27. Dezember 2016

Elanus - Ursula Poznanski

Produktinfos:

Ausgabe: 2016
Seiten: 416
Buchhandel.de
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Die Autorin:

Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren. Sie begann verschiedenste Studiengänge zu belegen, ehe sie sich für einen Werdegang als Medizinjournalistin entschied. Seit 2003 schreibt sie Jugend- und Erwachsenenbücher, insbesondere Thriller. Werke von ihr sind beispielsweise "Erebos", "Saeculum", "Fünf", "Blinde Vögel" und gemeinsam mit Arno Strobel "Fremd" und "Anonym".

Inhalt:

Der siebzehnjährige Jona ist hochbegabt und vor allem im mathematisch-technischen Bereich seinen Alterskollegen um einige Jahre voraus. Daher erhält er ein Vollstipendium an einer Elite-Universität und zieht dafür in eine Gastfamilie in der Universitätsstadt. In sozialen Belangen ist Jona allerdings umso unbeholfener; er hat Probleme damit, Freundschaften und Beziehungen einzugehen.

Niemand ahnt etwas von Jonas privatem Forschungsprojekt, einer äußerst leistungsfähigen, mit Mikrofon und Kamera ausgestatteten Drohne, die er "Elanus" getauft hat. Mit ihrer Hilfe spioniert Jona seine Mitmenschen aus: Über die Handynummer ortet die Drohne den Besitzer, fliegt leise und unauffällig zu ihm und macht Ton- und Filmaufnahmen, die Jona zuhause live am Computer verfolgt und abspeichert. Egal, ob Jona sich an jemandem rächen will oder Infos zu einem interessanten Mädchen sucht, die Drohne beschafft ihm intime Einblicke in die Privatsphäre anderer, die er für sich nutzen kann.

Doch kurz nach Jonas Ankunft an der Uni passieren merkwürdige und beunruhigende Dinge. Ein Dozent nimmt sich das Leben, eine Kommilitonin scheint mehr darüber zu wissen. Zudem hat Jona mehr und mehr das Gefühl, dass er selbst ausspioniert wird. Irgendjemand weiß offenbar von seiner Drohne und sieht in Jona eine Gefahr, die beseitigt werden muss ...

Bewertung:

Ursula Poznanski beweist nach Büchern wie "Saeculum" mit "Elanus" erneut, dass sie nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Jugendliche spannende Thriller schreiben kann. Das in routiniert-flüssigem Stil verfasste "Elanus" ist ein sehr zeitgemäßes Werk, das sich den technischen Möglichkeiten der Überwachung und Spionage widmet und das Gefahrenpotenzial zum Thema macht - freilich eingebettet in eine kurzweilige Handlung, die in erster Linie unterhält und nicht belehrt oder kritisiert. Protagonist Jona kommt einerseits in den Genuss dieser hochmodernen Techniken, schließlich erfährt er durch seine Drohne viele Probleme und Geheimnisse seiner Mitmenschen, die ihm sonst verschlossen blieben. Andererseits erfährt Jona auch, dass es lebensgefährlich ist, mit seiner Drohne den falschen Menschen zu nahe zu kommen. Sein "Elanus" ist eigentlich nur als private Spielerei gedacht, doch ehe er sich's versieht, ist Jona ist kriminelle Machenschaften verwickelt.

Die Handlung ist spannend, da sie genug Fragen aufwirft, die man als Leser gerne beantwortet sehen möchte und deren Antworten nicht zu vorhersehbar sind. Da ist die Frage, warum sich Jonas Dozent das Leben genommen hat - wenn es denn tatsächlich ein Selbstmord war. Da ist die Frage, was Jonas Kommilitonin Linda darüber weiß, denn sie ist ausgesprochen bestürzt über den Vorfall, obwohl er sie nicht einmal unterrichtete. Und da ist die Frage, was Dr. Schratter, der Rektor der Universität, möglicherweise mit diesen Dingen zu tun hat. Obwohl Jona einige Dinge zu seinem Studium mit ihm besprechen soll, scheint es unmöglich, ihn zu treffen; immer ist der Rektor gerade weg oder in einer Besprechung, selbst fest ausgemachte Termine lässt er ohne Absage ausfallen, fast als ginge er Jona bewusst aus dem Weg.

