und sich recht nervös präsentiert. Texter Lars ist jung, gut aussehend und sportlich, dabei aber auch sehr von sich selbst überzeugt. Eitel und ausgesprochen selbstbewusst ist auch Art-Direktor Bernd, mit 52 der älteste der Kandidaten. IT-Fachmann Sören hingegen ist ein scheuer Nerd, schwer übergewichtig und gewohnt, als Zielscheibe für Spott herzuhalten. Kontakterin Katja wiederum ist eine attraktive und schlagfertige Blondine, während PR-Beraterin Dagmar als freundliche, schüchterne graue Maus erscheint. Im Laufe der Zeit bilden sich sowohl Feindschaften als auch Allianzen, die für Leserunterhaltung sorgen.

Schon der Überlebenskampf in den rauen Natur und die Konflikte untereinander böten genug Stoff für einen fesselnden Thriller. In "Dark Wood" gesellt sich aber noch eine weitere, zunächst noch unklare Bedrohung mit dezentem Übernatürlichkeitsfaktor hinzu. Horrorfans kommen auf ihre Kosten, dafür sorgt die gruselige Atmosphäre. Es herrscht überwiegend Dunkelheit, es gibt keinen sicheren Rückzugsort und im späteren Verlauf spielt ein riesiges Höhlensystem eine wichtige Rolle.

Nicht immer überzeugend ist das Verhalten der Charaktere. Auch als ihnen schon klar ist, dass sie in Lebensgefahr schweben, streiten sie sich noch über berufliche Dinge. Sicher kommen einige sehr unschöne Dinge ans Tageslicht, trotzdem ist es nicht realistisch, dass die Vorwürfe und Feindseligkeiten die Kollegen angesichts der Extremsituation so sehr beschäftigen - "Rettet erst mal euer Leben", möchte man den Figuren glatt zurufen.

Fazit:

"Dark Wood" von Thomas Finn ist ein spannender, wenngleich nicht absolut hochklassiger Horrorthriller. Er überzeugt durch eine fesselnde Handlung und ein reizvolles Setting; da ist es auch zu verschmerzen, dass die Charaktere sich nicht immer ganz realistisch verhalten.

18. Januar 2017

Er liebt sie nicht - Sharon Bolton

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Manhattan
Seiten: 480
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Die Autorin:

Sharon Bolton wurde in Lancashire geboren und absolvierte zunächst eine Schauspielausbildung und studierte Theaterwissenschaften. Bevor sie sich dem Schreiben widmete, arbeitete sie in der PR- und Marketingbranche. 2008 erschien ihr erster Roman "Todesopfer", der sofort ein Erfolg wurde. Weitere Werke sind u.a.: "Schlangenhaus", "Dunkle Gebete" und "Dead End".

Inhalt:

Der attraktive, intelligente und charmante Arzt Hamish Wolfe wird wegen Mordes an drei Frauen verurteilt. Er beteuert seine Unschuld und drängt die Juristin und True-Crime-Autorin Maggie Rose, sich für ihn einzusetzen. Maggie hat schon mehrfach Bücher über verurteilte Mörder geschrieben und durch ihre Recherchen für deren Freilassung gesorgt.

Zunächst sperrt sich Maggie dagegen, ehe sie sich doch auf ein Treffen mit Wolfe einlässt. Die Beweislast gegen ihn ist allerdings erdrückend; es gibt kaum Ansatzpunkte für seine Verteidigung. Zwar gibt es eine kleine Unterstützergruppe und zahlreiche Frauen glauben an seine Unschuld - doch das ist eher seinem Charisma geschuldet.

Wolfe bleibt beharrlich und Maggie entdeckt schließlich zumindest ein paar fragwürdige Punkte, die bei näherer Untersuchung für seine Unschuld sprechen könnten. Das missfällt Detektive Constable Peter Weston, der Wolfe überführte, doch trotz seines Widerwillens unterstützt er Maggies Nachforschungen. Unterdessen kommen sich Maggie und Hamish Wolfe allmählich näher - ist er ein Mörder, der nur eine Show abzieht, oder ist er tatsächlich unschuldig ...?

