27. Januar 2016

Stumme Schreie - Karin Fossum

Produktinfos:

Ausgabe: 2000
Seiten: 317
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Die Autorin:

Karin Fossum wurde 1954 in Norwegen geboren. 1995 erschien ihr Debütroman "Evas Auge", der erste Kriminalroman mit Kommissar Sejer. Weitere Bände sind u.a. "Fremde Blicke", "Dunkler Schlaf" und "Wer anders liebt". Bis 2016 erschienen elf Bände der Reihe; "Stumme Schreie" ist der fünfte.

Inhalt:

Gunder Jomann führt im norwegischen Elvestad ein unauffälliges, zurückgezogenes Leben. Mit seinen einundfünfzig Jahren ist er immer noch Junggeselle, er arbeitet fleißig in seinem Laden für Landmaschinen, besitzt ein kleines Haus mit Garten und seine Schwester Marie ist seine engste Vertraute. Gunder sehnt sich nach einer Frau, der er seine Liebe schenken kann, nach beschaulicher Zweisamkeit.

Da er kaum eine Chance sieht, in seiner Heimat eine Frau zu finden, hofft er, in Indien mehr Glück zu haben. Kurzerhand fliegt er nach Indien und lernt dort die Kellnerin Poona kennen. Gunder verliebt sich und auch Poona empfindet Zuneigung für den liebenswerten Mann, der sie auf Händen tragen will. Sie heiraten in Indien, und schon bald soll Poona Gunder nach Norwegen in ihre neue Heimat folgen. Überglücklich fiebert Gunder seiner Frau entgegen und bereit alles für ihr Eintreffen vor.

Doch alles kommt anders: Seine Schwester Marie erleidet einen schweren Autounfall und liegt im Koma. Gunder muss ins Krankenhaus und kann Poona nicht vom Flughafen abholen. Er beauftragt einen Bekannten damit, der Poona jedoch verpasst. Am Abend wird bei Elvestad die schrecklich entstellte Leiche einer jungen Frau gefunden, offenbar einer Ausländerin. Kommissar Sejer übernimmt den Fall. Wer ist die Fremde und wer hat sie so zugerichtet ...?

Bewertung:

Kommissar Sejers fünfter Fall ist, wie die meisten Werke Karin Fossums, ein eher untypischer Krimi. Spannung ist gegeben, doch der Fokus liegt eher auf Atmosphäre, psychologischem Gespür und Charakterzeichnung.

Gelungen ist vor allem die Darstellung von Gunder Jomann. Anfangs mag er noch in erster Linie Mitleid erregen und ist alles andere als ein typischer Sympathieträger - etwas verschroben und sein Vorhaben, sich eine Frau in Indien zu suchen, weckt erst einmal Misstrauen. Dann aber kristallisiert sich heraus, dass Gunder ein liebenswerter Mann ist, der zwar einige naive Ansichten hat, es mit seiner zukünftigen Ehefrau aber nur gut meint. Die rund fünfzehn Jahre jüngere Kellnerin Poona ist die erste und einzige Inderin, mit der er während seines Urlaubs in Kontakt kommt, und sie gewinnt sogleich sein Herz. Es ist rührend, Gunders Begeisterung zu lesen, das fast ungläubige Staunen darüber, dass Poona sich tatsächlich auf ihn einlässt und sein Bestreben, alles richtig zu machen. So ungewöhnlich die Beziehung zwischen den beiden auch beginnt, sie ist von beiden Seiten ehrlich gemeint. Poona sieht in dem älteren Gunder einen soliden, zuverlässigen und zärtlichen Mann; Gunder projiziert wiederum auf Poona all die liebevollen Gefühle, die er bislang nicht ausleben konnte. Was nach außen hin wie eine Zweckehe wirken könnte, ist das glückliche Zusammenfinden zweier Menschen, die aus verschiedenen Welten stammen und doch irgendwie füreinander bestimmt zu sein scheinen.

Karin Fossum lässt sich Zeit, Gunder vorzustellen und die unkonventionelle Eheanbahnung zu beschreiben. Trotz dieser gemächlichen Entwicklung wird der Leser auf gewisse Weise gefesselt, fühlt man sich doch stark ein in Gunder und freut sich über sein Glück. Über all dem liegt aber stets eine sich immer stärker intensivierende Melancholie, denn dem Leser ist natürlich klar, wer hier das Mordopfer werden wird. Das mindert aber nicht die Spannung - das Opfer mag früh feststehen, das Motiv und der Täter tun dies dagegen nicht. Ist es eine Zufallstat, die auch jemand anderes hätte treffen können, oder gibt es irgendetwas, das Opfer und Täter miteinander verbindet? So wie Kommissar Sejer rätselt auch der Leser.