Auch andere Menschen in Jonas Umfeld verhalten sich zunehmend merkwürdig ihm gegenüber, er wird offenbar als unliebsamer Mitwisser beobachtet und verfolgt und weiß nicht einmal, was er so Brisantes erfahren haben soll, dass man ihn so fürchtet. Zu allem Überfluss wohnt Jona nicht mehr zuhause, sondern ist für das Studium zu einer Gastfamilie gezogen, hat also niemand Vertrauten um sich herum und weiß nicht, wer aus seinem neuen Umfeld Freund und wer Feind ist.

Die Schwäche des Romans liegt darin, dass ausgerechnet Protagonist Jona vor allem zu Beginn unsympathisch erscheint. Er verhält sich arrogant gegenüber seinen Mitmenschen, stellt sich beispielsweise gleich in seiner ersten Vorlesung als "so hochbegabt, dass es kaum noch auszuhalten ist" vor und reißt den Vortrag gegen den Willen des Dozenten an sich. Dass er seine Mitmenschen mithilfe seiner Drohne ausspioniert und ihnen aus Spaß sogar anonyme Drohzettel à la "Ich weiß, was du getan hast" zusteckt, macht ihn definitiv nicht liebenswerter. Gerade auf den ersten zwanzig, dreißig Seiten ist das Risiko recht hoch, dass man genervt das Buch zuklappt und auf die weitere Lektüre verzichtet.

Zumindest in diesem Anfangsstadium ist Jona auch kein typischer Antiheld, der gerade durch seine Schwächen zum Identifizieren einlädt, da man nur schwer Verständnis für sein Verhalten aufbringen kann. Glücklicherweise bessert sich das mit der Zeit. Jona schämt sich später mehrmals für sein Verhalten und bereut manche Dinge, er hält sich mit arroganten Bemerkungen zurück und zeigt Hilfsbereitschaft. Ungefähr nach dem ersten Drittel fühlt man sich ihm näher und er wird schließlich tatsächlich zu einer Figur, mit der man bangt und leidet - sofern man nicht vorher schon die Geduld mit ihm verliert.

Fazit:

"Elanus" von Ursula Poznanski ist insgesamt ein spannender und kurzweiliger Thriller für Leser ab etwa vierzehn Jahren mit einer interessanten Thematik. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings, dass ausgerechnet die Hauptfigur anfangs recht unsympathisch erscheint. Das bessert sich im Handlungsverlauf, ist aber zunächst abschreckend.

18. Dezember 2016

Niemand sieht mich kommen - Lisa Scottoline

Produktinfos:

Ausgabe: 2016
Seiten: 416
Buchhandel.de
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Die Autorin:

Lisa Scottoline aus den USA, eigentlich Lisa Scott, hat als Anwältin für das US-Berufungsgericht gearbeitet und baut ihre juristische Erfahrung gerne in ihre Romane ein. 1994 erschien ihr erster Roman "Die Katze war noch da", der erste Teil der Rosato & Partner-Reihe, die inzwischen mehr als zehn Bücher umfasst. Weitere Werke sind u.a. "Die Staatsanwältin", "Die Richterin" und "Rabenmutter".

Inhalt:

Eric Parish ist ein erfolgreicher Psychiater, der in Philadelphia die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses leitet und nebenbei noch eine eigene Praxis führt. Privat dagegen gerät sein Leben aus den Fugen, als sich seine Frau Caitlin von ihm trennt und ein erbitterter Sorgerechtsstreit um die siebenjährige Tochter Hannah entbrennt.

In diesen Tagen nimmt Eric den siebzehnjährigen Max als Privatpatienten an. Der intelligente, aber unsichere Max leidet unter einer Zwangsneurose, zudem liegt seine geliebte Großmutter im Sterben, während die Mutter Alkoholikerin ist, und Eric sorgt sich um den Jungen. In den Therapiestunden erfährt Eric, dass Max von einem Mädchen besessen ist und sie regelmäßig stalkt.