Bewertung:


In Sharon Boltons Psychothriller "Er liebt sie nicht" sind einige Dinge nicht so, wie sie scheinen - ob das auch für Hamish Wolfe gilt, ist eine der Fragen, die der Leser erst am Ende einer spannenden Lektüre beantwortet bekommt.

Hamish Wolfe soll mindestens drei Frauen ermordet haben, eine vierte, die ins Schema passt, wird noch vermisst. Alle drei Frauen knüpften vor ihrem Tod einen Onlinekontakt, ohne zu ahnen, dass sie sich mit ihrem späteren Mörder verabreden würden. Jessie schrieb monatelang mit einem charmanten Arzt und kehrte nicht von ihrem ersten Date zurück, die Schmuckdesignerin Chloe hatte eine potenzielle Geschäftspartnerin kennengelernt und der Disneyfan Myrtle dachte, sie würde sich mit einer alten Dame treffen, die ihr ihre wertvolle Sammlung überlassen möchte. Alle drei Fake-Kontakte verweisen auf denselben anonymen Schreiber, der sich dank geschickter Verschleierung nicht weiter verfolgen lässt. Die sehr unterschiedlichen Frauen haben ein gemeinsames Merkmal - ihr deutliches Übergewicht. Zwar ist Hamish Wolfe zum Zeitpunkt seiner Verhaftung mit einem Model verlobt, doch seine Collegevergangenheit offenbart ein großes Interesse an molligen Frauen. DNA-Spuren, ein Computereintrag und ein fehlendes Alibi werden ihm schließlich zum Verhängnis.

Zwischen Maggie und Wolfe entwickelt sich ein spannendes Psychoduell, ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem sich die Gegner vorsichtig umschleichen und annähern. Anfangs verhält sich Maggie abweisend, macht Wolfe auch nach dem ersten Treffen keine Hoffnung auf ein Engagement. Doch Wolfe bleibt hartnäckig, umgarnt Maggie, die schließlich als seine Anwältin auftritt. Im Zentrum stehen die Fragen, ob Wolfe die Taten begangen hat und Maggie gegenüber eine Show spielt und wie sich das Verhältnis zwischen den beiden entwickelt. Maggie mag sich kühl geben, doch Wolfes Charme scheint sie auf Dauer dennoch nicht kaltzulassen.

Dabei ist nicht nur Wolfe ein undurchschaubarer Charakter, sondern auch Maggie. Obwohl sie sich als True-Crime-Autorin einen Namen gemacht hat, vermeidet sie öffentliches Auftreten und gibt kein Foto auf ihrer Internetseite preis. Ihre blau gefärbten Haare signalisieren zwar Auffälligkeit, widersprechen aber Maggies zurückhaltendem Auftreten. Weder Freunde noch Familie scheinen bei ihr eine nennenswerte Rolle im Leben zu spielen, und doch hört Detektive Constable Peter Weston eigenartige Gespräche, die Maggie in ihrem Haus führt. Für Rätsel beim Leser sorgen zudem die immer wieder eingeflochtenen Liebesbriefwechsel zwischen Hamish und einer Unbekannten. Am Ende stehen gleich mehrere Überraschungen, die in der Handlung sehr unauffällig vorbereitet wurden. Alles fügt sich letztlich passend zusammen und ergibt ein raffiniertes Gesamtbild. Es ist ein komplexes, anspruchsvolles Werk - speziell für sein Genre -, der einmal mehr Sharon Boltons Routine und Souveränität als Autorin zeigt.

Eine kleine Schwäche des Romans liegt in seinem zumindest anfangs recht langsamen Voranschreiten. Es dauert seine Zeit, bis Dynamik in die Handlung kommt. Da die beiden Hauptfiguren so interessant sind, ist der Thriller von Beginn an reizvoll. Es ist aber keines jener Werke, in dem das Geschehen schon früh durch ungeahnte Entwicklungen bestimmt wird, und ein bisschen mehr Tempo und Raffung hätte das Buch sicher vertragen.