Eine Zeugin scheint es zu geben, die im Vorbeifahren Opfer und Täter kurz vor der Tat gesehen haben will. Doch die sechzehnjährige Linda hat nur flüchtig zwei Gestalten in der Dunkelheit gesehen, die scheinbar scherzhaft Fangen spielten; ihre Beobachtungen sind zu vage für eine eindeutige Spur. Linda allerdings möchte gern eine größere Rolle bei den Ermittlungen einnehmen - und sie ist fasziniert von Sejers jungem Kollegen Skarre, der sie befragt hat. Sie möchte ihn wiedersehen und ist dafür gerne bereit, ihre Beobachtungen aufzubauschen. Linda nimmt zwar nur eine Nebenrolle ein, aber auch ihre Geschichte interessiert den Leser und er verfolgt gebannt, wie sich ihre Rolle im Verlauf entwickelt. Melancholie liegt nicht nur über Gunders, sondern diesmal auch über Konrad Sejers Leben. Sein geliebter Leonberger Kollberg ist mittlerweile ein gebrechlicher Hundesenior, dem eine große Operation bevorsteht. Es ist fraglich, wie gut er sie verkraften wird und wie sinnvoll es überhaupt noch ist, ihn am Leben zu halten - Sejer muss sich mit der schweren Frage auseinandersetzen, ob Einschläfern vielleicht allmählich der angemessene Weg wäre.

Wer einen klassischen Krimi erwartet, der kann hier leicht enttäuscht werden. Nicht nur, dass es lange dauert, bis es überhaupt zum Kriminalfall kommt - auch das Ende ist nicht hundertprozentig eindeutig. Es bleibt ein Hauch Restzweifel, ob Sejer zum korrekten Schluss gekommen ist, oder ob nicht doch etwa sein weniger überzeugter Kollege Skarre richtigliegt. Gerade dies macht den Roman umso authentischer, ist doch auch in der Realität nicht immer alles restlos geklärt. Freilich ist dieser Karin Fossum eigene Zug auch speziell und wird den einen oder anderen Leser etwas frustrieren.

Fazit:

Sehr berührender, melancholischer und atmosphärischer Krimi. Störend kann allenfalls sein, dass der Kriminalfall erst spät ins Rollen kommt und dass das Ende nicht absolut eindeutig ist.

26. Januar 2016

Der weiße Wolf von Kostopchin - Gilbert Campbell

Produktinfos:

Ausgabe: 2015
Länge: 60 Minuten
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Der Autor:

Gilbert Campbell, 1838-1899, stammte von irischen Aristokraten ab und lebte in England. Er arbeitete als Übersetzer französischer Werke und verfasste einige Kurzgeschichten. Die vorliegende Geschichte erschien 1889.

Inhalt:


Winter 1845 in den polnischen Karpaten: Michail Wassiljewitsch arbeitet als Haushofmeister für Pawel Sergejewitsch auf dessen abgelegenem Gut Kostopchin. Das Leben in der eisigen Einöde ist hart, erst recht, als ein Wolfsrudel die Gegend bedroht.

Als der Gutsherr auf die Jagd gehen will, warnt ihn Wassiljewitsch vor den gefährlichen Wölfen. Erst in der Nacht zuvor ist er selbst diesem Rudel begegnet, das von einer weißen Wölfin angeführt wird. Sergejewitsch nimmt die Warnungen aber nicht ernst und geht trotzdem auf die Jagd.

Auf einer Lichtung stößt er auf die ausgeweidete Leiche eines Wilderers. Weiße Fellhaare deuten darauf hin, dass das Rudel mit der weißen Wölfin ihn angefallen hat. Zuhause angekommen, erfährt der Gutsherr von Wassiljewitsch dass inzwischen auch ein Nachbar und dessen Tochter den Wölfen zum Opfer gefallen sind. Der Haushofmeister ist überzeugt davon, dass hier dämonische Kräfte mit im Spiel sind. Das weigert sich der Gutsherr zu glauben. Pawel Sergejewitsch macht sich in Begleitung von Wassiljewitsch auf, die Wölfe zu töten. Dabei stoßen sie auf eine geheimnisvolle, schöne Frau, die Pawel mit zu sich nimmt ...

Bewertung:

"Der weiße Wolf von Kostopchin" ist zweifellos eine der unbekanntesten Vorlagen der Gruselkabinett-Reihe. Dass Hörern der Serie die grobe Handlung dennoch vertraut vorkommt, mag daran liegen, dass es mit "Der weiße Wolf" von Frederick Marryat bereits schon mal eine thematisch ähnliche Folge gegeben hat. Die Handlung der Marryat-Folge spielte im Harz, hier sind es die verschneiten Karpaten, die eine wunderbare Kulisse für eine schauerromantische Geschichte bieten.

