21. September 2016

Die Feinde (Band 1) - Charlie Higson

Produktinfos:

Ausgabe: 2014 bei Heyne
Seiten: 480
Buchhandel.de
* * * * *
Der Autor:

Charlie Higson, Jahrgang 1958 (England), ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Schauspieler und Sänger. Bekannt wurde er vor allem durch seine "Young Bond"-Romane, die Geschichten über den jugendlichen James Bond erzählen.

Inhalt:

Ohne Vorwarnung wird London von einer Epidemie befallen, die nur Erwachsene betrifft. Die Infektion verwandelt die Menschen in blutrünstige Bestien, die Jagd auf die Kinder machen. Viele sterben, doch einigen gelingt es, sich in Gebäuden zu verstecken und zu verbarrikadieren.

Eine Gruppe von Kindern hat sich in einem Kaufhaus verschanzt. Regelmäßig beschaffen Suchtrupps neue Nahrungsmitteln. Mit der Zeit jedoch wird es immer schwieriger, in der Umgebung Lebensmittel zu finden; zudem gibt es bei den Kämpfen gegen die Erwachsenen immer wieder Opfer.

Eines Tages trifft ein Junge ein, der ihnen von einer sicheren Zuflucht erzählt - dem Buckingham Palast. Er und viele andere Kinder haben sich dort eingerichtet und suchen neue Gruppenmitglieder. Das klingt verlockend, aber der Weg quer durch London ist äußerst gefährlich ...

Bewertung:

Charlie Higsons Auftakt seiner Feinde-Reihe ist eine leichte Variation des üblichen Zombieschemas: Die "Zombies" sind hier keine zum Leben erwachten Toten, sondern kranke Menschen, die zudem älter als vierzehn Jahre sind. Bisse der Infizierten führen oft zum Tod, lösen aber keine Verwandlung aus. Die Protagonisten sind ausnahmslos Kinder, was für einen Horrorroman eine interessante Abwechslung darstellt. Das Szenario erinnert an Williams Goldings "Herr der Fliegen", so sich Kinder allein auf einer Insel durchschlagen müssen, oder auch an Michael Grants "Gone"-Reihe, in der plötzlich alle Menschen über fünfzehn Jahren verschwinden. Harmlos und brav wird der Inhalt durch die Fokussierung auf Kinder gewiss nicht, im Handlungsverlauf müssen einige der Gruppenmitglieder ihr Leben lassen.

Die Geschichte, die ja freilich nur den Anfang einer insgesamt siebenteiligen Reihe erzählt, ist grundsätzlich spannend. Für Kinder ist es ungleich schwerer, in einer postapokalyptischen Welt zu überleben, als für erwachsene Protagonisten - die jüngsten unter ihnen können nur wenig Nützliches beitragen, allen Kindern fehlen technische und medizinische Experten, die das Überleben erleichtern würden. Dennoch schlagen sie sich beachtlich, werden nach und nach immer härter und abgebrühter. Ungefähr nach dem ersten Drittel bestimmt der Aufbruch zum Buckingham Palast das Geschehen. Die Kaufhausgruppe ist sich uneins darüber, ob dieser riskante Weg wirklich angebracht ist. Nicht nur, dass sie einige Kilometer unsicheres Terrain zu Fuß durchqueren müssen, sie wissen auch nicht, ob und inwieweit sie dort überhaupt willkommen geheißen werden und ob es dort tatsächlich so sicher ist, wie der Junge mit der Patchwork-Jacke erzählt, der sie dorthin führen will. Spätestens an dieser Stelle wird offenkundig, dass nicht nur die Erwachsenen ein Problem in dieser Welt darstellen, sondern auch die Kinder - man weiß nicht, wem man noch trauen kann, und es bilden sich in wichtigen Fragen immer wieder mehrere Lager mit unterschiedlichen Ansichten, ganz zu schweigen von rivalisierenden Banden aus der gleichen Gegend, die die gleichen Ressourcen beanspruchen.

Der Roman wird ab zwölf Jahren empfohlen, wobei diese Grenze schon recht niedrig angesetzt ist. Es gibt zwar keine Splatterszenen, allgemein wird die Brutalität eher angedeutet als explizit dargestellt, aber die harte Thematik richtet sich eher an Jugendliche ab etwa vierzehn, fünfzehn Jahren. Auch erwachsene Leser, die ein Faible für Zombieromane und postapokalyptische Szenarien haben, werden bei "Die Feinde" solide unterhalten. Zu den Schwächen zählt eine gewisse Langatmigkeit, die sich zwischendrin bisweilen einstellt. Das liegt vor allem daran, dass es lange dauert, bis einem die Figuren ans Herz wachsen. Man kann zwar schnell die Namen und grundlegende Charakterzüge zuordnen, aber wirklich einprägsam ist keiner von ihnen. Todesfälle unter den Kindern lassen einen nicht kalt, doch es mangelt an markanten Protagonisten, die zum intensiven Mitfiebern einladen. Sicher gibt es reizvolle Figuren, wie etwa die toughe Maxie, die in die Rolle der Anführerin hineinwächst, oder Small Sam, der von der Gruppe getrennt wird. Doch es dauert auch bei diesen Charakteren, bis sie diesen Reiz erlangt haben.

Über den Ausbruch der Seuche und die erste Zeit danach erfährt man nur wenig. Die Handlung setzt einige Monate nach Ausbruch der Epidemie ein, sodass man die Kinder bereits recht abgeklärt erlebt; dabei wäre es sicherlich interessant gewesen, die Entwicklung mitzuerleben. Es ist nachvollziehbar, dass die Kinder aufgrund ihrer Lage älter wirken, als sie sind; allgemein verhalten sie sich aber etwas zu erwachsen, für Weinerlichkeit und Ängste ist nur sehr wenig Raum.

Dass am Ende einige offene Fragen bleiben, ist beim Auftakt einer Reihe kaum zu verhindern. Schade ist nur, dass bislang (Stand Herbst 2016) noch keine weiteren Bände auf Deutsch erschienen sind. Wer nicht auf unbestimmte Zeit mit den Fortsetzungen warten will, muss somit auf Englisch ausweichen.

Fazit:

"Die Feinde" von Charlie Higson bildet den soliden Auftakt einer auch für Jugendliche geeigneten Zombiereihe, die den Fokus auf Kinder legt. Die Handlung ist recht unterhaltsam und nicht zu blutig, macht auch durchaus neugierig auf die weiteren sechs Bände. Allerdings gibt es gerade, was die Charaktere angeht, noch Luft nach oben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.