Fazit:

"Er liebt sie nicht" von Sharon Bolton ist ein raffinierter Psychothriller mit interessanten Hauptfiguren. Die Handlung könnte zwar ein bisschen mehr Dynamik vertragen, ist aber nie langweilig. Insgesamt ein sehr durchdachter, wohlkomponierter Roman, man sollte nur mit einer eher langsamen Entwicklung rechnen.

10. Januar 2017

Das Spiel (Rache - Band 2) - Jeff Menapace

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Heyne Hardcore
Seiten: 432
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Der Autor:

Jeff Menapace (USA) erlangte gleich mit seinem Debütroman "Das Spiel - Opfer" den Durchbruch als Horrorautor; zwei weitere Bände folgten nach. 2011 erhielt er den Red Adept Reviews Indie Award. Ansonsten ist er Fan der Three Stooges, liebt den Originalfilm "The Texas Chainsaw Massacre" und hasst Spinnen.

Inhalt:


Ein paar Monate sind vergangen, seit das Ehepaar Amy und Patrick Lambert mitsamt den Kindern Carrie und Caleb das Martyrium durch die psychopathischen und sadistischen Brüder Arty und Jim Fannelli überlebt hat. Es gelang ihnen, Jim in Notwehr zu töten und Arty schwer zu verletzen; Arty sitzt seither im Gefängnis.

Die Lamberts versuchen derweil, ihr altes Leben wieder aufzunehmen und die erlebten Schrecken zu verarbeiten. Es gelingt ihnen gut, auch wenn vor allem die sechsjährige Carrie noch sehr darunter leidet. Sie ahnen nicht, dass unterdessen die gleichfalls sadistische Mörderin Monica herausgefunden hat, dass sie die leibliche Schwester der Fannelli-Brüder ist.

Die ebenso attraktive wie skrupellose Monica will gemeinsam mit ihrem ebenso perversen Vater John Rache an den Lamberts dafür nehmen, dass diese Jim töteten und Arty schwer verletzten. Kurz darauf erleben die Lamberts einige Unglücksfälle, die wie Zufälle wirken. Noch dämmert ihnen nicht, dass dies nur der Anfang der Rache sein soll ...

Bewertung:

Der zweite Teil der Spiel-Trilogie von Jeff Menapace knüpft eng an den ersten an und steht auch in Sachen Brutalität ganz in seinem Zeichen. Was seinerzeit als idyllischer Urlaub am Crescent Lake geplant war, endete für Familie Lambert in einer Katastrophe, die sie nur um Haaresbreite lebend überstanden. Einer der Fannelli-Brüder ist tot, der andere hinter Gittern - aber Monica und ihr Daddy John sind erpicht darauf, die Familientradition fortzusetzen.

Schon früh erfährt der Leser, dass Monica ihren Brüdern in Sachen Grausamkeit in nichts nachsteht. Wie ihre Brüder wurde sie adoptiert, fand jedoch im Gegensatz zu ihnen ihren leiblichen Vater - wie seine Kinder auch er ein Psychopath, dem jegliches Mitgefühl fehlt und der dafür mörderische Spiele liebt. Daddys little girl bezieht sexuelle Lust aus dem Quälen und Töten von Menschen, und man darf gespannt sein, ob und wie die Lamberts die erneute Attacke auf ihr Leben überstehen werden.