Es ist eine atmosphärische Episode, die den Hörer intensiv in die beschriebene Szenerie versetzt. Die einsame Lage des Gutes, der harte Winter und die Bedrohung durch die ungewöhnlich aggressiven Wölfe werden überzeugend vermittelt, sodass man sich in die Situation der Figuren hineinfühlen kann. Geprägt wird die Handlung einerseits durch die immer bedrohlichere Gefahr, die von den Wölfen ausgeht, und andererseits von den unterschiedlichen Einstellungen Wassiljewitschs und Sergejewitschs. Der Haushofmeister Wassiljewitsch, der auch als Erzähler fungiert, ist deutlich misstrauischer und vorsichtiger als sein Herr. Der wiederum reagiert immer ungehaltener auf die gut gemeinten Warnungen des treuen Dieners. Der Hörer sympathisiert eindeutig mit dem Haushofmeister und darf mitfiebern, inwieweit dieser das Unheil abzuwenden vermag.

Hervorzuheben ist vor allem die akustische Untermalung. Die Geräuschkulisse ist sehr authentisch gestaltet, vom Hundegebell und Wolfsgeheul über pfeifenden Wind bis hin zum knisternden Kaminfeuer. Es sind gerade die scheinbar weniger bedeutsamen Details, die in der Gruselkabinett-Reihe gerne sorgfältig bedacht werden, wie sich in dieser Folge wieder einmal besonders deutlich zeigt. Auch die Musikuntermalung ist exzellent ausgewählt, je nach Stimmung melancholisch oder dramatisch. Dabei wird nicht der Fehler mancher früherer Folgen begangen und die Musik zu laut eingespielt, sodass sie von den Dialogen ablenken würde.

Auch die Sprecher leisten überwiegend sehr gute Arbeit. Hans Bayer spricht überzeugend und mit dunkler, rauer Stimme den Haushofmeister, der seinen Herrn zu schützen versucht. Auch Pascal Breuer als emotionaler, hitziger Gutsherr nimmt man jedes seiner Worte ab. Anja Kruse spricht sehr melodisch und einschmeichelnd die verführerische Ravina, die sich vor allem um die Gunst von Pawel und seiner Tochter Olga bemüht. Die kleine Olga wird von Clara Fischer gesprochen, deren Mutter Dana Fischer nicht nur ebenfalls Schauspielerin und Sprecherin ist, sondern auch die Presse- und Marketingarbeit bei Titania Medien unterstützt. Clara Fischer liefert eine intensive und aufgeweckte Vorstellung ab; etwas gewöhnungsbedürftig ist nur ihre sehr hohe, piepsige und nasale Stimme, die mitunter ein bisschen nölig klingt.

Die Schwäche des Hörspiels liegt dagegen in seiner Vorhersehbarkeit. Der Verlauf ist sehr früh zu erahnen, und überraschende Wendungen bleiben aus. Spannung existiert lediglich bezüglich der Frage, wie viele Opfer es geben wird, doch die Entwicklung des Geschehens, Ursprung und Motivation der Bedrohung ist für jeden Hörer offensichtlich. Kleine Abzüge gibt es zudem für den Sprecher des kleinen Alexej. Lando Auhage, der bereits in der Episode "Verlorene Herzen" eine kleine Rolle hatte, spricht monoton, man merkt, dass er den Text abliest. Das ist nicht so sehr verwunderlich, da er noch sehr neu in der Hörspielbranche ist, und da er nur wenige Sätze spricht, fällt es auch nicht sehr ins Gewicht.

Fazit:

Eine unterhaltsame Folge, die insbesondere durch dichte Atmosphäre und grandiose Geräuschkulisse sowie gute Hauptsprecher überzeugt. Dagegen ist die Spannung nur gering ausgeprägt, die Handlung verläuft zu vorhersehbar.

Sprechernamen:


Michail Wassiljewitsch - Hans Bayer
Pawel Sergejewitsch - Pascal Breuer
Ravina - Anja Kruse
Olga - Clara Fischer
Alexej - Lando Auhage

23. Januar 2016

Fenster zum Tod - Linwood Barclay

Produktinfos:

Ausgabe: 2012
Seiten: 592
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Der Autor:

Linwood Barclay studierte zunächst LIteratur und arbeitete als Journalist in Kanada. Er begann eine Krimireihe, die bislang nicht auf Deutsch veröffentlicht wurde. 2007 erschien sein Thriller "Ohne ein Wort", der ihn sofort zum Bestsellerautor machte. Weitere Werke sind "Dem Tode nah" und "In Todesangst".

Inhalt:


Der fünfunddreißigjährige Thomas Kilbride ist schizophren und wird von seinem Vater betreut; nach dessen Tod übernimmt zunächst Thomas' Bruder Ray diese Aufgabe. Thomas verlässt so gut wie nie das Haus und tut sich schwer mit sozialer Interaktion. Stattdessen befasst er sich fast rund um die Uhr mit Kartografie und kennt nahezu alle Stadtpläne der Welt auswendig.

Eines Tages entdeckt Thomas bei einem virtuellen Spaziergang durch New York mit dem Computerprogramm Whirl360 ein Fenster in einer Wohnung, an dem sich etwas Seltsames abspielt - das verschwommene Bild scheint zu zeigen, wie eine Person gerade mit einer Plastiktüte erstickt wird. Thomas ist überzeugt davon, dass hier zufällig ein Mord aufgenommen wurde. Auf sein Drängen hin fährt Ray zu der Wohnung und erfährt, dass die beiden ehemaligen Bewohnerinnen seit Monaten ausgezogen sind.

