1. April 2016

Falsche Haut - Leon Sachs

Produktinfos:

Ausgabe: 2016 bei Emons
Seiten: 336
Buchhandel.de
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Der Autor:

Leon Sachs, bürgerlich Marc Merten, studierte in der Schweiz Medienwissenschaften sowie Theologie und Religion in Durham. Derzeit lebt und arbeitet er als Journalist in seiner Heimat Köln.

Inhalt:

Alexander Kauffmann, Geschichtsdozent an der Universität Fribourg, wird von seiner besten Freundin Natalie Villeneuve, die mit ihm im Waisenhaus aufwuchs, um Hilfe gebeten. Kurz nachdem Natalies geliebter Adoptivvater Régis verstarb, fanden sie und ihre Mutter Suzanne einen an Régis gerichteten Brief in seinen Sachen. Daraus geht hervor, dass Régis wegen einer Sache jahrelang erpresst und ihm mit Natalies Tod gedroht wurde. Zudem wollte Régis eine Akte eines Strafverfahrens einsehen, was abgelehnt wurde.

Régis' Hinterbliebene und Alex erhoffen sich Aufschluss über die Hintergründe aus dem Testament - doch bevor sie es einsehen können, wird es mitsamt einem beiliegenden Brief aus dem Notarbüro gestohlen. Bei ihren Recherchen erfahren Alex und Natalie, dass Régis' Geheimnis tief mit seiner Zeit bei der Résistance verstrickt ist und dass auch Natalies leibliche jüdische Vorfahren eine Rolle dabei spielen.

Bei ihrer Suche nach der Wahrheit stoßen die beiden auf den Geheimbund der "Wächter", ein mächtiger Zusammenschluss ehemaliger Nazi-Kollaborateure, die vor nichts zurückschrecken und deren Einfluss bis in höchste Kreise reicht. Nachdem Régis ihnen offenbar zu nahe kam, haben sie nun Alex und Nathalie im Visier und verfolgen sie auf deren Weg quer durch Frankreich. Als Alex' Wohnung durchwühlt und ein Zeuge in ihrem Beisein erschossen wird, ist ihnen klar, dass auch sie in Lebensgefahr schweben - und dass sie kaum noch jemandem trauen können ...

Bewertung:


Stell dir vor, du kommst einem mächtigen Geheimbund in die Quere und musst um dein Leben und um das deiner liebsten Menschen bangen - so ergeht es dem sechsunddreißigjährigen Geschichtsprofessor und Hobbyfechter Alexander Kauffmann, der sich urplötzlich mit den skrupellosen "Wächtern" auseinandersetzen und ein Geheimnis aus der Zeit der Résistance lösen muss.

Rasch wird der Leser in die Ereignisse hineingezogen; es gibt keinen großen Vorlauf, stattdessen macht sich Alex schon bald auf den Weg zu Familie Villeneuve, um dort in das Rätsel um Régis' Geheimnis eingeweiht zu werden. Gebannt verfolgt man Alex' und Nathalies Recherchen, begierig darauf, zu erfahren, was es mit Régis Erpressung auf sich hatte. Die Handlung spart nicht mit unerwarteten Wendungen, man kann sich nicht sicher sein, wer auf der Seite der Guten steht und wer zu den "Wächtern" gehört, und selbst auf den letzten Seiten ergeben sich noch Überraschungen. Positiv fällt auch auf, dass sowohl die "Wächter" als auch die Protagonisten nicht immer perfekt agieren und sich kleine, menschliche Fehler erlauben, was dem Geschehen zu einem höheren Realismus verhilft. Sicher sollte man dem Thema "Verschwörungsgeschichten" unterhaltungstechnisch nicht abgeneigt sein, aber zumindest wird der Bund der "Wächter" glaubwürdig in Szene gesetzt, was ihre Gründung, ihre Ziele und ihre Vorgehensweisen angeht. Das ist gerade in diesem Genre nicht unbedingt selbstverständlich; das Risiko ist groß, dass die Verschwörung hanebüchen und plakativ wirkt, aber die Verbindung mit Frankreichs Geschichte im Zweiten Weltkrieg ist überzeugend gemacht.

Die Handlung ist komplex, zumal die Schauplätze oft wechseln und sich jedes Mal neue Erkenntnisse ergeben. Trotzdem ist sie nicht so verworren, dass man den Überblick verlöre; hilfreich ist auch, dass zweimal einer jeweils neuen Figur von Alex Kürzest-Zusammenfassungen dargeboten werden, die dann auch dem Leser nutzen. Besonders brisant wird es, als die französische Polizei eingeschaltet wird. Nicht nur, dass Alex und Nathalie als verdächtig gelten, da sie vom Schauplatz eines Mordes geflohen sind, sie müssen auch damit rechnen, dass es in dieser Behörde Spitzel der "Wächter" gibt. So darf denn auch der Leser rätseln, wer von den neuen Kontakten möglicherweise zum Geheimbund gehört und wer wirklich ein ehrlicher Helfer ist. Alex Kauffmann ist ein sympathischer Protagonist, was auch für Nathalie gilt, die allerdings eine Weile braucht, um für den Leser mehr als "die Tochter von Régis" darzustellen. Eine interessante Nebenfigur ist Pascal Bernard, ein kurz vor der Pensionierung stehender Untersuchungsrichter, der gegen seinen Willen mit dem Fall beauftragt wird.

Humor wird sparsam dosiert eingeflochten, bleibt aber nicht außen vor. Hin und wieder gibt es amüsante Dialoge; witzig ist vor allem Alex' Konfrontation mit seiner distanzlosen Nachbarin, eine ihn allzu offensichtlich anhimmelnde Studentin. Die Konstellation Alex-Nathalie erscheint natürlich prädestiniert für eine Liebesgeschichte zwischen den Protagonisten, doch dieses Thema wird angenehm zurückhaltend behandelt. Gewiss kristallisiert sich im weiteren Verlauf heraus, dass Alex und Nathalie nicht nur geschwisterliche Gefühle füreinander hegen, aber dies spielt in der Handlung nur eine marginale Rolle - das mag jenen missfallen, die auf prickelnde Erotik oder auch nur auf ausgeprägte Romantik hoffen, kommt aber denjenigen zugute, die den Fokus lieber auf dramatische Verwicklungen gerichtet sehen.

Geschickt wird ganz nebenbei ein bisschen Lokalkolorit untergebracht. Vor allem wenn die Spuren Alex und Nathalie nach Strasbourg und Marseille führen, gibt es unaufdringliche, atmosphärische Beschreibungen der Örtlichkeiten, sodass der Leser etwa eine gute Vorstellung von der Gegend um die Kirche Saint-Pierre-le-Jeune und dem Hafen von Marseille erhält.

Fazit:

Ein spannender Thriller, der sich vor allem für Fans von Verschwörungsgeschichten anbietet, aber auch Lesern, die sonst wenig mit diesem Genre in Berührung kommen, kurzweilige Unterhaltung beschert.

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