Die Lamberts sind eine amerikanische Durchschnittsfamilie, deren Leben vor der Begegnung mit den Fannelis in geordneten Bahnen verlief. Ein Fokus liegt auf der innigen Beziehung zwischen Amy und Patrick: Zwar gibt es durchaus immer wieder kleinere und größere Reibereien, aber es ist stets deutlich, dass sie sich nicht nur nach wie vor sehr lieben, sondern dass sie gleichzeitig auch beste Freunde sind. Der Überfall durch die Fannellis hat dies nur verstärkt, schließlich haben sich Amy und Patrick gegenseitig das Leben gerettet. Die beiden sind freilich keine sonderlich markanten oder einprägsamen Charaktere, aber sie sind sympathisch genug, dass man um sie bangt. Dass sie auch diesmal überleben, ist längst nicht gesichert; ein dritter Teil könnte auch mit anderen Figuren funktionieren. Recht interessant ist außerdem die Entwicklung der Kinder Carrie und Caleb. Carrie ist sichtlich traumatisiert durch das Geschehen und träumt beispielsweise schlecht; der erst vierjährige Caleb hat nach ärztlicher Meinung die Tragweite der Ereignisse glücklicherweise nicht begriffen. Allerdings hat Caleb neuerdings Spaß daran, seiner Mutter Reißnägel in die Schuhe zu legen - es bleibt abzuwarten, wie sich Caleb weiterhin verhält und welche Spuren die Zeit am Crescent Lake bei ihm hinterlassen haben.

"Rache" ist kein Werk, das in die Tiefe geht, trotzdem bietet es gute Unterhaltung, wenn man etwas blutigere Thriller mag. Es ist kein Splatterroman, der Gewaltszenen aneinanderreiht. Monica und ihr Vater bauen ihre Rache an den Lamberts sehr langsam auf; die ersten bedrohlichen Ereignisse werden von ihren Opfern als Zufälle wahrgenommen. Erst spät realisieren Patrick und Amy, dass mehr hinter den Zwischenfällen steckt. Wer sich an detaillierten Metzeleien erfreuen will, findet dazu passendere Bücher, bei Richard Laymon beispielsweise gibt es im Schnitt mehr blutige Szenen.

Allerdings sind weder Arty noch Monica noch ihr Vater besonders komplexe Figuren. Ihre simple Bösartigkeit nutzt sich mit der Zeit etwas ab. Sie sind zwar intelligent in ihrer Vorgehensweise, aber keine charismatischen Charaktere. Natürlich ist es auch nicht gerade sehr glaubwürdig, dass gleich eine gesamte Familie von Geburt an böse ist und das ganze Leben aufs Töten ausrichtet. Zudem ist es erstaunlich, dass Monica mit einem technischen Equipment zur Überwachung ausgestattet ist, auf das FBI-Agenten neidisch werden würde.

Fazit:

"Rache" ist die gute Fortsetzung der Spiel-Reihe von Jeff Menapace, die direkt auf dem ersten Teil aufbaut. Wieder steht die Familie Lambert im Vordergrund, wieder werden sie von Psychopathen bedroht. Der Roman ist nicht sonderlich tiefgehend, aber unterhaltsam und nicht so blutig, wie man zunächst vermuten könnte. Die Gegenspieler sind allerdings keine komplexen oder besonders interessanten Charaktere.

2. Januar 2017

All die bösen Dinge - Mary-Jane Riley

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Goldmann
Seiten: 384
Buchhandel.de
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Die Autorin:

Mary-Jane Riley aus Suffolk arbeitete viele Jahre lang als Journalistin für die BBC und kam dabei immer wieder mit spektakulären Verbrechen in Berührung. Sie verfasste zunächst einige Kurzgeschichten, die in Zeitschriften erschienen, bevor sie mit "All die bösen Dinge" ihren ersten Roman veröffentlichte.

Inhalt:


Fünfzehn Jahre ist es her, dass im englischen Suffolk die vierjährigen Zwillinge Harry und Millie verschwanden, als sie ihre Tante Alex besuchten. Harrys Leiche wurde Wochen später gefunden, Millie bleibt verschwunden.

Schließlich werden ein Mann und eine Frau für die Tat zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Der Mann nimmt sich kurz darauf das Leben, die Frau wird nach fünfzehn Jahren wegen Zweifeln an einem Gutachter freigesprochen. Alex ist entsetzt darüber, denn sie ist nach wie vor überzeugt, dass die beiden Richtigen verurteilt wurden.