Merkwürdigerweise wird die Wohnung inzwischen zwar anderweitig vermietet, aber nicht bewohnt. Zudem stellt sich heraus, dass eine der Bewohnerinnen, die Kellnerin Allison Fitch, tatsächlich verschollen zu sein scheint - und wenig später ist die Wohnungsansicht bei Whirl360 bearbeitet worden, und die Person am Fenster wurde herausretuschiert. Ray ahnt allmählich, dass sein Bruder Recht hatte und hier tatsächlich ein Mord vertuscht wurde. Die Polizei schenkt ihnen keinen Glauben, sondern hält alles für Hirngespinste aufgrund von Thomas' Krankheit. Rays Recherche blieb jedoch anderweitig nicht unbemerkt - bald darauf schweben er und Thomas in tödlicher Gefahr ...

Bewertung:

Wenn Linwood Barclays Roman als Variante des 21. Jahrhunderts von Hitchcocks "Fenster zum Hof" beworben wird, trifft das durchaus den Kern. Verschärft wird diese Variante dadurch, dass der Mordzeuge unter Schizophrenie leidet und von der Polizei bereits durch andere Aktionen als unglaubwürdig eingestuft wurde. Das Buch ist in erster Linie ein hochspannender Thriller, beleuchtet aber auch eine komplizierter Brüder-Beziehung und den Alltag eines psychisch kranken Menschen.

Ray und Thomas sind sympathische Protagonisten, die zum Mitfiebern einladen. Ihr Schicksal ist dem Leser nicht gleichgültig, vielmehr hofft er, dass beide aus dem Schlamassel heil herauskommen werden. Bei Ray darf man davon ausgehen, da er als Ich-Erzähler auftritt, bei Thomas kann man dagegen nicht sicher sein. Die Hauptspannung dreht sich natürlich um die Frage, was es mit dem Mord auf sich hat, wer dahintersteckt und wie die Brüder sich den Verfolgern entziehen können.

Aufgrund der unterschiedlichen Erzählperspektiven weiß der Leser mehr als die Hauptfiguren Ray und Thomas. Der Großteil des Geschehens wird zwar von Ray berichtet, aber es gibt auch einige Kapitel, in denen personale Erzähler die Ereignisse um die verschwundene Allison und die Täter rund um den Mordkomplott beleuchten. Allison Fitch ist eine Kellnerin, die chronisch pleite ist und es sich durch ihre schlechte Zahlungsmoral inzwischen mit allen Freunden verdorben hat. Sie spielt in den Ereignissen um den Fenstermord eine zentrale Rolle, allerdings entwickelt sich hier einiges anders, als es der Leser zunächst vermutet. Im Gegensatz zu Ray und Thomas ist die egoistische Allison keine Sympathieträgerin, aber das macht es nur interessanter und ein bisschen realitätsnäher - warum sollten es immer die liebenswerten Menschen sein, die in Thrillern eine tragende Rolle spielen.

Für den Leser gibt es somit zwar kein Rätselraten, ob Thomas mit seinem Verdacht richtig liegt, aber der Spannung tut dies keinen Abbruch: Man weiß umso deutlicher um die Gefahr, in der Thomas und Ray schweben und dass Rays scheinbar harmlose Recherche schwerwiegende Folgen haben wird. Parallel gibt es in dem Strang um Allison einige unerwartete Wendungen, die den Rezipienten in Atem halten. Verstärkt wird die Spannung noch durch zwei Zusatzelemente: Zum einen bekommt Ray Zweifel, was den Unfalltod seines Vaters angeht, zum anderen erfährt er, dass Thomas mit dreizehn Jahren irgendetwas Schlimmes erlebt hat, über das er bisher nicht mit ihm sprechen wollte. Langeweile kommt trotz des Umfangs nicht auf; Linwood Barclay versteht es einfach, die Schlinge um seine Figuren immer enger zu ziehen und an den passenden Stellen wirkungsvolle Überraschungsmomente zu platzieren.

Bei aller Dramatik gibt es auch humorvolle Szenen, die sich aus Thomas' Krankheit ergeben, ohne dass sich darüber lustig gemacht wird. Thomas ist überzeugt davon, für den CIA zu arbeiten und schickt regelmäßig Mailberichte über seine kartografischen Tätigkeiten. Seiner Überzeugung nach werden irgendwann sämtliche Stadt- und Landkarten durch eine Katastrophe verschwinden, sodass der CIA auf Thomas' Fähigkeiten zurückgreifen muss. Das bei Schizophrenie typische Stimmenhören wird bei Thomas durch Tabletten eingedämmt; nur die Stimme des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton spricht noch regelmäßig zu ihm und lobt ihn für seinen Einsatz. Ray steht Thomas' Überzeugungen ein ums andere Mal ratlos gegenüber, und für den Leser sind Thomas' naiv-offene Sichtweisen und Äußerungen amüsant.