Kurz darauf beschuldigt eine Medizinstudentin Eric der sexuellen Belästigung, nachdem er sie abgewiesen hat. Sein Job steht auf dem Spiel, ebenso sein Kontakt zu Hannah. Doch es kommt noch schlimmer, als Max' Angebetete ermordet aufgefunden wird. Plötzlich steht Eric unter Mordverdacht und alles spricht gegen ihn. Irgendjemand will offenbar sein Leben zerstören - doch wer und warum ...?

Bewertung:

Von ganz oben nach ganz unten geht es für Eric Parish, den Protagonisten in Lisa Scottolines Thriller "Niemand sieht mich kommen".

Nach der schmerzlichen Trennung von seiner Frau und den Sorgerechtsproblemen findet er zunächst Halt in seiner Arbeit, ist er doch ein überaus erfolgreicher und geschätzter Psychiater, dem seine Patienten sehr am Herzen liegen. Eric ist grundsätzlich eine sympathische Figur und man kann sein Handeln in der ersten Hälfte des Romans gut nachvollziehen. Er hängt an seiner Exfrau und leidet darunter, dass sie schnell einen neuen Partner findet, er vermisst seine Tochter und registriert besorgt, dass Hannahs Mutter das introvertierte Mädchen zu Hobbys drängt, die Hannah gar nicht gefallen. Man kann sich schnell in Eric und seine Probleme einfühlen, sodass man mit ihm leidet, als sein Leben nach und nach aus den Fugen gerät. Ein paar unglückliche Umstände machen Eric plötzlich zum Mordverdächtigen, und es ist recht spannend zu verfolgen, wie sich diese Lage immer weiter zuspitzt. Man weiß als Leser um Erics Unschuld, dementsprechend möchte man auch erfahren, wie er aus dieser scheinbar hoffnungslosen Lage wieder herauskommt - und natürlich ebenso, wer hinter diesen Taten steckt und warum es derjenige gerade auf Eric abgesehen hat.

Recht gelungen ist zudem die Nebenfigur Paul, Pauls unkonventioneller Anwalt. Paul wirkt dank seiner flotten Sprüche und seinem ausgeprägten Humor anfangs alles andere als seriös, stellt sich dann aber als ausgesprochen fähig heraus. Obendrein ist er der Bruder von Erics platonischer Freundin Laurie und möchte die beiden gerne verkuppeln, zu Erics Leidwesen geht er dabei nicht gerade subtil vor und stürzt die beiden immer wieder in Verlegenheit.

Aber auch wenn sich der Thriller weitgehend sehr flüssig liest, offenbart er doch gerade in der zweiten Hälfte einige Schwächen. Erics Verhalten ist hier nicht mehr in allen Belangen plausibel, sein extremer Einsatz für Max, den er ja erst seit Kurzem kennt, erscheint übertrieben. Das Motiv des Täters ist enttäuschend, weil sehr banal. Da sich der Täter immer wieder in kurzen Kapiteln zur Wort meldet und geheimnisvoll gibt, war an dieser Stelle mehr zu erwarten; stattdessen sind die Hintergründe zu den Taten sehr simpel und mitnichten raffiniert oder komplex. Das Ende kommt vergleichsweise zu plötzlich daher, wird zu schnell abgehandelt und wirkt etwas plump. Während man in der Handlung zuvor durchaus hätte Straffungen vornehmen können, spielt sich das Finale überhastet ab. Kurz vor Schluss gibt es noch einen weiteren Twist in der Handlung, der zwar unerwartet sein mag, aber doch konstruiert und weit hergeholt erscheint, gerade so, habe man hier zwanghaft noch einen nachhaltigen Überraschungseffekt einbauen wollen, der jedoch nicht wirklich überzeugt.

Fazit:

Lisa Scottolines "Niemand sieht mich kommen" ist ein grundsätzlich solider Thriller, wenn man leichte Unterhaltung sucht und Spannungsromane mag, die im psychiatrischen Milieu spielen. Allerdings ist das Ende in mehrfacher Hinsicht nicht sehr überzeugend, eine Wendung ist eher lasch und die andere dafür umso übertriebener. Kann man lesen, aber man verpasst auch nicht viel, wenn man das Werk auslässt.