Kurzerhand nutzt Alex ihre journalistische Tätigkeit, um die freigesprochene Jackie Wood aufzusuchen und zu interviewen. Sie erhofft sich dadurch Informationen zu Millies Schicksal. Kurz darauf wird Jackie ermordet. Allmählich kommt Alex der Verdacht, dass damals vielleicht doch nicht die richtigen Täter verurteilt wurden, und stellt auf eigene Faust Nachforschungen an ...

Bewertung:


Man merkt es wahrlich nicht, dass es sich bei "All die bösen Dinge" um Mary-Jane Rileys ersten Roman handelt. Mag das Werk auch kein absolutes Highlight im Thrillergenre sein, so erzählt es doch kurzweilig, reizvoll und spannend eine souverän komponierte Geschichte.

Die Handlung fokussiert sich abwechselnd auf Alex Devlin und die Ermittlerin Kate Todd, die schon vor fünfzehn Jahren mit dem Fall in Berührung kam. Alex ist eine interessante Protagonistin, die mit einigen Problemen zu kämpfen hat. Sie ist alleinerziehende Mutter eines sechzehnjährigen Sohnes, zum Kindsvater, einem One Night Stand, besteht schon lange kein Kontakt mehr. Alex hält sich und ihren Sohn Gus als freiberufliche Journalistin mühevoll über Wasser, immer auf der Suche nach dem nächsten gewinnbringenden Artikel. In dem attraktiven Malone hat sie zwar gerade einen neuen Partner gefunden, doch der mysteriöse Malone - der auf einen Vornamen schlicht verzichtet - schleppt als Undercoverermittler auch eigene Lasten mit sich herum, und Alex ist noch nicht ganz sicher, ob er sich für eine enge Beziehung wirklich eignet.

Die Entlassung von Jackie Wood beschwört die ganze schmerzvolle Geschichte um Harry und Millie wieder herauf. Alex hat nie verwunden, dass die Zwillinge in ihrer Obhut aus dem Garten verschwanden. Mehr noch, im weiteren Verlauf erfährt man, dass es eine Verbindung zwischen Alex und dem verurteilen Mörder Martin Jessop gab, von der niemand außer ihr zu wissen scheint - bis jetzt, denn auch diese Geschichte droht nun ans Licht zu kommen. Da Alex Jackie Woods Leiche findet, ist sie für die Polizei zudem eine Verdächtige, zumal sie als Nichte der Opfer ein gutes Motiv hätte. Mit Alex lässt es sich gut mitfiebern, ihre Schuldgefühle berühren den Leser und ihre Handlungen sind fast immer nachvollziehbar - nur beim Auffinden von Jackie Woods Leiche verhält sie sich sehr ungünstig.

Ein zentraler Punkt ist außerdem das komplexe Verhältnis zwischen den Schwestern Alex und Sasha. Sasha, die Mutter die Zwillinge, ist seit fünfzehn Jahren eine gebrochene Frau, schleppt sich mit schweren Depressionen durch den Tag und verletzt sich immer wieder selbst. Die Ehe mit ihrem Mann Jez scheiterte bald nach der Tat, auch wenn sie und Jez sich immer noch zu lieben scheinen. Alex kümmert sich intensiv um ihre labile Schwester; andererseits erscheint das Verhältnis in einem etwas veränderten Licht mit der Enthüllung, dass Alex als Teenager mit Jez liiert war und Sasha ihn ihr bewusst ausspannte. Gerade an der Figur Sasha wird deutlich, dass es sich nicht nur um einen Thriller, sondern auch um eine dramatische Familiengeschichte handelt, die das Leben aller Beteiligten nachhaltig verändert hat.