Sicherlich ist das Werk nicht dazu geeignet, umfassende Einblicke in die Schizophrenie zu schenken; bisweilen wirkt Thomas auch mehr wie ein autistischer Inselbegabter, nicht umsonst wird er an einer Stelle spöttisch "Rain Man" genannt. Illustriert wird weniger speziell die Krankheit Schizophrenie als eher die Schwierigkeit, psychisch kranken Menschen angemessen zu begegnen und sie zu verstehen.

Schwächen gibt es so gut wie gar keine zu verzeichnen. Unter Umständen ist das dramatische Finale ein bisschen konstruiert, es geschieht das eine oder andere passende Ereignis zur passenden Zeit, aber das ist verzeihlich. Wer Spaß am hochspannenden Thrillern hat, wird hier sicherlich nicht enttäuscht werden.

Fazit:


Sehr spannender Thriller mit interessantem Grundthema, der von Anfang bis Ende fesselt und bestens unterhält.

20. Januar 2016

Der Mittagstisch - Ingrid Noll

Produktinfos:

Ausgabe: 2015
Seiten: 224
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Die Autorin:

Ingrid Noll wurde 1935 als Tochter eines Arztes in Shanghai geboren. Mit 14 Jahren siedelte ihre Familie nach Deutschland über, wo sie in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren begann. Erst im Alter von 55 Jahren veröffentlichte sie mit "Der Hahn ist tot" ihren ersten Roman, der sofort die Bestsellerlisten stürmte. Es folgten weitere erfolgreiche Werke, u.a.: "Die Apothekerin", "Die Häupter meiner Lieben", "Selige Witwen" und "Röslein rot". Mehrere ihrer Bücher wurden verfilmt.

Inhalt:

Nelly ist Mitte dreißig, Mutter des neunjährigen Simon und der sechsjährigen Caroline und alleinerziehend, seit der Vater der Kinder zurück in seine amerikanische Heimat gegangen ist. Um die knappen Finanzen etwas aufzubessern, eröffnet sie einen Mittagstisch. Die Gäste sind überwiegend Bekannte aus der Umgebung, die statt Kantinenessen oder Fast Food lieber gemütliche Mahlzeiten im kleinen Kreis bevorzugen.

Die Gäste sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Da ist beispielsweise Nellys alte Freundin Regine, eine Lehrerin mit Vorliebe für altmodische Ausdrucksweisen, der braun gebrannte Sportlehrer und der gemütliche alte Kreuzfahrtsteward, der von allen "Kapitän" genannt wird und der Nellys Kindern bald ein Opa-Ersatz wird.

Schließlich stößt auch der attraktive Elektroinstallateur Markus in die Runde hinzu, auf den Nelly ein Auge geworfen hat. Leider hat er stets seine Freundin Gretel dabei, die Nelly ein Dorn im Auge ist. Doch dagegen könnte man etwas machen - schließlich weiß Nelly von Gretels Erdnuss-Allergie ...

Bewertung:


Zu ihrem achtzigsten Geburtstag 2015 veröffentlichte Ingrid Noll ihre mittlerweile dreizehnten Roman. Grundsätzlich ist "Der Mittagstisch" in vielerlei Hinsicht ein typischer Noll-Krimi: Die Protagonistin ist eine Frau, die es im Leben nicht immer leicht und glücklich gehabt hat, es werden Mordpläne geschmiedet, es kommt sowohl zu beabsichtigten als auch zu unbeabsichtigten Todesfällen, und das alles wird in einem nonchalanten Plauderton erzählt.

Die Handlung ist recht spannend: Man weiß zwar, dass Nelly gerne ihre Rivalin Gretel aus dem Weg räumen würde. Doch es ist ungewiss, ob sie ihren Plan durchsetzt, ob sie dabei unbehelligt davon kommt und ob es ein Happy End mit Markus geben wird. Zudem steht brisanterweise auf einmal der verschollene Ex Matthew vor der Tür und möchte seine Kinder mit auf die Farm nach North Dakota nehmen. Unter den Nebenfiguren sticht vor allem der "Kapitän" hervor, bei dem anfangs nicht ganz klar ist, ob er aus Spaß am Familienleben in die Opa-Rolle schlüpft oder ob er vielleicht doch ein Auge auf Nelly geworfen hat. Nellys aufgeweckte, aber auch manchmal anstrengende Kinder Simon und Caroline sorgen für den einen oder anderen amüsanten Zwischenfall, und auch die Sticheleien und Lästereien zwischen den Gästen am Mittagstisch sind für den Leser amüsant. Abseits der Krimihandlung erzählt die Handlung auch den komplizierten Alltag einer alleinerziehenden Mutter, die keinen Unterhalt bekommt; viele Mütter werden sich in diversen Szenen in Nelly hineinversetzen können.