Detektive Inspector Kate Todd ist gleichfalls eine gelungene Figur. Auch ihr Privatleben berührt, ist sie doch auch nach fünfzehn Jahren traumatisiert durch die Auffindung des toten Harry. Seit sie als junge, unerfahrene Polizistin die Kinderleiche fand, wehrt sich in ihr alles gegen den Gedanken, selbst Mutter zu werden; zu groß ist ihre Angst, selbst einmal ein Kind zu verlieren. Davon ahnt allerdings ihr Ehemann Chris nichts, der sich sehnlichst Kinder wünscht. Dieser Zwiespalt beschäftigt Kate Todd durchgehend, ist aber angenehmerweise auch nicht so präsent in der Handlung, dass er vom Kriminalfall ablenken würde.

Spannung bezieht der Roman aus den Fragen, ob die Verurteilten Jackie Wood und Martin Jessop tatsächlich unschuldig waren, was genau hinter der Entführung der Kinder steckte, wer Jackie Wood ermordete und wie weit Alex ins Visier der neuen Ermittlungen und Presse-Enthüllungen gerät. Ein kleiner Schwachpunkt liegt darin, dass es eine frühe Andeutung gibt, die man zwar aufgrund ihrer Beiläufigkeit überlesen kann, die aber - wenn man sie nicht überliest - viel von der Auflösung vorwegnimmt. Das Ende ist bewegend und durchaus schockierend, aber nicht völlig überraschend. Wer auf einen großen Überraschungseffekt setzt, dürfte in der Hinsicht enttäuscht werden.

Fazit:


"All die bösen Dinge" von Mary-Jane Riley ist ein überzeugender Debüt-Thriller mit interessanten Charakteren, der sich leicht und flüssig liest. Der Überraschungseffekt am Ende könnte ruhig etwas größer ausfallen, das ist eine kleine Schwäche des Werkes. Ansonsten empfehlenswert und man darf gespannt sein auf den nächsten Band mit Alex Devlin.

1. Januar 2017

Das Paket - Sebastian Fitzek

Produktinfos:

Ausgabe: 2016
Seiten: 368
Buchhandel.de
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Der Autor:

Sebastian Fitzek, Jahrgang 1971, zählt zu Deutschlands erfolgreichsten Thrillerautoren. Gleich mit seinem Erstling "Die Therapie" gelang ihm 2006 der Durchbruch. Weitere Werke sind u.a. "Der Seelenbrecher", "Der Augensammler", "Splitter", "Noah" und "Passagier 23".

Inhalt:

Emma Stein ist eine engagierte Psychiaterin und glücklich im Berufs- und Privatleben - erst recht, seit sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Philipp ihr erstes Kind erwartet. Doch das ändert sich alles schlagartig, als Emma eines Nachts im Hotelzimmer vergewaltigt wird und anschließend eine Fehlgeburt erleidet. Der maskierte Täter schert ihr die Haare, und für Emma steht fest, dass sie ein weiteres Opfer des "Friseurs" geworden ist, eines Serientäters, der Frauen überfällt und ihnen die Haare abrasiert.

Emma ist allerdings das einzige Opfer, das nicht getötet wurde. Daher zweifelt die Polizei auch daran, dass es sich um den gleichen Täter handelt. Schließlich kommt sogar der Verdacht auf, dass sich Emma alles nur eingebildet oder die Vergewaltigung inszeniert hat, zumal sie als Kind wegen Wahnvorstellungen behandelt wurde.

Nach der Tat zieht sich Emma völlig in ihr Haus am Berliner Stadtrand zurück. Sie kann aus Angst vor dem Täter nicht mehr auf die Straße gehen, reagiert hysterisch auf Geräusche und behält immer ihren wachsamen Husky Samson um sich herum, erst recht, wenn Philipp beruflich unterwegs ist. Eines Tages bittet sie der Postbote, ein Paket für einen Nachbarn anzunehmen. Emma ist misstrauisch, denn der Name des angeblichen Nachbarn ist ihr unbekannt. Plötzlich geschehen seltsame Dinge und Emma ist überzeugt davon, dass ihr Vergewaltiger ein perverses Spiel mit ihr treibt ...

Bewertung:

Die Grundidee von Sebastian Fitzeks Psychothriller "Das Paket" ist reizvoll, der gute Anfangseindruck wird aber zunehmend durch übertriebene Wendungen zunichte gemacht.

Zunächst einmal ist es spannend, auf zwei Zeitebenen Emmas Schicksal zu verfolgen. In einem Strang spricht sie nach offenbar sehr dramatischen Vorfällen mit ihrem väterlichen Freund Konrad, der zugleich Anwalt ist. Der andere Strang spielt drei Wochen zuvor und zeigt, wie die beunruhigenden Ereignisse in Emmas Leben nach und nach gesteigert haben. Emmas Schicksal erweckt Mitgefühl beim Leser. Seit ihrer Vergewaltigung ist sie ein körperliches und seelisches Wrack, kann nicht mehr arbeiten gehen, geschweige denn, dass sie bereit für ein neues Kind wäre. Ihre Vertrauenspersonen sind sehr rar gesät, und ausgerechnet ihr Ehemann hält nicht uneingeschränkt zu ihr - allmählich scheint er die Geduld mit ihr zu verlieren, und in ihr keimt der Verdacht auf, dass auch er ihr nicht mehr glaubt, was sie erlebt haben will.

Es wird lange Zeit offengehalten, ob Emma wirklich ein Opfer des Serienmörders war oder ob sie sich diese Verbindung zwischen ihr und den anderen Frauen einredet. Man ist durchaus gewillt ihr zu glauben, doch realistisch betrachtet sind Zweifel an ihrer Theorie verständlich. Immer wieder kommt es zu Situationen, in denen sich Emma bedroht fühlt, was aber auch an ihrer extremen Sensibilität liegen mag. Daraus ergibt sich ein zunächst recht unterhaltsames Verwirrspiel, in dem nicht klar ist, ob die Protagonistin tatsächlich noch in Gefahr schwebt oder nicht.

Allerdings war es das auch schon mit den positiven Aspekten. Schon früh fällt störend auf, dass manche Szenen, in denen Emma eine diffuse Bedrohung spürt, zu ausufernd erzählt werden. Des Weiteren ist Emmas Verhalten nicht immer nachvollziehbar; schon allein, wie es dazu kommt, dass sie das ominöse Paket trotz ihrer Angst vor Fremden überhaupt annimmt, ist wenig überzeugend und wirkt konstruiert. Mit der Zeit nerven auch die Cliffhanger, die sich im Nachhinein teilweise sehr banal auflösen. Größtes Manko sind aber die überdrehten Wendungen, die die Handlung auf den letzten Metern einnimmt. Ein Überraschungseffekt am Ende ist bei einem Psychothriller natürlich beinah verpflichtend, allerdings erfährt diese Wendung dann wieder eine Wendung, um erneut eine Wendung und schließlich noch eine Wendung einzuschlagen. So reiht sich am Ende eine Enthüllung an die andere, selbstverständlich jede noch ein wenig spektakulärer als die vorherige, was letztlich viel zu aufgesetzt, unglaubwürdig bis unfreiwillig komisch erscheint. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen; da rettet auch die nette Aufmachung der Hardcoverausgabe nicht viel, die das Titelbild passend zum Titel als Paket an den Verlag inszeniert.

An den Roman schließt sich noch ein Anhang von gut zwanzig Seiten an, in denen Sebastian Fitzek ein bisschen sein zehnjähriges Autorenleben Revue passieren lässt und sich vor allem bei seinen Lesern bedankt. Um einen Einblick in die zahlreichen Mails zu schenken, die er seit dem ersten Roman regelmäßig erhält, druckt er mehr als ein Dutzend davon ab. Das hätte es nun nicht unbedingt gebraucht, aber sicherlich interessiert es den einen oder anderen Leser.

Fazit:

"Das Paket" von Sebastian Fitzek ist ein in der ersten Hälfte recht kurzweiliger Psychothriller, der dann in der zweiten Hälfte zunehmend schwächelt. Das Ende ist sehr überzogen, da es gleich mehrere spektakuläre bis unglaubwürdige Wendungen gibt, die in der Fülle viel zu überfrachtet wirken.