Trotzdem gelingt es den Roman allenfalls stellenweise, an die Klasse ihrer älteren Werke heranzureichen. Nelly ist zwar keine unsympathische Figur, bleibt im Vergleich zu anderen Noll-Protagonistinnen sehr blass. Vor allem die Protagonistinnen der ersten Krimis waren sehr einprägsame Charaktere, die einem noch lange nach der Lektüre im Gedächtnis blieben: Man denke an die resolute alte Jungfer Rosemarie Hirte, die auf Biegen und Brechen einmal das Liebesglück erleben möchte, die unglückliche Apothekerin Hella, die direkt an der Quelle für raffinierte Giftmorde sitzt oder die diebischen Freundinnen Maja und Cora, die so manchen Mann aus dem Weg geräumt haben, der sich ihrer Freundschaft in den Weg stellte.

Nelly erscheint sehr zahm im Vergleich zu diesen Figuren, und so wirken ihre Mordpläne recht aufgesetzt, längst nicht so selbstverständlich wie bei den anderen Damen, bei denen der Leser bei aller Schlechtigkeit des Vorhabens gut nachvollziehen konnte, wie sie auf ihre Ideen kamen. Von den Nebenfiguren ist eigentlich nur der Kapitän reizvoll, der den Kindern unterhaltsames Seemannsgarn präsentiert, Nelly zur Hand geht und ein Auge auf ihre Männerbekanntschaften hält. Der Rest des Mittagstischs ist unspektakulär, auch wenn die Malicen untereinander unterhaltsam zu lesen sind.

Neben den zu belanglos gestalteten Figuren enttäuscht insbesondere der Schluss. Die Auflösung ist an sich nicht unpassend, aber viel zu rasch herbeigeführt, als habe man das Ende unter großem Zeitdruck fertiggestellt. In dieser Unmittelbarkeit wirkt es nicht glaubwürdig, sondern eher wie eine Notlösung, die man nicht richtig ausgearbeitet hat. Der Stil ist, wie immer bei Ingrid Noll, sehr flüssig, und für Fans der Autorin ist die Lektüre keine Zeitverschwendung. Für Einsteiger gibt es aber wesentlich besser geeignete Werke, und grundsätzlich ist es angeraten, auf die Taschenbuchausgabe zu warten, statt 22 Euro für das dünne Hardcover auszugeben.

Fazit:


Ein schwächerer Ingrid-Noll-Roman, der sich nur für ihre Fans empfiehlt. Die Geschichte ist zwar recht unterhaltsam und lässt sich flott lesen, die Charaktere sind aber längst nicht so originell und interessant wie in ihren früheren Werken, und das Ende kommt zu abrupt.

17. Januar 2016

Fremd - Ursula Poznanski/Arno Strobel

Produktinfos:

Ausgabe: 2015
Seiten: 400
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Die Autoren:

Ursula Poznanski wurde 1968 in Wien geboren. Sie begann verschiedenste Studiengänge zu belegen, ehe sie sich für einen Werdegang als Medizinjournalistin entschied. Seit 2003 ist sie Kinder- und Jugendbuchautorin. Besonders erfolgreich war ihr erster Jugendthriller "Erebos".

Arno Strobel, Jahrgang 1962, studierte zunächst Informationstechnologie und arbeitete im IT-Bereich, ehe er mit dem Schreiben begann. 2010 gelang ihm mit "Der Trakt" der Durchbruch als Thrillerautor. Weitere Werke sind u. a. "Das Wesen", "Das Skript" und "Der Sarg".

Inhalt:

Joana bricht in Panik aus, als plötzlich ein fremder Mann in ihrer Wohnung steht. Doch der Fremde will sie nicht überfallen - stattdessen behauptet er, ihr Verlobter namens Erik zu sein und seit Monaten mit ihr hier zu leben. Joana aber kennt Erik nicht, und es finden sich auch keine Sachen von ihm in der Wohnung.

Erik bemüht sich, Joanas Vertrauen zu gewinnen. An alles aus ihrem Leben kann sie sich erinnern, nur nicht an ihren angeblichen Verlobten. Allerdings kann Erik beweisen, dass er tatsächlich sehr viele Details aus Joanas Leben kennt, ihre Vorlieben, ihre Eigenheiten. Auch Joanas Freundin Ela bestätigt, dass Joana und Erik ein Paar sind.

Joana zieht langsam in Erwägung, dass sie an einer Teil-Amnesie leidet, die nur ihr Leben mit Erik betrifft. Die Verwirrung um ihre Beziehung ist aber nur ein Teil ihrer Probleme, wie die beiden bald feststellen müssen - denn sie schweben offenbar in großer Gefahr. Um dahinter zu kommen, was mit ihnen gespielt wird, müssen sie einander vertrauen ...

Bewertung:

Arno Strobel und Ursula Poznanski zählen zu den populärsten deutschsprachigen Thrillerautoren der letzten Jahre. Aus einem launigen Schreibexperiment heraus entstand dieser Roman, der die Ereignisse abwechselnd aus den Ich-Perspektiven von Joana und Erik schildert. Die Grundidee ist sehr verheißungsvoll und garantiert eine ordentliche Portion Spannung: Eine Frau wird mit einem angeblichen Verlobten konfrontiert, an den sie sich nicht erinnern kann, und ein Mann muss sich wiederum damit auseinandersetzen, dass sich seine Verlobte nicht an ihn erinnern kann. Joanas Panik ist verständlich, und sie fürchtet, Teil einer komplexen Verschwörung zu sein. Da ihr australischer Vater ein Multimillionär ist, liegt es zudem nah, dass sie fürchtet, Erik könne es auf ihr Vermögen abgesehen haben. Auf der anderen Seite steht Erik, der nicht weiß, wie er Joana beweisen soll, dass er tatsächlich mit ihr verlobt ist - sämtliche seiner Gegenstände sind aus der gemeinsamen Wohnung verschwunden, Joanas Vater weiß nichts von ihm, und Elas Bestätigung ist für Joana zunächst nur Teil der Verschwörung.

In den Grundzügen erinnert das Werk ein wenig an Strobels ersten Psychothriller "Der Trakt" - hier erfährt die Protagonistin, dass sich weder ihr Mann noch ihre Freunde an sie erinnern. Das Besondere an diesem Roman sind aber die beiden Perspektiven, die beide Protagonisten gleichermaßen in den Fokus rücken. Damit geht zwangsläufig ein kleiner Spannungsverlust einher - denn der Leser weiß durch Eriks Perspektive, dass er nichts Böses mit Joana im Schilde führt, sondern es ehrlich mit ihr meint. Langweilig oder vorhersehbar wird es trotzdem nicht, da sich immer noch die Fragen stellen, warum Joana nichts von Erik weiß, ob sie ihm Vertrauen schenken wird und Erik nach dem Leben trachtet - denn schon bald ist offensichtlich, dass Erik in großer Gefahr schwebt.

Es ist reizvoll, mitzuerleben, wie sich Joana und Erik allmählich annähern. Erik ist für Joana anfangs ein komplett Fremder, mit dem sie notgedrungen zusammenarbeitet. Doch nach und nach entwickelt sie tatsächlich Sympathie für ihn und kann sich immer besser vorstellen, dass sie vor ihrer Amnesie in ihn verliebt war. Unterbrochen wird diese Annäherung von Joanas plötzlichen und auch ihr selbst unerklärlichen Aggressionsanfällen, in denen sie auf Erik losgeht. Dadurch geht ironischerweise Erik auf Distanz, nachdem es ihm zunächst so sehr daran gelegen war, Joanas Vertrauen zu gewinnen, und Joana verzweifelt wiederum, weil sie nicht weiß, warum sie so reagiert.

Die Handlung ist temporeich und frei von Längen. Es sterben Menschen aus Eriks und Joanas Umfeld, den beiden stehen scheinbar übermächtige Gegner gegenüber, die ihnen rund um die Uhr auf den Fersen sind. Zu kritisieren gibt es für Genreliebhaber wenig. Die Charakterzeichnungen könnten gewiss ein bisschen intensiver ausfallen; Joana und Erik sind zwar grundsätzlich sympathisch, aber keine wirklich markanten Figuren, und sie bleiben für eine ganze Weile etwas blass. Des Weiteren ist die Auflösung recht gewagt und wirkt etwas konstruiert. Die offenen Fragen werden zwar beantwortet, aber die Hintergründe sind schon sehr phantastisch.

Fazit:


Kein perfekter, aber dennoch sehr unterhaltsamer und kurzweiliger Thriller, empfehlenswert für alle Freunde des Genres.

15. Januar 2016

Du musst mir vertrauen - Sophie McKenzie

Produktinfos:

Ausgabe: 2014
Seiten: 464
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Die Autorin:

Sophie McKenzie, geboren und aufgewachsen in London, arbeitete zunächst als Journalistin und Herausgeberin, ehe sie sich ganz der Schriftstellerei widmete. Weitere auf Deutsch erschienene Werke von ihr sind: Lauren, vermisst und Seit du tot bist.

Inhalt:

Livy führt gemeinsam mit Ehemann Will und den beiden Kindern Hannah und Zack ein unspektakuläres, aber harmonisches Leben. Einziger Wermutstropfen ist Wills Affäre vor sechs Jahren mit einer Kollegin, doch Livy bemüht sich, ihm zu vertrauen.

Livys Leben gerät jedoch aus allen Fugen, als ihre beste Freundin, die glamouröse Journalistin Julia, stirbt. Die Untersuchung ergibt Selbstmord durch eine Überdosis Schlafmittel. Livy kann dies aber nicht glauben, sie ist überzeugt davon, dass Julia nicht depressiv war und dass sie jemand umgebracht hat.

Julias Familie und Will vertreten allerdings die Selbstmord-Theorie. Der Einzige, der Livy glaubt, ist Julias letzter Freund Damian, von dessen Existenz allerdings niemand aus ihrem Umfeld wusste. Damian erzählt ihr, dass Julia angeblich den Mörder von Livys Schwester Kara gefunden hat, die vor achtzehn Jahren umgebracht wurde. Doch das ist nicht alles: Schockiert findet Livy heraus, dass Julia kurz vor ihrem Tod eine Treuetest-Agentur beauftragte, um Will zu überprüfen. Was hat ihr Ehemann mit all dem zu tun? Was hat Julia herausgefunden? Und ist Damian wirklich zu trauen ...?

Bewertung:


Wer kurzweilige Thriller mag, liegt mit diesem Roman genau richtig. Sophie McKenzie hat ein fesselndes Werk geschaffen, das von der ersten bis zur letzten Seite unterhält und nur wenige Schwächen aufweist.

Protagonistin Livy verkörpert mehr oder weniger die Frau von nebenan, eine Hausfrau und Mutter, deren beschauliches Leben von heute auf morgen auf den Kopf gestellt wird. Es fällt leicht, sich mit ihr zu identifizieren und vor allem mit ihr zu leiden. Livy verliert nicht nur ihre beste Freundin, sie stößt auch zunächst bei niemandem auf Verständnis für ihre Mordtheorie. Zudem gibt es immer wieder Konflikte mit ihrer zwölfjährigen Tochter Hannah, und nicht zuletzt steht die Ehe mit Will auf der Kippe, da Livy nicht mehr weiß, inwieweit ihm zu trauen ist. Man fühlt mit Livy, wenn sie sich schmerzlich an Affäre vor sechs Jahren erinnert. Und man kann sehr gut ihre Unsicherheit nachvollziehen, als Will mit seiner einstigen Affäre gemeinsam eine Dienstreise antreten muss. Livy ist bemüht, ihrem Mann zu vertrauen, doch es ist nur logisch, dass ihr dies nicht leicht fällt.

Die größte Stärke des Romans ist jedoch zweifellos seine enorme Spannung und seine weitgehende Unvorhersehbarkeit. Man ahnt schnell, dass Livy recht hat und sich Julia mitnichten das Leben genommen hat, alles Weitere ist jedoch unklar. Es geht aber nicht nur darum, Julias Mörder zu finden, sondern auch, den Mord an Livys Schwester Kara vor achtzehn Jahren zu klären: Damals war Julia Karas beste Freundin, und erst nach Karas Vergewaltigung und Mord kamen sich Livy und Julia näher, bis sie schließlich zu engen Freundinnen wurden. Es gibt Indizien, dass Julia heimlich Nachforschungen anstellte und Karas Mörder auf der Spur war - und dass sie vermutlich deswegen sterben musste. Es ist lange Zeit ungewiss, was die Treuetest-Agentur "Honey Hearts", die Julia kurz vor ihrem Tod beauftragte, mit den Ereignissen zu tun hat.

Ebenso verfolgt man gebannt, was es mit Damian auf sich hat. Er stellt sich Livy gegenüber als Julias heimlicher Freund vor, angeblich sei sogar eine Hochzeit geplant gewesen. Livy ist hin- und hergerissen: Einerseits ist sie sehr froh, dass sie wenigstens einen Menschen gefunden hat, der ihre Mordtheorie zu teilen scheint, der sie dabei unterstützt, Julias Tod zu untersuchen. Andererseits macht es sie misstrauisch, dass Julia ihr lediglich von einer losen Beziehung mit einem "Dunkelblonden" berichtete, und Livy weiß daher nicht, ob Damian wirklich vertrauenswürdig ist und Julia so nah stand, wie er vorgibt. Zwar weiß er viele Details aus Julias Leben und kennt deren Vorlieben, aber das ist noch kein Beweis für seine ehrlichen Absichten. Livys Wunsch, ihm zu vertrauen und ihre gleichzeitige Unsicherheit sind sehr realistisch geschildert.

Die Handlung ist temporeich, der Stil ist flüssig und es ergeben sich immer wieder neue Aspekte. Livy und Damian finden einzelne Puzzleteile, die offenbar mit Julias Tod zusammenhängen, doch deren Bedeutung wird erst allmählich klar. Die beiden geraten in äußerst brenzlige Situationen, und Julia wird, so viel darf verraten werden, nicht der einzige Tote bleiben.

Schwächen gibt es nur wenige zu verzeichnen. Es ist etwas übertrieben, wie viel Julia vor ihrer besten Freundin aus ihrem Leben verheimlicht hat, zumal es dafür keinen zwingenden Grund gibt. Es ist schwierig, einerseits die enge Freundschaft zwischen den beiden und andererseits die zahlreiche Dinge, die Livy erst nach Julias Tod erfährt, zusammenzubringen. Dies betrifft sowohl entscheidende Angelegenheiten als auch banale Sachen wie bestimmte Geschmacksvorlieben. Zudem verläuft das dramatische Finale an einer Stelle zu konstruiert, die Autorin macht es sich hier zu einfach, eine konkrete Situation zu lösen.

Fazit:


Spannender, sehr kurzweiliger Thriller mit geringen Schwächen.